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Brot statt Geld

15. August 2015

Neue Ideen angesichts immer weiter steigender Flüchtlingszahlen: Bundesinnenminister Thomas de Maizière fordert, Asylbewerbern eher Sachleistungen als Geld zu geben. Christoph Hasselbach findet die Idee richtig.

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Flüchtlingsfamilie beim Essen (Foto: picture-alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

143 Euro im Monat. Das bekommt ein alleinstehender Asylbewerber als sogenanntes Taschengeld in der Erstaufnahme. Gedacht ist das Geld, um persönliche Bedürfnisse wie Kommunikation und Mobilität zu erfüllen. Unterkunft, Essen, Kleidung und Körperpflege sind bereits durch Sachleistungen abgedeckt.

Nach der Erstaufnahme verlagert sich die Unterstützung immer mehr auf Bargeld. Zusammen mit dem Taschengeld werden einem Alleinstehenden dann 359 Euro im Monat gezahlt. Damit kann niemand in Deutschland große Sprünge machen. Die Leistungen sollen einem Menschen für die Dauer des Asylverfahrens eine würdige Existenz sichern. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ein Taschengeld hier ist woanders ein Monatslohn

Für viele Menschen aus den Ländern des westlichen Balkans entsprechen die Geldleistungen dem, was sie mit einer normalen Erwerbsarbeit in ihrer Heimat verdienen. Dazu kommt, dass sie in ihren Ländern meist keine Perspektive sehen. Man kann daher verstehen, dass sie den Weg nach Deutschland suchen. Dennoch haben die allerwenigsten eine Chance, dass ihr Asylantrag anerkannt wird, weil das deutsche Asylrecht nur Verfolgung als Anerkennungsgrund vorsieht.

Wer auch Armut als Asylgrund anerkennen will, muss sich darüber im klaren sein, dass dann ein ziemlich großer Teil der Weltbevölkerung einen Anspruch auf Zuflucht nach Deutschland hätte. Im Moment kommen gut 40 Prozent der Asylbewerber aus den Staaten des Westbalkans. Sie werden trotzdem durch das Asylverfahren geschleust, mit allen Folgen für Unterbringung und Versorgung. Das geht letztlich auf Kosten der Kapazitäten für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge.

Christoph Hasselbach (Foto: DW)
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Busfahrkarte oder Geld dafür?

Der Bundesinnenminister denkt nun daran, von den Geldleistungen zwar nicht vollständig, aber teilweise zu Sachleistungen überzugehen. Vor allem die Praxis in manchen Bundesländern, die Beträge für einige Monate im voraus zu zahlen, ist ihm ein Dorn im Auge. Er sieht Anhaltspunkte, dass die Asylbewerber das Geld an die Schlepper weiterreichen, bei denen sie Schulden haben.

Die Idee ist richtig und tastet keineswegs die Menschenwürde an, wie Kritiker behaupten. Die Würde des Menschen entscheidet sich nicht daran, ob er von den Behörden eine Busfahrkarte bekommt oder Geld, um sich selbst eine zu kaufen. Andererseite würde der Anreiz gesenkt, es trotz geringster Anerkennungschancen mit einem Asylantrag in Deutschland zu versuchen, und wenn es nicht klappt, dann wenigstens in der Zeit des Verfahrens die vergleichsweise attraktiven Leistungen in Anspruch zu nehmen. Allein als Botschaft wäre das wichtig.

Gestaltungsmacht zurückgewinnen

Allerdings darf man sich auch keine Illusionen machen: Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht die Leistungen für Asylbewerber aus gutem Grund sehr klar definiert und Änderungen enge Grenzen gesetzt. Der Staat kann also die Leistungen nicht einfach drastisch kürzen, auch wenn er sich davon Abschreckung verspricht. Und selbst wenn es mehr Sachleistungen statt Geld gäbe, nähme die Not und empfundene Aussichtslosigkeit der Menschen in ihren Herkunftsländern deswegen ja nicht ab.

Darum könnte man auf der anderen Seite Arbeitsmöglichkeiten für diejenigen Menschen vom westlichen Balkan schaffen, die gute Voraussetzungen mitbringen. Das hätte dann allerdings nichts mit Asyl zu tun. Deutschland würde sich die Arbeitskräfte nach seinen Interessen aussuchen. Ganz wichtig ist: Erst wenn die Regeln des politischen Asyls wirklich durchgesetzt werden, kann man über Wege einer gewollten Arbeitsmigration nachdenken.

Im Moment herrscht eine falsch verstandene Großzügigkeit beim Umgang mit Flüchtlingen. Fast jeder, der bleiben will, kann auch bleiben. Viele Bürger haben das Gefühl, dem Staat sei die Kontrolle in der Flüchtlingsfrage entglitten. Das schadet der Aufnahmebereitschaft. De Maizières Vorschlag wäre zwar nur ein Schritt, aber ein symbolisch wichtiger, um zu zeigen, dass der Staat seine Gestaltungsmacht zurückgewinnt.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik