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KlimaGlobal

Versicherungen: Wer zahlt für Schäden durch Feuer und Flut?

Dave Braneck
27. Januar 2025

Die Waldbrände in Kalifornien machen deutlich: In Risikogebieten wird es immer schwieriger, sein Hab und Gut gegen Wetterkatastrophen zu versichern. Wie lässt sich das ändern?

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Luftbild von niedergebrannten Häusern im Viertel Pacific Palisades in Los Angeles, Kalifornien
Zerstörerische Waldbrände werden im Zuge der Klimakrise häufiger, nicht nur in den USABild: David Ryder/REUTERS

Die tödlichen Feuer von Los Angeles haben ganze Ortschaften verwüstet, tausende Menschen zur Evakuierung gezwungen und mindestens 16.000 Gebäude, zumeist Wohnhäuser, zerstört.

Es handelt sich vermutlich um einen der wirtschaftlich verheerendsten Waldbrände in der Geschichte der USA. Eine vorläufige Schätzung des Wetterdienstes Accuweather geht von Schäden und wirtschaftlichen Verlusten von bis zu 250 Milliarden Dollar (240 Milliarden Euro) aus. In die Schadensbilanz flossen Kosten für die Aufräumarbeiten, gesundheitliche und medizinische Auswirkungen und Wertverluste von Immobilien mit ein.

Der Brand und seine Folgen machen deutlich: Die durch den menschengemachten Klimawandel bedingten Katastrophen haben nicht nur direkte wirtschaftliche Schäden. Sie führen auch dazu, dass Versicherungen für Gebäude oder auch den Hausrat für Menschen in gefährdeten Regionen unerschwinglich oder gar unerreichbar werden.

"Im System der Hausratversicherung in den USA steckt ein fataler Fehler", sagt Moira Birss, Forscherin für Sozialpolitik am Climate and Community Institute, einer auf Klima und Wirtschaft spezialisierten Denkfabrik in den USA. "Die Kosten für Schäden, die private Versicherungsgesellschaften nicht absichern können oder wollen, werden von den Haushalten selbst getragen und führen oft zum finanziellen Ruin des Einzelnen."

Versicherungskosten gegen Klimarisiken steigen weltweit

In den USA haben sich die durchschnittlichen jährlichen Versicherungsprämien für Hausbesitzer zwischen 2001 und 2021 von 536 auf 1411 US-Dollar fast verdreifacht. Das liegt daran, dass sich das Risiko für Naturkatastrophen im Zusammenhang mit der globalen Erderwärmung erhöht hat. Am stärksten und schnellsten sind die Prämien in sogenannten Hochrisikogebieten gestiegen.

In vielen Fällen sind Extremereignisse wie Feuer und Überschwemmungen nicht mitversichert. Für sie werden oft separate Versicherungen nötig. Auch Mieterinnen und Mieter bekommen das zu spüren, da die Vermietenden die Kosten in aller Regel auf die Mietenden abwälzen.

"In einigen Fällen kann es sich dabei um mehrere tausend Dollar pro Jahr zusätzlich handeln. Ich sehe das als echtes Problem für die Arbeiter- und Mittelschicht, das wirklich weit verbreitet ist", sagt Zac Taylor, Experte für Klimafinanzierung an der Delft Technology University in den Niederlanden.

Die Versicherungskosten steigen nicht nur in den USA. In Deutschland, wo immer häufiger Überschwemmungen auftreten, werden sich die Prämien für Hausversicherungen in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich verdoppeln. In Australien, das häufig von Waldbränden und Überschwemmungen heimgesucht wird, leiden 15 Prozent der Haushalte unter "Erschwinglichkeitsstress bei der Hausratversicherung". Das bedeutet, dass sie mehr als vier Wochen ihres Jahreseinkommens für die Versicherungsprämien aufwenden müssen.

Ein Anwohner in Hagen, Deutschland, watet durch Wasser, vor ihm sind zwei Autos übereinander geschoben, dem Haus neben ihnen fehlt eine Hauswand
Versicherung gegen Schäden durch Überschwemmungen oder starke Regenfälle werden überall deutlich teurer werden, auch in DeutschlandBild: Roberto Pfeil/dpa/picture alliance

Die steigenden Kosten zwingen viele Menschen in gefährdeten Regionen dazu, entweder nur eine Minimalversicherung abzuschließen oder sogar ganz darauf zu verzichten. Eine andere Möglichkeit wäre ein Umzug. Doch angesichts der globalen Wohnungskrise bleiben die meisten einfach an Ort und Stelle – ohne Versicherungsschutz, obwohl Naturkatastrophen immer wahrscheinlicher werden.

In anderen Fällen entschieden sich Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, auf Instandhaltung und Nachrüstung zu verzichten, um Versicherung und andere steigende Wohnkosten stemmen zu können, berichtet Forscherin Birss.

"Wenn eine große Katastrophe eintritt, sind diese Häuser nicht nur anfälliger für Schäden, sondern die Bewohner haben auch weniger finanzielle Mittel für die Sanierung", so Birss im Gespräch mit der DW.

"Die Klimakrise ist eine Versicherungskrise"

Obwohl es zwar noch Menschen gibt, die sich eine Hausversicherung leisten können, verlassen die großen Versicherungsgesellschaften in Scharen die Hochrisikoregionen in Kalifornien und Florida. Und das ist ein Problem, denn ohne Hausversicherung ist es in den USA unmöglich, eine Hypothek zu bekommen, und ohne eine Hypothek können die meisten Menschen kein Haus kaufen. In die Lücke, die von den großen Versicherern hinterlassen wird, springen zwar kleinere Unternehmen, die das Risiko übernehmen – allerdings nur gegen deutlich höhere Gebühren.

"Die Klimakrise ist eine Versicherungskrise. Wir sind an einem Wendepunkt angelangt. Viele Menschen in den USA können sich im privaten Sektor nicht mehr versichern", sagt Paula Jarzabkowski, Expertin für Versicherungen an der University of Queensland in Australien.

Steigende Preise und der Rückzug von Versicherern aus Risikoregionen, in denen häufiger auftretende Katastrophen ihre Gewinne bedrohen, haben zu einer weltweiten "Versicherungsschutzlücke" geführt. Diese beschreibt die Differenz zwischen versicherten und nicht versicherten Schäden. Im Jahr 2024 verursachten weltweite Naturkatastrophen wie der Hurrikan Helene im Südosten der USA und schwere Überschwemmungen in China, Schäden in Höhe von 320 Milliarden Dollar. Nur 140 Milliarden Dollar davon waren versichert.

In den USA haben die kalifornischen Behörden die Versicherer aufgefordert, vorerst in den Risikoregionen zu bleiben, und kürzlich ein einjähriges Moratorium für Versicherungsgesellschaften angekündigt. Sie dürfen keine Verträge in den von den Bränden in Los Angeles betroffenen Gebieten kündigen und wenn eine Verlängerung ansteht, müssen die Verträge erneuert werden. Laut Jarzabkowski können solche Maßnahmen aber keine dauerhafte Lösung sein.

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"Versicherung nicht allein dem privaten Markt überlassen"

Um Versicherungen erschwinglich und zugänglich zu machen, wäre laut Jarzabkowski ein neuer Ansatz für die gesamte Branche erforderlich. Man dürfe sie nicht allein dem privaten Markt überlassen. "Wir müssen anfangen, über den Einzelnen hinauszudenken und die Versicherung als gesellschaftliches Gut zu betrachten", fordert die Versicherungsexpertin.

Dafür könnten Versicherungen entwickelt werden, die alle Arten von Katastrophen abdeckten und für alle verfügbar, wenn nicht sogar verpflichtend seien – so wie es viele Länder mit der Krankenversicherung vormachten, so Jarzabkowski. Diesen Weg hätten etwa Spanien, Frankreich und die Schweiz eingeschlagen, oft mit staatlicher Unterstützung, um das Risiko zu verteilen und die Kosten niedrig zu halten.

Eine Reform der Versicherungen kann dazu beitragen, die Kosten zu senken und diejenigen zu unterstützen, die von einer Klimakatastrophe betroffen sind. Eine bessere Risikominderung, wie etwa eine klimasichere Häuser mit feuerfesten Dächern oder – in hurrikan- und taifungefährdeten Regionen – mit robusten Verkleidungen, hätte den Vorteil, dass nach einer Katastrophe weniger wiederaufgebaut werden muss. Und nicht nur einzelne Gebäude könnten so nachgerüstet werden, sondern auch die gesamte öffentliche Infrastruktur.

Klimasichere Umrüstung könnte Schäden von Naturkatastrophen mindern 

"In den Niederlanden ist es Tradition, eine physisch starke Infrastruktur zu bauen, um dem Hochwasserrisiko zu begegnen: Deiche, Wassertore, Entwässerungskanäle zur Risikominderung", berichtet der niederländische Experte für Klimafinanzierung Zac Taylor. Diese Infrastruktur-Investitionen können dabei helfen, Risiken vorab zu reduzieren und dabei nicht nur auf Versicherungen zu setzen. "Das bedeutet, dass die meisten Menschen, die in den Teilen des Landes leben, die unter dem Meeresspiegel liegen, gar keine Hochwasserversicherung haben. Sie brauchen sie einfach nicht."

Ein Flachboot auf einem Kanal in den Niederlanden sprüht mit einer Pumpe Wasser auf den daneben liegenden Deich
Bei Dürre werden die Deuche in den Niederlanden mit Wasser besprüht, damit sie nicht brechen - so sollen Überschwemmungen verhindert werdenBild: Koen Van Weel/dpa/picture alliance

Eine weitere langfristige Lösung könnte darin bestehen, Menschen aus Risikogebieten zu ermutigen, in andere Gebiete umzuziehen, etwa  durch steuerliche Anreize oder einem staatlich finanzierten Aufkauf von Häusern in katastrophengefährdeten Gebieten.

Ein solch breiter Risikoansatz, der Wohnraum und Versicherungen erschwinglich und zugänglich hält, wird zwar laut Expertinnen und Experten eine umfassende staatliche Koordinierung und erhebliche Investitionen erfordern. Doch angesichts immenser Kosten für den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen wie Bränden und Überflutungen, könnte sich das dennoch auszahlen.

"Je mehr Widerstandskraft wir aufbauen, desto weniger müssen wir uns auf das Sicherheitsnetz von Versicherungen verlassen", meint Sozialpolitik-Forscherin Birss.

Redaktion: Jennifer Collins. Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

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