Das wallonische CETA-Desaster der EU
Was für ein außerordentliches Stück politisches Theater: Eine Region, die für nur 0,7 Prozent der europäischen Bevölkerung steht, hält die restliche halbe Milliarde Menschen in der EU als Geisel. Noch am ersten Tag des Gipfeltreffens in Brüssel machte Regionalfürst Paul Magnette den Großen vom fernen Namur aus Hoffnung, mit weiteren Gesprächen sei das wallonische Problem vielleicht zu lösen. Also wurde über Nacht fieberhaft verhandelt - aber ohne Erfolg. Denn am Freitag pokerte Magnette ungerührt weiter und forderte eiskalt, man solle den EU-Kanada-Gipfel mit Premier Justin Trudeau in der nächsten Woche eben verschieben.
Alle Räder stehen still…
Worum geht es hier eigentlich? Eine Region, die nur für 15 Prozent des belgischen Handelsaufkommens steht, macht das Abkommen mit Kanada zu einer Frage von Leben und Tod. Dabei beträgt der Warenaustausch der Wallonie mit den Kanadiern gerade einmal 150 Millionen Euro im Jahr. Könnte man dieses Geld nicht einfach in die störrische Provinz überweisen und sagen: Lasst es einfach ganz, wir kaufen euch da raus?
Das Problem ist nur: Darum geht es gar nicht. Der Widerstand der Wallonen beruht auf einer Fundamentalopposition gegen die Globalisierung, die längst nicht mehr mit Fakten, sondern vor allem mit Gefühlen arbeitet. Welthandel an sich ist schlecht und Freihandelsabkommen sind generell des Teufels - so die CETA-Gegner. Und da spielt keine Rolle, wie sehr der Vertrag inzwischen an europäische Normen angepasst wurde. Die Wallonie stellt sich quer zu CETA, weil sie es rechtlich kann und ideologisch für nützlich hält. Es ist wie mit der kleinen Lokführer-Gewerkschaft vor zwei Jahren in Deutschland: Alle Räder stehen still, weil ihr starker Arm es will.
Belgische Innenpolitik auf europäischer Bühne
Abgesehen davon ist diese Posse natürlich auch ein Stück belgische Innenpolitik. Die Zentralregierung von Charles Michel hat sich politisch kastriert, als sie so viel Macht an die Regionen abgab, dass diese nun auch bei internationalen Verträgen mitbestimmen dürfen. Das ist im Ergebnis natürlich absurd. Warum sollte nicht auch das viel größere Nordrhein-Westfalen mitreden dürfen, oder die riesige Region Provence-Alpes-Cote d'Azur in Frankreich? Mit Vernunft oder demokratischer Repräsentation hat das belgische Problem nichts mehr zu tun, nur noch mit einer dysfunktionalen Regierungsstruktur.
Ein GAU für die Europäische Union
Für die Europäische Union ist der Hickhack mit der Wallonie ein politisches Desaster. Der größte Handelsblock der Welt muss sich wie einstmals die ruhmreiche Armee der Römer im Comic "Asterix bei den Belgiern" vorführen lassen und verliert dadurch seine Glaubwürdigkeit. Gibt es nicht noch in den nächsten Tagen eine Lösung, ist die EU blamiert bis auf die Knochen. Wer will denn jemals noch über einen Vertrag mit ihr verhandeln, wenn am Ende eine beliebige Region den Stock in die Speichen stecken und alles zunichte machen kann.
Das allerschlimmste dabei ist: Die Europäische Union wird international zum Gegenstand von Spott und Häme. Wenn sie in ihrer Kernkompetenz, nämlich der Handelspolitik, nicht mehr handlungsfähig ist, dann kann man den Laden in Brüssel bald dicht machen.
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