Putin neue Amtszeit
7. Mai 2012Im Moskauer Kreml ist der bisherige Ministerpräsident Wladimir Putin für eine dritte Amtszeit als russischer Präsident vereidigt worden. Am Dienstag (07.05.12) soll der bisherige Präsident Dimitri Medwedew von der Staatsduma als neuer Ministerpräsident bestätigt werden. Damit ist die Ende September 2011 angekündigte Rochade – der Ämtertausch von Putin und Medwedew – abgeschlossen. Doch die Proteste gegen Fälschungen bei der Duma-Wahl im Dezember und gegen Putins Wiederwahl zum Präsidenten im März haben Russland verändert.
Ein neues Russland
Der von der Anti-Putin-Opposition angekündigte "Marsch der Millionen“ hat am Tag vor Putins Vereidigung zwar keinen Zuspruch von Millionen Menschen erfahren. Aber eins ist deutlich geworden: Die Proteststimmung in Moskau hat nicht nachgelassen und wird nicht einfach so verfliegen. Dass die politische Führung dies noch nicht begriffen hat, zeigt das gewaltsame und chaotische Vorgehen der Sicherheitskräfte. Doch mit dem Mittel der Repression treibt der Kreml die Protestbewegung eher in die Radikalisierung als in die Auflösung.
Wie wird sich Russland also in den nächsten sechs Amtsjahren Putins entwickeln? Die Antworten, die Beobachter derzeit auf diese Frage geben, könnten nicht unterschiedlicher sein. Sie unterscheiden sich nicht nur nach dem jeweiligen politischen Standpunkt. Oft fließen auch Wunschvorstellungen oder Horrorphantasien in die Antworten ein. Eine nüchterne Analyse wird dadurch erschwert.
Putin setzt auf Kontinuität
Einig sind sich alle: Die kommenden Jahre werden entscheidend für die Zukunft des Landes sein. Dass eine neue Etappe in Russland beginne, hat auch Putin in seiner kurzen Rede nach seiner Vereidigung unterstrichen. Aus seinen Worten ließ sich aber herauslesen, dass er den bisherigen Kurs fortsetzen will. Putin lobte konservative Werte und die angeblich durch seine Politik erreichte Stabilität. Auf die Proteste gegen seine Person und seine Politik ging er nicht direkt ein.
Putins erste Worte als neu vereidigter Präsident erwecken daher den Eindruck, dass er glaubt, nahtlos an seine Politik der letzten Jahre anknüpfen zu können: eine staatlich gelenkte Modernisierungspolitik in Technologie und Wirtschaft, ohne die eigene Macht und die der Staatsbürokratie zu gefährden, ergänzt durch einzelne paternalistische Wohltaten für die breite Masse. Nach einem "neuen" Putin, der auf veränderte gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen eingeht, sieht das nicht aus.
Neue Gesellschaft, neue Weltwirtschaft
Doch es ist fraglich, ob die alten Rezepte in den nächsten sechs Jahren noch funktionieren werden. Im Unterschied zu seinen vorherigen Amtszeiten lehnt erstmals ein deutlicher Teil der russischen Gesellschaft Putin als Präsident ab. Zwar ist das nicht die Mehrheit der Russen, aber die Putin-Gegner kommen vor allem aus der politisch und wirtschaftlich bedeutsamen Mittelschicht. Es wird also für ihn ein neues Phänomen sein, seine politischen Initiativen in einem derart politisierten Umfeld durchzubringen. Jede banale Alltagsfrage hat das Potential künftig die Lunte zu einer politischen und sozialen Krise zu entfachen.
Hinzu kommt: Die Welt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die Weltwirtschaft befindet sich in einer Krise und auf einem auch für Russland gefährlichen Schlingerkurs. Die russische Wirtschaft und damit der Staat leben von den Einnahmen aus dem Rohstoffexport. Fallende Energiepreise durch eine lahmende Weltkonjunktur oder die Euro-Krise könnten den Handlungsspielraum für Putin erheblich einschränken, insbesondere auch die Realisierbarkeit seiner sozialen Wahlversprechen. Externe Entwicklungen können jederzeit und direkt auf Putins Politik durchschlagen. Es ist daher fraglich, ob seine angekündigte Politik der Stabilität, die nur graduelle Veränderungen im technologischen und wirtschaftlichen Bereich zulässt, der Schlüssel zu Russlands Zukunft ist.