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Politik

Die gezähmte Kanzlerin

11. September 2019

Angela Merkels Regierungswirklichkeit passt nicht zu Deutschlands Anspruch an sich selbst. Die Rede der Kanzlerin zeigt: Die Regierungskoalition wird nicht halten können, was Merkel verspricht, meint Michaela Küfner.

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Bundestag - Generaldebatte | Angela Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Eine gute halbe Stunde dauerte Angela Merkels Sprung im großen Bogen der Weltpolitik. Wie in Zeitlupe sah man sie 15 Minuten lang als globalpolitischen Tiger aufsteigen bis sie dann - durch mehrere brennende Reifen deutscher Realitätsbeschreibungen gebremst - doch eher als Hauskatze wieder auf dem Boden der deutschen Tatsachen landete.

Was kann diese Koalition noch erfüllen?

Denn wenn Merkel, ganz "Leader of the free World", bei den großen Fragen wie den transatlantischen Beziehungen und Deutschlands Verantwortung für den Multilateralismus versucht aufzuzeigen, "was die Erwartungen an uns sind", dann weiß sie selbst: Das wird diese Regierungskoalition mit einer SPD in Dauerkrise kaum erfüllen können. Denn nicht nur der Klassiker, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO, bleibt ein rotes Tuch für die Sozialdemokraten - egal wie sehr das Thema die Beziehungen zur Regierung Trump auch belasten mag.

Deutsche Welle Michaela Kuefner, TV Portrait
Michaela Küfner ist politische ChefkorrespondentinBild: DW/B. Geilert

Wenn Merkel mahnt, dass Europa bei der Lösung der Konflikte der Welt "einen Fußabdruck hinterlassen", gar "sichtbarer" werden müsse in Syrien, kontert die SPD mit ihren Prinzipien.

Genau dort, in Syrien, spielt sich neben dem Kampf gegen den "Islamischen Staat" auch gerade ein großes Drama innerhalb der Regierungskoalition ab. Wird doch hinter den Kulissen hart darum gerungen, wie lange genau und in welchem Umfang das Mandat für deutsche Anti-IS Aufklärungsflüge erneuert werden soll. Das bisherige Mandat läuft Ende Oktober aus. "Sichtbarer werden" sieht anders aus.

Geradezu verwegen wirkt da Merkels Ankündigung, dass Deutschland "seinen Beitrag leisten" wolle, damit aus Libyen kein zweites Syrien wird. Jahrelang hatte sich Deutschland davor gescheut, die Platzhirsche Frankreich und Italien mit ihrem Interessengerangel in Libyen zu konfrontieren. Doch jetzt, wo die UN-gestützte Übergangsregierung komplett im Kriegschaos versinkt, also das sprichwörtliche Kind in den Brunnen gefallen ist, warnt Merkel plötzlich selbst vor einem weiteren "Stellvertreterkrieg", bezeichnet es als "unsere Aufgabe", genau diesen zu verhindern. Doch bleibt es schwer vorstellbar, welche konkreten Taten diesen Worten nun folgen könnten, bei diesem Koalitionspartner.

Technologisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit

Nicht verstecken hinter der SPD kann sich die Kanzlerin allerdings, wenn sie selbst feststellt, dass Deutschland technologisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. "Das müssen wir uns eingestehen", sagt Merkel fast kleinlaut mit dem Blick auf China. Um kurz darauf auszuführen, dass Klimaschutz und Digitalisierung die entscheidenden Fragen seien, um Deutschlands künftigen Wohlstand zu sichern. Dabei hatte Merkel beide Themen gleich zu Beginn ihrer Kanzlerschaft - vor 14 Jahren - aufgegriffen. Doch da ist Einiges liegengeblieben. "Im Augenblick ist es nicht der Mangel an Geld", in Deutschland fehle es vor allem an Planungskapazität, erläutert die Kanzlerin.

Steuergeld liegt also reichlich auf den deutschen Amtsfluren. Dass trotzdem nicht viel passiert, hat andere Ursachen. Genauso wie auch viele von Merkels gewichtig vorgetragenen außenpolitischen Ambitionen in den verbleibenden Monaten der amtierenden Regierungskoalition noch auf der Strecke bleiben dürften.