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Contra Punktabzug - der Rassismus muss aus den Köpfen!

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Tobias Oelmaier
25. April 2019

Englands Profi Raheem Sterling fordert Punktabzug bei Rassismus im Stadion. Aber drakonische Strafen gegen Vereine sind nicht das richtige Mittel, kommentiert DW-Redakteur Tobias Oelmaier.

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Fussball l Spieler Raheem Sterling
Bild: picture alliance/dpa/S. Paston

In einer komplexen Welt gieren die Menschen oft nach einfachen Lösungen. Vor allem, weil sich kaum mehr jemand Zeit nimmt, die Entstehung von politischen Prozessen oder Entscheidungen zu hinterfragen, geschweige denn von juristischen. Es greifen einfache Reflexe: Ist der Arbeitsplatz weg, ist der "Ausländer" schuld, also weg mit ihm! Todesstrafe für Kinderschänder oder Terroristen? Na klar! Wirtschaftliche oder gesellschaftliche Probleme im eigenen Land - raus aus der EU! Befördert von den ebenso schnellen wie schnelllebigen Sozialen Medien ist eine Meinung zu jedem Thema innerhalb von Sekunden publiziert und wird oft völlig unreflektiert geliked oder weiterverbreitet.

Jetzt hat der englische Fußballprofi Raheem Sterling eine einfache Lösung. Er fordert in einem Gastbeitrag in der britischen "The Times" drastische Strafen für die Vereine bei rassistischen Entgleisungen ihrer Fans. Geldstrafen täten den reichen Klubs und Verbänden nicht weh, deshalb schlägt er bei rassistischen Beleidigungen im Stadion einen automatischen Abzug von neun Punkten vor. Und dazu noch drei Spiele ohne Publikum. Sterlings Rechnung: Welcher Fan würde es in Kauf nehmen, dass durch sein Verhalten sein Klub absteigt oder der Titel verloren geht?

Man möchte ihm zustimmen. Dieser ewige Rassismus, diese Beleidigungen, diese Affenlaute sind entwürdigend und beschämend. Als jemand, der selbst nicht betroffen ist, kann man sich kaum in ein Opfer, wie Sterling es regelmäßig ist, hineinversetzen. Was die ständigen Anfeindungen mit einem machen, lässt sich vielleicht am ehesten ermessen, wenn man die Worte von Sterlings Nationalmannschafts-Kollegen Danny Rose nach dem Länderspiel in Montenegro kürzlich liest: Er habe genug, er freue sich auf den Zeitpunkt, wenn er dem Fußball den Rücken kehre, sagte der Tottenham-Profi resigniert. Fußball lebt von der Freude am Spiel. Rassismus, dieses Krebsgeschwür unserer Gesellschaften, bedroht sie. So kann, so darf es nicht weitergehen!

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DW-Redakteur Oelmaier: "Kein reines Fußball-Problem"

Dennoch: Punktabzug und Zuschauer-Ausschluss sind nicht die richtigen Mittel. Auch wenn sie auf den ersten Blick logisch und effektiv erscheinen. Aber unser Rechtssystem sieht nun mal keine Sippenhaft vor. Weder für andere Verbrechen, noch für Rassismus im Stadion. Das sind Grundsätze, an denen wir nicht rütteln sollten. Alles andere wäre ein Verrat an unseren Werten. Mal ganz abgesehen von vermutlich absurden, nicht durchsetzbaren Regressforderungen der Vereine gegenüber den Tätern im Fanblock. Da kämen zum Beispiel bei einer durch Punktabzug verpassten Champions-League-Qualifikation schnell zweistellige Millionenbeträge zusammen.

Eine banale, aber wichtige Erkenntnis: Rassismus, Homophobie und Ausländerfeindlichkeit sind nicht auf die Fankurven beschränkt. Der Fußball, der Sport, ist nicht mehr als ein Spiegel der Gesellschaft. Wo sich 50.000 Menschen tummeln, sind auch Rassisten dabei. Das ist nicht schön, aber es ist die Wahrheit. Die Vereine, besonders die großen und finanzstarken, arbeiten seit Jahren mit hohem Einsatz an der Lösung dieses Problems. Sozialarbeiter und Pädagogen appellieren regelmäßig in Fanprojekten an Vernunft und Menschenverstand. Und das durchaus mit Erfolg. Wer heute ins Stadion geht, wird feststellen, dass sich die Atmosphäre tatsächlich geändert hat, zumindest in der Bundesliga. Will man etwa 49.995 Zuschauer, die Spieler, den ganzen Verein sanktionieren, für die Straftaten von fünf Besuchern, die sie vielleicht nicht mal kennen?

Dennoch - auch in deutschen Fußballarenen gibt noch Rassismus. Vereinzelt. Regional unterschiedlich ausgeprägt. Oft da, wo er von der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wird, in den unteren Ligen. Natürlich muss das aufhören. Aber eben nicht mittels drakonischer Strafen, sondern durch Einsicht - auch wenn das viel Geduld erfordert. Für Raheem Sterling und seine Leidensgenossen mag das zu spät kommen. Solange Rassenhass in Bussen und Bahnen, am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche subtil oder offen gang und gäbe ist, wird er auch bei den Stadionbesuchern vorhanden sein.

Vielleicht würde man durch die Sterling´schen Strafandrohungen 90 ruhige Minuten im Stadion erreichen. Aber was nützt das, wenn die Hetze draußen, außerhalb der Arenen weitergeht? Rassistisches Gedankengut muss nicht aus den Kurven verbannt werden, sondern aus den Köpfen!

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