Kolumbien: 40 Jahre Gewalt
28. Januar 2007Über zwei Millionen Menschen sind durch den Krieg in Kolumbien aus ihren Dörfern vertrieben worden. Mehr als 200.000 starben. Würde man für jeden dieser Menschen, für jede Entführung oder jede Menschenrechtsverletzung ein Seil um das Land binden, würde sich ein dichtes, ineinander verwundenes und kaum zu durchdringendes Knäuel der Gewalt um Kolumbien spannen.
Die Ziele der am Konflikt beteiligten Parteien sind verschwommen. Die Gewalt gilt als Durchsetzungsmittel aller möglichen Interessen. Die Protagonisten des Kampfes sind sowohl die linksgerichteten Guerilla und die rechten Paramilitärs als auch das staatliche Militär. Die Ziele dieser Konfliktparteien sind längst nicht mehr durchschaubar. Alle legitimieren ihren Kampf mit dem Ziel, Frieden zu schaffen. Doch wenn stets der Andere als Terrorist, gar als Ursache für den Konflikt betrachtet wird, kann es keinen Frieden geben. Dabei liegen die Gründe für den gewaltsamen Konflikt bei viel weiter reichenden Faktoren.
Armut und Reichtum spalten das Land
"Als eine der wesentlichen Ursachen des Konfliktes gilt die soziale Ungleichheit in Kolumbien", so Peter Schumacher, medienwissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Trier und ehemaliger freier Journalist in Kolumbien. Viele Bauern besitzen kein oder nur wenig Land und sind dadurch abhängig von Großgrundbesitzern. "Diese ungleiche Verteilung von arm und reich war der Auslöser für die Gründung der linken Guerillagruppen. Entrechtete Kleinbauern bilden heute die Basis der größten Guerillagruppierung im Land, der FARC."
Ein weiteres Problem sind die Interessen internationaler Konzerne, die sich die wertvollen Rohstoffe Kolumbiens zu Nutze machen wollen. Ob Erdöl oder Smaragde - Kolumbien ist reich an Bodenschätzen. Um Land für die Projekte der multinationalen Unternehmen zu erschließen, vertreiben paramilitärische Einheiten die Bauern teilweise gewaltsam von deren Land. Die zweitgrößte Guerillaorganisation (ELN) geht besonders intensiv gegen diese Konzerne und Paramilitärs vor. Sie entführen Mitarbeiter der Firmen und finanzieren sich durch Schutzgeldforderungen.
Kokain als letzter Ausweg
Als Folge der Vernichtung ihrer Existenzbasis verdient ein Großteil der Landbevölkerung ihre Lebensgrundlage mit dem Anbau von Koka. Dies führt zu der nächsten und wohl größten Ursache des heutigen Konfliktes. Neben dem Waffen- und Ölgeschäft ist der Drogenhandel der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Staat, Paramilitärs, Guerilla-Gruppen aber auch Großbanken und der Handel profitieren vom kolumbianischen Geschäft mit Drogen. Die fehlende juristische Sicherheit und der hohe Gewinn durch den Verkauf von Kokain führen dazu, dass der Handel durch Gewalt reguliert wird. Das Drogenproblem ist aber nicht nur im Inland ein Problem. Der Großteil des kolumbianischen Kokains wird in den USA, Europa und Asien konsumiert, was den Konfliktherd global ausweitet.
Unterstützung der USA wird kritisch beäugt
Die USA reagierten auf das Problem mit Maßnahmen wie dem Plan Colombia Gemeinsam mit der kolumbianischen Regierung wurde entschieden, die Koka-Felder mit Pflanzenvernichtungswaffen zu besprühen und so dem Drogenhandel die Grundlage zu zerstören. Der Plan wird jedoch stark kritisiert. Obwohl seit 2002 schon mehrere Millionen US-Dollar investiert wurden, ist die Ernte der Koka-Pflanze nur geringfügig zurückgegangen, dafür an anderen Stellen gestiegen.
Die USA setzen vor allem auf militärische Mittel, was bislang weitgehend erfolglos war. Denn wie schon zu Anfang des Krieges verursacht Gewalt “von oben“ lediglich Aufstandsbewegungen. Und wieder dreht sich der Kreis, in dem jeder der Parteien als Ursache und Gegner gesehen wird. Doch bisher gibt es keine alternativen Lösungsansätze des Konfliktes. Laut Schumacher sei Frieden in Kolumbien für alle Parteien mit Machtverlust verbunden. “Politische Interessen stehen heute weit hinter den wirtschaftlichen Aspekten. Ein Interesse an wahrem Frieden ist bisher nur ein Lippenbekenntnis der beteiligten Akteure.“ Bis sich das Knäuel der Gewalt löst, ist es also noch ein weiter Weg.
Claudia Becker, Studiengang Online-Journalismus, Hochschule Darmstadt