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Deutschland kann das packen!

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
Kay-Alexander Scholz
9. September 2015

Es war vor allem eine Entscheidung von Angela Merkel: Die Grenzen nach Deutschland für Flüchtlinge sind offen und nun gibt es kein Zurück mehr. Die Kanzlerin muss jetzt weiter mutig bleiben, meint Kay-Alexander Scholz.

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Von Bagdad nach München (Foto: AfP)
Bild: Getty Images/AFP/A. Messinis

Noch vor wenigen Tagen konnte ich nachts nicht einschlafen, weil auch ich Angst hatte, dass Deutschland mit der Flüchtlingskrise nicht fertig wird. Ich sah nur Blumensträuße an Bahnhöfen und vermisste politisches Handeln. Willkommenskultur ist wichtig, keine Frage. Aber der Umgang mit Flüchtlingen ist nicht allein ein emotionales Thema, sondern eben auch knallharte Politik.

Zum Glück sieht Angela Merkel das auch so - und zeigt Mut zu eben solcher Politik: Sie öffnete die Grenzen für Flüchtlinge und zwang dem ganzen Kontinent die Auseinandersetzung mit dem Elend der Menschen vor Europas Haustür auf. Ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr, höchstens noch Kompromisse wie Geld statt Quote. Was für ein Coup!

Merkel bleibt bei ihrer Linie

In der Generaldebatte im Bundestag machte sie deutlich, dass sie diesen Mut beibehalten will. Also voran zu gehen, kreativ zu sein bis an die Grenzen. Diese Führungsstärke braucht es jetzt. Genauso wie es eine gut funktionierende operative Ebene braucht, allen voran die Bundesländer. Madame Herz und Verstand aus Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, und Ist-mir-doch-egal-Horst-Seehofer aus Bayern machen den anderen gerade vor, wie es geht. Parteipolitische Freizügigkeit ist jetzt gefragt.

Auch ein Grund für Optimismus: Deutschland befreit sich aus den Fesseln einer verklemmten Diskussionskultur. Zu wenig wurde bisher gefragt, was eigentlich nach dem "Willkommen!" kommt oder welche Ängste den bio-deutschen Normalbürger umtreiben. Die Bürger müssten mitgenommen werden, forderte die CSU-Landeschefin Gerda Hasselfeldt jetzt im Bundestag. Die Parteien müssten die Lebensrealität wahrnehmen und nicht verschweigen. Die Flüchtlingskrise verlange nach einer differenzierten Diskussionskultur. Richtig so, Frau Hasselfeldt! Es darf keine Tabus geben. Das ist, wie sie richtig sagen, das beste Mittel gegen rechtsradikales Gedankengut.

Kommentarfoto Kay-Alexander Scholz Hauptstadtstudio (Foto: DW)
Kay-Alexander Scholz, Korrespondent im DW-HauptstadtstudioBild: DW/S. Eichberg

Und genauso richtig ist, was die grüne Fraktionsvorsitzende Kathrin Göring-Eckhardt sagte: Schon jetzt müsse über die gesellschaftspolitische Frage diskutiert werden, wie Deutschland mit den Vorstellungen vieler muslimischer Flüchtlinge umgehen wolle, die "nicht unsere sind". Wie könne man vermitteln, was das Grundgesetz ausmacht? Es brauche eine Diskussion über unsere Werte und Gesetze, um die anderen zu leiten.

Offen auch über Fehler sprechen

Und auch der Appell der Grünen-Politikerin an eine offene Fehlerkultur ist Gold wert. Deutschland hat in den vergangenen Jahren in der Asylpolitik einiges schleifen lassen. Eines der Hauptprobleme ist derzeit, dass es zu wenig Beamte gibt, die Asylanträge abarbeiten. Dieses Versagen muss offen angesprochen werden - nicht um dem politischen Gegner eins auszuwischen, sondern um schnell Lösungen zu finden.

Erleichternd kommt hinzu, dass trotz der abertausenden Flüchtlinge das politische System erstaunlich stabil ist. In anderen Staaten Europas verengen populistische Parteien an den Rändern das politische Handlungsfeld. Nicht so in Deutschland. Die "Alternative für Deutschland", die hiesige Variante des Rechtspopulismus, schafft es derzeit nicht, der Debatte ihren Stempel aufzudrücken.

Lob aus dem Ausland

Und nun auch noch das: Rückenwind aus dem Ausland. In vielen Zeitungskommentaren wird Deutschland für seinen Einsatz und seinen Mut gelobt. Während mancher Deutsche in typischer "German Angst" versinkt, sehen andere einen moralischen Sprung nach oben und vertrauen Merkels Führungsanspruch.

So schwierig die Situation gerade ist: Es gibt viele Gründe zu glauben, dass Deutschland das packen kann! Und vielleicht wird es einmal im historischen Rückblick heißen, die Flüchtlingskrise hat Deutschland zu einem besseren Land gemacht.

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