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Politik

Der humanere Weg für Polen

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
7. Oktober 2016

Der Sejm, das polnische Parlament, hat nach heftigen Protesten vor allem von Frauen ein absolutes Abtreibungsverbot abgelehnt. Das Thema ist aber damit noch nicht vom Tisch, meint Bartosz Dudek.

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Polen - Massendemonstration gegen das neue Abtreibungsgesetz
Viele illegale Abtreibungen werden mit Kleiderbügeln vorgenommen - deswegen wurde ein solcher zum Symbol des ProtestsBild: picture-alliance/NurPhoto/M. Luczniewski

Eine Abtreibung ist für keine Frau ein Vergnügen. Ganz im Gegenteil. Es handelt sich oft um ein persönliches Drama, eine Abwägung, bei der es buchstäblich um Leben und Tod geht. Diese Bürde mit der Haftstrafe von bis zu fünf Jahren noch zusätzlich zu vergrößern, wäre unmenschlich. So unmenschlich, dass es am Ende sogar den konservativen polnischen Bischöfe zu weit ging. Angeblich auch mit ihrem Einverständnis wurde der scharfe Gesetzentwurf der ultrakonservativen Lebensschützer zum Fall gebracht. Vorerst.

Die Verschärfung kommt - aber anders

Denn die Führung der in Polen regierenden national-konservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hat nun angekündigt, einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen. Dessen Kern soll ein Verbot der bisher erlaubten Abtreibung von kranken beziehungsweise behinderten Föten sein. Diese machen etwa 95 Prozent der jährlich rund  1000  legal vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche in Polen aus. Die beiden übrigen zulässigen Ausnahmen - bei Gefährdung des Lebens der Mutter und nach einer Vergewaltigung - sollen hingegen weiterhin erlaubt bleiben. 

Dudek Bartosz Kommentarbild App
Bartosz Dudek leitet die Polnische Redaktion der DW

Wann dieser Gesetzesentwurf dem Sejm vorgelegt wird, ist noch unklar. Es ist aber kein Geheimnis, dass der eigentliche Machthaber Polens, der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski, kein glühender Verfechter einer Verschärfung des Abtreibungsgesetzes ist. Mehr noch: Als gewiefter Stratege weiß er allzu gut, dass man mit solch einem Thema nicht punkten kann, das vor allem die Frauen parteiübergreifend derart polarisiert.

Um die Gemüter zu beruhigen, hat nun Premierministerin Beata Szydlo "weiche" Maßnahmen angekündigt. So sollen die Mütter behinderter Kinder bald mit großzügiger staatlicher Hilfe rechnen können. Eine vernünftige Idee, die vielleicht mehr Aussicht auf Erfolg auch im Sinne der Lebensschützer hat, als die Androhung von drakonischen Strafen. Denn ganz klar ist doch: Sanktionen und Verbote lösen das Problem nicht! Es ist kein Geheimnis, dass zehntausende Polinnen jährlich illegal abtreiben. Die Betuchteren weichen in Kliniken nach Deutschland, Holland und die Slowakei aus. Die Ärmeren lassen den Schwangerschaftsabbruch unter oft zweifelhaften medizinischen Bedingungen im Inland vornehmen. Die genauen Zahlen kennt niemand, ebenso wenig die Folgen für die Gesundheit der Frauen.

Darf kirchliche Norm staatliches Gesetz werden?

Und noch eine weitere entscheidende Frage steht im Raum: Darf der Staat die moralischen Vorstellungen einer einzelnen Religionsgemeinschaft mit gesetzlichen Sanktionen durchsetzen und damit auch allen übrigen Bürgern aufzwingen? Die kleine evangelisch-lutherische Kirche in Polen setzt zum Beispiel auf die freie Entscheidung der Frauen und hält nichts von strafbewehrten Verboten. Denn es sind die Mütter, die die größte Verantwortung für das neue Leben übernehmen. Ihnen beizustehen, anstatt sie mit Strafen zu belegen, ist effizienter und zugleich: humaner.  

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