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An Juncker bleibt nichts kleben

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
17. September 2015

Hat Luxemburgs langjähriger Ministerpräsident Juncker internationale Konzerne bei der Steuerminimierung unterstützt? Nach der Anhörung im Europaparlament kann der Kommissionspräsident beruhigt sein, meint Barbara Wesel.

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Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker
Bild: picture-alliance/dpa

Sie würden den EU-Kommissionspräsidenten nach allen Regeln der Kunst grillen, hatten ein paar Abgeordnete des Europäischen Parlaments vor der Anhörung geschworen. Aber sie schafften es nicht einmal, dass es dem Politprofi auch nur warm unter den Füßen wurde. Hat diesen Amateurdarstellern noch keiner gesagt, dass Fragen kurz, auf den Punkt und hammerhart sein müssen? Wer zunächst drei Minuten zur Selbstdarstellung verschwendet, hat schon verloren. Und wer darüber hinaus als Vorsitzender erst mal zehn Fragen sammeln lässt, auf die Juncker dann am Ende jeweils mit ein paar knappen Sätzen eingehen kann, ist selbst schuld, wenn der Befragte eher gelangweilt auftritt.

Schlaue Füchse und andere Tiere

Bei Jean-Claude Juncker drängen sich vermischte Metaphern aus Brehms Tierleben geradezu auf: So matte Versuche ihn in die Ecke zu drängen, wie er sie im Parlament erlebte, lässt der alte Fuchs doch an sich abperlen wie die Ente das Wasser. Geschmeidig wie ein Aal entwand er sich den Netzen der Fänger. Wer wissen will, wie man in einem Untersuchungsausschuss Politiker entblößt, muss in den US-Senat oder ins britische Unterhaus schauen. Natürlich kämpft der Ausschuss des EP mit ungleichen Waffen: Er hat nur begrenzt Akteneinsicht bekommen, sein Auftrag war eingeschränkt und Sanktionsmöglichkeiten hat er auch nicht. Politisch war die Veranstaltung also zahnlos, man hätte sie nur noch durch eine brillante Aufführung zumindest für die Öffentlichkeit retten können.

"Der Auftritt von Juncker war eine Farce", klagte einer der Parlamentarier hinterher. Stimmt genau, aber man hat ihm das Leben schlicht zu einfach gemacht. Auch lohnt es sich, Juncker genau zuzuhören: Er habe in Luxemburg kein System der Steuerhinterziehung oder -vermeidung zu Lasten anderer Staaten erfunden, erklärte Juncker schlitzohrig. Aber er hat es gekannt und geduldet, oder nicht? Irgendwoher kommt der Reichtum des kleinen Großherzogtums doch. Irgendeinen Grund mussten die multinationalen Konzerne doch haben, dort ihre Niederlassungen zu etablieren.

Barbara Wesel Studio Brüssel
Barbara Wesel, DW-Korrespondentin in BrüsselBild: DW/G. Matthes

Aber egal, das ist alles Schnee von gestern. Alle weiteren Versuche, dem heutigen Kommissionpräsidenten einen Kaugummi an die Schuhe zu kleben, sind überflüssig. Es ist moralisch unanständig, was er da als Ministerpräsident mindestens mitgetragen hat. Aber es reicht nicht, ihn aus dem Sessel zu kippen. Möglicherweise legal, aber illegitim, fasste ein Abgeordneter den Fall zusammen. Genauso ist es. Abgesehen davon hat die EU derzeit absolut andere Sorgen, als Personalquerelen an ihrer Spitze auszutragen.

Wir brauchen EU-weite Steuerregeln für Großkonzerne

Die Luxleaks-Affäre kann nur noch einen Zweck haben: Sie muss als Auslöser für eine umfassende Reform der Unternehmenssteuer in Europa dienen. Solange jeder da sein eigenes Süppchen kochen kann, wie zum Beispiel Irland oder die Niederlande, um die Schlupflöcher auszudehnen und auszunutzen, wird sich nichts ändern. Die Möglichkeiten der Gewinn- und Verlustverschiebung von einem EU-Land ins andere müssen enden, Mindestbemessungsgrundlagen eingeführt werden und einiges mehr. Jeder Zeitungsleser läuft rot an vor Wut über Geschichten wie die vom US-Onlinehändler, der Milliarden verdient, aber dennoch am Fiskus vorbeikommt. Da liegen die Aufgaben der nächsten Jahre! Der Versuch der Vergangenheitsbewältigung im Fall des Jean-Claude Juncker aber war nichts als ein Schlag ins Wasser.

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