Klimawandel in den Alpen: Was wird aus dem Skitourismus?
27. Dezember 2023Anton Bodner ist erleichtert. Gerade rechtzeitig zu Beginn der Skisaison hat es kräftig geschneit in Kitzbühel. "Dadurch ist schon einmal viel Druck raus", sagt der Vorstandsvorsitzende der Bergbahn AG Kitzbühel, die rund um die österreichische Kleinstadt 57 Liftanlagen betreibt und Winter für Winter rund 1,5 Millionen Touristen befördert - wenn denn Schnee liegt. "Wir haben in diesem Jahr einen Saisonstart von der Natur geschenkt bekommen, wie wir ihn schon lange nicht mehr hatten."
Die Folgen des Klimawandels sind in den Alpen allerdings nicht zu übersehen. Die steigenden Temperaturen sorgen für schmelzende Gletscher und weniger Schnee. Das macht das Geschäft mit dem Skitourismus immer weniger planbar. Das hat man auch schon in Kitzbühel gemerkt. So rasten die Skisportler im vergangenen Winter beim berühmten Hahnenkamm-Rennen auf Kunstschnee inmitten grünbrauner Wiesen die legendäre "Streif" hinunter.
Die Schneefallgrenze verschiebt sich
"Wir nehmen die Entwicklung des Klimas natürlich wahr", sagt Bodner. "Es wäre ja verrückt, das nicht zu tun." Er geht davon aus, dass sich die Schneefallgrenze bis 2050 um etwa 200 Meter nach oben verschieben wird. Zumindest bei den Talabfahrten müsse man sich daher überlegen, wie lange diese noch möglich sein werden. Bodner sagt aber auch: "Dank technischer Beschneiung wird es in Kitzbühel auch noch in Jahrzehnten Skisport geben." In unmittelbarer Gefahr sieht er das Geschäftsmodell des Skiortes nicht.
Mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Branche befasst sich seit Jahren Robert Steiger vom Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck. Er geht derzeit vom pessimistischsten Klimaszenario aus. Demnach werden im Jahr 2050 noch 80 Prozent der Skigebiete in den österreichischen Alpen schneesicher sein - allerdings bei einem Anstieg des Wasserbedarfs um bis zu 100 Prozent für die künstliche Beschneiung. "Es gibt Skigebiete, die noch Ende des Jahrhunderts funktionieren werden", sagt er. "In anderen dagegen wird es schon in 20 Jahren schwierig."
Die Folgen des Klimawandels variieren
Zunächst müssten sich die Betreiber über ihr Klimarisiko im Klaren sein. Wie der Klimawandel sich konkret auswirkt, variiere nämlich von Fall zu Fall. Pauschale Aussagen seien nicht möglich. In den vergangenen Jahren habe er eine Zunahme solcher Risikoanalysen wahrgenommen. "Man muss aber sagen, dass es den meisten Destinationen dabei in erster Linie darum geht, wie sie das Schneegeschäft absichern können", sagt Steiger. "Die Suche nach Alternativen nehme ich weniger wahr."
Das sieht auch Werner Bätzing so, emeritierter Professor für Kulturgeographie an der Universität Erlangen-Nürnberg. "Die große Menge der Anbieter setzt ganz massiv auf den Wintergast, der einen technisch unterstützten Skiurlaub macht, und nicht auf andere Aktivitäten", sagt er. Skiurlauber brächten nun einmal deutlich mehr Geld als andere. "Der Trend geht derzeit leider noch in Richtung Aufrüstung." Der Markt schrumpfe, die Konkurrenz der Anbieter untereinander nehme zu. "Das führt zu einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb."
Spazieren gehen mit Alpakas
Das Umdenken in der Branche voranzutreiben, ist das Ziel des EU-finanzierten Projekts Beyond Snow. "Für viele Seilbahngesellschaften ist der Klimawandel immer noch ein Tabuthema", sagt Giovanni Vassena vom Projektpartner Alpine Pearls, in dem sich verschiedene Alpendestinationen zusammengetan haben, die auf sanften Tourismus setzen. So etwa die Gemeinde Werfenweng im Salzburger Land, wo man nun im Winter nicht mehr nur Skifahren, sondern auch mit Alpakas spazieren, rodeln oder eine Pferdekutschenfahrt unternehmen kann. Dass viele Alpen-Destinationen weiterhin auf den klassischen Skitourismus setzen, liege daran, dass die Winter-Umsätze vielerorts weiterhin gut seien und sich der zunehmende Schneemangel dank künstlicher Beschneiung noch kaschieren lasse.
Das ist auch im bayerischen Ruhpolding so. Dort findet in der zweiten Januarhälfte stets der Biathlon-Weltcup statt. "Dafür müssen wir gerüstet sein", sagt Gregor Matjan, Vorstand des lokalen Tourismus-Kommunalunternehmens. Daher setze man auch weiterhin auf Kunstschnee und plane, diesen künftig auch bei der Präparierung der von Touristen genutzten Langlaufloipen einzusetzen. "Ich gehe davon aus, dass das auch mindestens das nächste Jahrzehnt noch so laufen wird", sagt Matjan. Dennoch mache man sich Gedanken über Alternativen, die ohne Schnee auskommen. Die favorisierte Lösung: Loipen aus Kunststoffmatten. So könne man Biathlon und Langlauf künftig das ganze Jahr über anbieten, so die Hoffnung.
Auch in Kitzbühel will man nicht die Augen vor der Realität verschließen. "Wir denken ganz intensiv darüber nach, wie sich unser Tourismusmodell verändern muss", sagt Bergbahn-Vorstand Anton Bodner. Vor allem gehe es darum, Angebote außerhalb der Wintersaison zu schaffen. Er denkt dabei unter anderem an Bergtouren mit Elektrofahrrädern. Derzeit aber hofft er vor allem auf eines: kalte Tage und möglichst weiteren Neuschnee. Nicht auszudenken, wenn bis zum Hahnenkamm-Rennen Mitte Januar all der schöne Schnee wieder geschmolzen sein sollte. Dann müsste er doch noch die Beschneiungsanlage anschmeißen.