Ende der Schrumpfkur bei der Bundeswehr
Es stimmt: In Stein gemeißelte Obergrenzen beim Personal helfen niemanden. Nicht den Soldaten und auch nicht der militärischen Führung. Kaum etwas lässt sich schwerer vorhersagen als Krisen, Kriege und neue Bedrohungen. Schnell wird dann nach der Bundeswehr gerufen, von der mit Recht Flexibilität erwartet wird. Jüngstes Beispiel: Das im Aufbau befindliche "Kommando Cyber- und Informationsraum", unter dessen Führung sich 13.700 Soldaten auf die Abwehr von Cyberangriffen spezialisieren werden. Vor wenigen Jahren noch hätte niemand vermutet, dass dieser Bereich einmal so viel Personal binden würde.
Zahlen sind nicht der entscheidende Faktor
Die bisher geltende Obergrenze von 185.000 Soldaten hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen nun also richtigerweise über Bord geworfen. In der Praxis wird sie ohnehin deutlich unterschritten. Das beweist, dass Zahlen allein nicht der entscheidende Faktor sind.
Viel wichtiger ist die Botschaft, dass die 25-jährige Schrumpfkur der Bundeswehr nunmehr beendet ist. Die Anforderungen an die Soldaten und das Personaltableau sollen wieder in eine Balance gebracht werden. Die war teilweise verloren gegangen, was zu Unzufriedenheit in der Truppe führte. Und das macht die Bundeswehr als Arbeitgeber nicht gerade attraktiver.
A propos attraktiver Arbeitgeber: Das ist der wunde Punkt in Ursula von der Leyens Konzept. 7.000 neue Soldaten will sie gewinnen, vorzugsweise hervorragend ausgebildete Spezialisten wie Informatiker und Ärzte. Dass die Bundeswehr die braucht, ist unbestritten. Aber die Jahrgangsstärken werden immer kleiner, und auch Unternehmen buhlen um die besten Köpfe.
Wer Spezialisten will, muss etwas bieten
Kann die Bundeswehr da mithalten? Eher nicht. Sie geht oft nicht sorgfältig genug mit denen um, die kommen wollen oder schon da sind. So kehren viele freiwillig Wehrdienstleistende der Bundeswehr wieder den Rücken, weil sie keine sinnvollen Aufgaben bekommen haben. Spezialisten verlassen die Truppe, weil die Arbeitsbedingungen schlechter sind als in der Wirtschaft. Ein Übermaß an Bürokratie und starre Strukturen schrecken Interessenten ab. In punkto Attraktivität bleibt also noch viel zu tun.
Ob die von der Ministerin veranschlagten 14.300 neuen Stellen tatsächlich mit Neuzugängen (7.000) und durch interne Umorganisation (5.000) besetzt werden können, ist also fraglich. Schon jetzt hat das Ministerium keinen Plan, wie jene 2.300 Dienstposten besetzt werden können, die in dieser Rechnung noch offen bleiben. Es fällt auf, dass von der Leyen die mühsame Suche nach geeigneten Bewerbern bis zum Jahr 2023 gestreckt hat. Bis dahin ist sie höchstwahrscheinlich gar nicht mehr im Amt.
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