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PolitikEuropa

Heiko und Sergej reden aneinander vorbei

Rescheto Juri Kommentarbild App
Juri Rescheto
11. August 2020

Bei ihrem Gespräch in Moskau bemühten sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow und Bundesaußenminister Heiko Maas um Entspannung. Doch überzeugend wirkte das nicht, meint Juri Rescheto.

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Bundesaußenminister Heiko Maas (links) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow stehen nebeneinander an Pulten aus Plexiglas (Russian Foreign Ministry Press Service via AP)
Bundesaußenminister Heiko Maas (links) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow am Dienstag in MoskauBild: picture-alliance/AP/Russian Foreign Ministry Press Service

"Am Anfang hieß es: 'Lebe lang!', das Ende klang wie Grabgesang." Das sagen die Russen, wenn auf einen optimistischen Anfang ein trauriges Ende folgt. Beinahe wäre der gemeinsame Auftritt des deutschen Außenministers Heiko Maas mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau nach diesem Muster verlaufen. Bis Lawrow dann doch noch die Kurve kriegte und zum Schluss von einer "guten Freundschaft" zwischen Deutschland und Russland sprach. Diese Freundschaft solle nicht von Meinungsunterschieden überschattet werden.

Wird sie aber. Die deutsch-russischen Beziehungen sind und bleiben von einer ganzen Reihe von Differenzen geprägt.

Gemeinsamer Unmut gegenüber den USA

Gleich zu Beginn erinnerte Lawrow an den 50. Jahrestag des sogenannten 'Moskauer Vertrags', eines Abkommens zwischen der damaligen Bundesrepublik Deutschland und der damaligen Sowjetunion, in dem beide Staaten sich zur gewaltfreien Konfliktlösung verpflichteten. Das war am 12. August 1970. Dieses Papier führte zur Entspannung zwischen Ost und West. Der Sozialdemokrat Maas als politischer Enkel des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt passte natürlich in Lawrows historischen Vergleich gut.

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Juri Rescheto leitet das DW-Studio Moskau

Einigkeit herrschte auch beim Thema Nord Stream 2, genauer beim ausgesprochenen Unmut beider Länder gegenüber den USA. Das russisch-deutsche Gaspipeline-Projekt wird seit langem von den Amerikanern torpediert, inzwischen immer heftiger. Da war Maas mit Lawrow einig: Das geht nicht - transatlantische Treue Berlins gegenüber Washington hin oder her.

Alle anderen Themen brachten die Minister dagegen weit auseinander und man hatte den Eindruck, dass Heiko und Sergej, wie die beiden sich demonstrativ nannten, einfach aneinander vorbeiredeten: Ungeklärte Cyberangriffe der Russen auf den Bundestag? Machen die Deutschen doch auch! Russlands staatliche Internet-Seiten würden laut Lawrow von Personen aus dem "deutschen Internetsegment" ebenfalls angegriffen. Wer oder was hinter dem sogenannten Segment stecken soll, blieb unklar.

"Wir waren schon immer offen für Dialog"

Der russische Staat soll in den Tiergarten-Mord verwickelt oder das Verbrechen gar beauftragt haben? Lawrow will konkrete Beweise. Maas verweist auf das Urteil der unabhängigen deutschen Justiz.

Ehrlicher, offener Dialog? Ja, wer will den nicht? Aber es seien doch die Europäer, die mit den Russen nicht reden wollten! Da meint Lawrow wohl die restriktiven Maßnahmen der EU und die Aussetzung diverser internationaler Gesprächsforen mit Russland infolge der Krim-Annexion und des Kriegs im Donbass. Moskau, so Lawrow, sei schon immer offen für Dialog gewesen. Die Europäer müssten nur wollen.

Und vom mutmaßlichen Verbleib von Jan Marsalek in seinem Land, dem geflohenen Wirecard-Manager, der wegen Millionenbetrug mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, wusste der russische Außenminister natürlich auch nichts. Das sei sowieso keine Sache für Diplomaten.

Schwieriges Fahrwasser

Und so ging es die ganze Zeit. Ein "schwieriges Fahrwasser" eben, wie Heiko Maas die aktuelle Lage kurz vor seiner Reise nach Russland bezeichnete. Am Ende kam immerhin seine Reise nach Sankt Petersburg zu Sprache: Deutschland will die Überlebenden der Hungerblockade Leningrads durch die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg entschädigen. Eine humanitäre Geste, die den Veteranen schon im vergangenen Jahr hätte zugute kommen sollen, die aber wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde.

Wegen der Corona-Pandemie konnten übrigens nur sehr wenige Journalisten der Pressekonferenz persönlich beiwohnen. Einer der Kollegen, der im Haus der Empfänge des Russischen Außenministeriums anwesend war, sprach trotz der ganzen Meinungsunterschiede von einer "Atmosphäre, die irgendwie wärmer war als sonst". Lag es an Corona oder an der Moskauer Spätsommerwärme? An den Themen kann es nicht gelegen haben.

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Juri Rescheto Studioleiter Riga