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Der kleine Erfolg gegen die Todesstrafe

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
10. August 2018

Wie andere Pharmakonzerne auch will Fresenius Kabi eine Hinrichtung in den USA gerichtlich stoppen. Auch wenn die Gründe betriebswirtschaftlich motiviert sind, hilft es im Kampf gegen die Todesstrafe, findet Martin Muno.

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USA Todeszelle Todesstrafe Giftspritze
Bild: picture-alliance/dpa/P. Buck

Es ist eine albtraumhafte Szenerie wie aus einem Roman von Franz Kafka oder einem Film von David Lynch. Seit fast 40 Jahren sitzt Carey Dean Moore wegen eines Doppelmordes in einer Todeszelle und wartet darauf, dass er getötet wird. Nun soll er in Nebraska hingerichtet werden - durch die Giftspritze. Es wäre die erste Hinrichtung seit 21 Jahren in dem US-Bundesstaat.

Gegen die Verhängung der Todesstrafe kämpfen zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und die katholischen Bischöfe Nebraskas. Ein weiterer Aufschub - von Rettung kann hier nicht gesprochen werden - könnte jedoch von anderer Seite kommen: Der deutsche Pharmakonzern Fresenius Kabi will die Hinrichtung gerichtlich stoppen lassen. Das Unternehmen geht davon aus, dass sich Nebraska illegal zwei von dem Konzern hergestellte Substanzen beschafft habe, die bei der Hinrichtung verwendet werden sollen. Denn der tödliche Cocktail der Spritze besteht aus vier Wirkstoffen, die allesamt heilend oder lindernd wirken - in ihrer Zusammensetzung sowie der Dosierung aber tödlich sind.

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DW-Redakteur Martin Muno

Es geht ums Image, nicht um Moral

Es sind keine moralischen Gründe, die Fresenius so handeln lassen. Das Unternehmen betont vielmehr, "keine Position zum Thema Todesstrafe" einzunehmen. Es geht zuvorderst ums Image - aber natürlich auch um die Geschäftsbilanz. Ein Unternehmen, das mit dem Versprechen "Wir helfen Menschen" wirbt, kann es sich schlecht erlauben, dabei zu helfen, Menschen umzubringen. Die Ablehnung der Todesstrafe in Europa wird dann auch von Fresenius Kabi als Grund für eine mögliche Rufschädigung angeführt.

Man kann das zynisch finden, aber es ist effektiv: In Nevada wurde vor knapp einem Monat eine Hinrichtung gestoppt, weil das Pharmaunternehmen Alvogen gegen die Verwendung eines von ihm hergestellten Beruhigungsmittels klagte. Vor einem Jahr zog der Pharma-Großhändler McKesson gegen den Staat Arkansas vor Gericht. 2016 stoppte Pfizer die Lieferung von Gift-Substanzen an Gefängnisse. Auf der anderen Seite führte das Verhalten der Pharmaunternehmen bei einigen Justizbehörden zu einer Art Torschlusspanik: Ebenfalls in Arkansas wurden Anfang 2017 vier verurteilte Straftäter innerhalb von nur acht Tagen hingerichtet, weil bei einem der eingesetzten Betäubungsmittel das Verfallsdatum kurz bevorstand.

Das betriebswirtschaftlich motivierte Handeln der Pharmahersteller schiebt das staatlich verordnete Töten nur auf, es stoppt es nicht endgültig. Das kann nur durch zivilen Druck erreicht werden. Erst wenn sich auch in den USA das Bewusstsein durchsetzt, dass das Menschenrecht auf Leben auch für verurteilte Mörder gilt, dass die Gefahr, Unschuldige zu töten, nach wie vor groß ist, und dass die Todesstrafe die Vereinigten Staaten nicht sicherer gemacht hat - erst dann dürfte dieser barbarischen Strafe das Sterbeglöckchen läuten. Dass es in der populistisch aufgeheizten Stimmung in absehbarer Zeit dazu kommt, daran glauben allerdings nicht einmal Optimisten. US-Präsident Donald Trump forderte noch im März etwa die Ausweitung der Todesstrafe auch für Drogendealer. Deshalb ist aus Sicht der Menschenrechte jede durch Pharma-Klagen aufgeschobene oder abgesagte Hinrichtung schon ein kleiner Erfolg.

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Martin Muno Digitaler Immigrant mit Interesse an Machtfragen und Populismus