Die Super-Europäer
Gerne sehen sich die Deutschen als Super- und Vorbild-Europäer. Was ja auch nachvollziehbar ist. Sind sie es doch, die als exportorientierte Wirtschaftsnation mit Abstand am meisten von der Europäischen Union mit ihrem Binnenmarkt profitieren. Der Austritt aus der EU wird hier von niemandem gefordert, der politisch auch nur halbwegs ernst zu nehmen ist. Wäre ja auch schön blöd, die Wurzeln des eigenen Wohlstands zu kappen.
Angela Merkel wird von vielen für die letzte große Kämpferin für Europa gehalten, seit die Briten nicht mehr mitspielen wollen, Italiener und Spanier nur noch mit ihren eigenen Krisen beschäftigt sind und man sich beim Franzosen Francois Hollande gar nicht mehr sicher ist, ob er überhaupt noch amtiert. Alle anderen, so die deutsche Binnensicht, sind bestenfalls vernachlässigenswert klein, oder - schlimmer noch - nur auf ihren nationalen Vorteil aus. Was nichts anderes meint als: Die wollen unser Geld aus der Brüsseler Kasse!
Die nicht nur uneigennützigen Deutschen
Doch gemach, gemach. Ganz so uneigennützig und allein europäisch gesinnt sind auch die Deutschen nicht. Wer das nicht schon längst ahnte, bekam nun mit der heute im Bundestag beschlossenen PKW-Maut auf Deutschlands Autobahnen ein Lehrstück der Sonderklasse präsentiert. Passenderweise pünktlich zum 60. Geburtstag der EU, die sich ohnehin schon in einer veritablen Krise befindet - siehe oben.
Begonnen hat das Schmierentheater vor vier Jahren in Bayern. Dort erregte man sich an den Stammtischen, dass der brave Bayer in all seinen Nachbarländern Autobahnmaut zahlen muss, während die ganzen Ausländer auf dem Weg in die Alpen oder an die Adria einfach so über die schönen deutschen Autobahnen brettern dürfen. Und weil die dort regierende CSU eine populistische Partei im besten Sinne des Wortes ist, wurde die Autobahnmaut für Ausländer zum politischen Programm.
"Mit mir wird es keine PKW-Maut geben", hatte Angela Merkel zwar noch drei Wochen vor der Bundestagswahl erklärt. Aber schon wenige Wochen später fiel die angeblich so Standhafte um, und die Forderung landete im Koalitionsvertrag. Und damit war klar, dass die Bundesregierung ihre Einführung zumindest versuchen würde.
Alle, die diese Idee von Anfang an für einen GAU im Sinne des größten anzunehmenden Unfugs gehalten hatten, setzten fortan auf die EU. Denn eine Maut, die die Deutschen über eine Reduzierung ihrer Fahrzeugsteuer zurückbekämen, faktisch also nur von den Ausländern bezahlt werden muss, kann mit EU-Recht eigentlich nicht vereinbar sein. Und lange sah es so aus, als würde sich das bewahrheiten, der Bayern liebstes Projekt am Widerstand Brüssels scheitern. Die EU-Kommission hatte eine Klage vor dem EuGH angekündigt.
Überraschende Zustimmung der EU-Kommission
Doch dann - am 1. Dezember - plötzlich die Überraschung: Die EU-Kommission verkomplizierte das ohnehin schon zu einem gigantischen Verwaltungsmoloch führende deutsche Modell noch ein wenig mehr und gab im Gegenzug ihren Segen. Ein Schelm, wem dabei auffiel, dass die Einigung just zustande kam, als Angela Merkel begann, die parteiinternen Reihen für ihre vierte Kanzlerkandidatur zu schließen und dafür eben auch die störrische CSU aus Bayern brauchte. Vielleicht ist ja doch etwas dran am polnischen Vorwurf, in Brüssel werde vor allem gemacht, was Berlin wolle. Nun können die Autofahrer nur noch auf Österreich hoffen, das nun seinerseits eine Klage vor dem EuGH gegen Deutschland prüfen will. Ende der Komödie also weiter offen.
Nur soviel ist jetzt schon sicher: Der Flurschaden in Europa ist beträchtlich. Und das ist ein reichlich hoher Preis für ein Projekt, das nach Berechnungen des ADAC dem Staatssäckel gar nichts einbringen wird. Denn die Einnahmen von ausländischen Autofahrern würden durch Produktion, Verkauf und Kontrolle der Gebührenmarken vollständig aufgezehrt, sagt der Autofahrer-Verein. Die EU krankt derzeit an der Vielzahl kleiner, nationaler Egoismen. Der Plan zur PKW-Maut auf deutschen Autobahnen ist einer davon.
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