Sicher, die EU hat Optionen, den Amerikanern Paroli zu bieten. Es gibt ein Vorbild: Kuba. Vor 22 Jahren wollten die USA den Inselstaat mit Sanktionen in die Knie zwingen, die Europäer lieber Geschäfte machen. Brüssel ging sogar so weit, im Rahmen einer sogenannten "Blocking"-Regulierung europäischen Firmen zu verbieten, die US-Sanktionen zu befolgen. Der Unterschied zu heute: Damals saß mit Bill Clinton ein berechenbarer, den Europäern wohlgesonnener Präsident im Weißen Haus. Heute… - nun ja.
Darüber hinaus könnte die EU ihre Firmen vor den von Washington angedrohten Sanktionen schützen, indem sie die dadurch entstehenden Nachteile ausgleicht. Auch öffentliche Investitionen oder öffentliche Hilfe bei privaten Investitionen sind eine Möglichkeit. Die Europäische Union hat also durchaus die Werkzeuge, effektiv auf Konfrontationskurz zu Trump zu gehen. Nur so wären europäische Konzerne wohl auch zu überzeugen, weiterhin Geschäfte mit einem Land zu machen, das derartig im Visier der USA steht.
Geschäfte nicht erzwingen
Also läuft alles auf die Frage hinaus, ob die europäischen Staats- und Regierungschefs überhaupt bereit sind, in den Boxring um Iran zu steigen. Jeder gezielte Hieb von Seiten der EU in Richtung USA könnte eine rasche Eskalation zur Folge haben, die große wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen könnte. Soweit werden von Natur aus vorsichtige Politiker wie Angela Merkel nicht gehen wollen. Auch am Dienstagabend war außer Zweckoptimismus kein Hinweis zu hören, dass die Europäer bereit sind, diesen Weg zu gehen.
Damit stehen Geschäftsführer multinationaler Firmen wie Siemens nun vor der Entscheidung, das Business mit dem Iran einfach sein zu lassen oder dort weiter zu investieren und den Zorn der Amerikaner auf sich zu ziehen. Vermutlich würden sich besonnene Konzernlenker für die erste Option entscheiden, denn das Geschäft mit den USA ist für die meisten viel wichtiger. Für Siemens beispielsweise sind die Vereinigten Staaten der größte Einzelmarkt. Das Dilemma der EU: Sie braucht die privaten Unternehmer, um den Iranern die Investitionen zu verschaffen, die diese so dringend brauchen. Aber sie kann die Konzerne nicht zwingen, Geschäfte im Iran zu machen.
Bleiben noch die anderen Unterzeichner des Iran-Deals, die versuchen könnten, die Lücke zu füllen. Aber auch da gibt es Probleme. Russland zum Beispiel, das auf einer strikten Einhaltung des Abkommens besteht, ist wirtschaftlich gesehen eigentlich ein direkter Konkurrent des Iran. Beide machen ihre Geschäfte vor allem mit dem Export fossiler Brennstoffe. Und China hat wahrscheinlich besseres zu tun, als auch noch bei diesem Thema auf offenen Konfrontationskurs zu den US-Amerikanern zu gehen. Zurzeit versuchen die Chinesen einen Handelskrieg mit der Trump-Regierung zu vermeiden. Da hat das Iran-Abkommen erst mal nur nachrangige Priorität.
Abkommen hängt am guten Willen Irans
Was bleibt den Europäern also übrig? Zaghafte Versuche, einige Konzerne zu weiteren Aktivitäten im Iran zu bewegen, öffentliche Gelder fließen zu lassen, die verbleibenden Partner überzeugen, gleiches zu tun - all das wird das Abkommen nicht wirklich am Leben halten. Ein Erfolg wäre vermutlich schon, es in einer Art Wachkoma zu halten, bis die US-Wähler wieder an die Wahlurnen gehen. Der Iran wird mit Sicherheit nicht mehr die wirtschaftlichen Anreize bekommen, die er sich erhofft hatte. Damit hängt das Abkommen allein am guten Willen des iranischen Regimes, sein Atomprogramm nicht zu reaktivieren.
Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!