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Klimakrise gefährdet Kinder - auch in Deutschland

21. Dezember 2023

Kinder leiden am stärksten unter den Folgen der Klimakrise, warnt der Sozialverband Caritas. Mit Fachleuten sucht er Lösungen - und fragt Kinder nach ihrer Sicht.

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Kinder und Jugendliche sitzen am grasbewachsenen Ufer eines Sees, am gegenüberliegenden Ufer sieht man Berge
Wie verändert die Klimakrise ihre Zukunft? Kinder aus dem Berghäusle in Bayern bei einem AusflugBild: Kinder- und Jugendhaus Berghäusle

"Meiner Meinung nach machen viel zu wenige Leute was für den Klimaschutz. Ich finde, es wird viel zu viel geredet und zu wenig getan" - Laura (16), Veronika (13), Luca (11) und Jimmi (11) sind aus dem Berghäusle, einer Jugendhilfeeinrichtung in Bayern, in die Großstadt Frankfurt am Main gekommen.

Sie sprechen beim Fachtag "Klimakrise als Gefährdung der Kinderrechte" des katholischen Sozialverbands Caritas im November vor mehr als 120 Erwachsenen, die in der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten. Die informieren sich und diskutieren über die Auswirkungen der Klimakrise auf Kinder, über Gesundheit, Klimaangst und ökologische Kinderrechte. 2023, das zeichnet sich ab, wird das heißeste Jahr, das bisher gemessen wurde.

Klimakrise trifft Ärmere und Kinder stärker

Der Deutsche Caritasverband beschäftigt sich intensiv mit Klimaschutz. Warum eigentlich? Klimapolitik sei eine zutiefst soziale Frage, sagt Astrid Schaffert, Referentin für soziale Klimapolitik: "Die Einkommensärmeren sind nicht die, die die Klimakrise verursachen. Sie sind aber - global betrachtet und auch in Deutschland - diejenigen, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind." Sie wohnten häufiger an stark befahrenen Straßen mit vielen Abgasen und wenig Grünflächen oder in Wohnungen, die sich im Sommer stark aufheizen.

Blick von oben auf eine Frau, die in die Kamera lächelt. Sie trägt einen Stapel Zeitschriften und steht vor einem Tisch mit weiteren Heften, Flyern und Plakaten zum Thema Klima
Astrid Schaffert engagiert sich beim Deutschen Caritasverband für soziale Klimapolitik - bis 2030 will die Caritas mit ihren Einrichtungen klimaneutral seinBild: Liane Muth/Deutscher Caritasverband e.V.

Zudem sei die deutsche Klimapolitik bisher sozial ungerecht: Verbrauchsabgaben wie die CO2-Steuer belasten Einkommensärmere stärker als Wohlhabendere, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für Energie- und Heizkosten ausgeben müssen.

Kinder leiden schon jetzt stark unter der Klimakrise, sagt Schaffert. Ihr Organismus kann Hitze nicht gut verarbeiten. Sie warnt: "Wenn die heute Zehnjährigen 30, 40, 50 Jahre alt sind, werden die globalen Temperaturen nochmal deutlich angestiegen sein" - mit noch mehr Extremwetter, Hitze, Dürre oder Überflutungen. Kinderrechte bedeuten, "dass sie das Recht haben, in einer intakten Umwelt aufzuwachsen".

Die Verantwortung haben die Erwachsenen

"Ich mach mir Sorgen, dass wir bald nicht mehr Fußball spielen können", sagt Luca aus Bayern. Sein Training wurde schon wegen Hitze abgesagt. "Und ich find's blöd, dass die Pflanzen austrocknen und dass es im Sommer so heiß ist, dass man richtig schnell Sonnenbrand kriegt." Auch Laura macht sich Gedanken: "Die Kinder, die nach uns kommen, denen wird's ja noch schlechter gehen als uns."

Selina Bitzer leitet das Berghäusle. Sie sieht es als ihre Aufgabe, die Kinder in ihren Sorgen zu begleiten, die Verantwortung aber bei den Erwachsenen zu lassen. "Gleichzeitig finde ich es wichtig, dass man Kinder und Jugendliche auf den Klimawandel vorbereitet - wie sie damit in Zukunft leben können und was man tun kann, um noch ein bisschen abzuwenden." Sie sollen sich nicht ohnmächtig fühlen, sondern Selbstwirksamkeit erfahren.

Zwei Frauen, die freundlich lächeln, stehen mit vier Kindern und Jugendlichen vor einer Tür, die Kinder haben sich Kappen über ihr Gesicht gezogen
Selina Bitzer (r) leitet das Kinder- und Jugendhaus Berghäusle in Bayern. Mit Laura, Veronika, Luca und Jimmi und ihrer Kollegin Vera Schiebel (l) hat sie in Frankfurt über Klimakrise und Kinderrechte gesprochenBild: Kinder- und Jugendhaus Berghäusle

Die Kinder im Berghäusle sparen Strom, Wasser beim Duschen und Wäschewaschen, essen wenig Fleisch, vermeiden Plastik und kaufen gebrauchte Kleidung. Luca zeigt auf seine Schuhe: "Sehen doch cool aus!" Die Zuschauer in Frankfurt klatschen. Sie klatschen auch, als er kritisiert, dass es in Berlin mehr Platz für Autos als für Kinder gebe. Die Kinder fordern: "Erwachsene sollten auch mehr laufen!" Und: "Ich wünsche mir, dass ihr alle mehr radelt!"

Klimakrise schadet der Gesundheit

Diejenigen also, die die Klimakrise am wenigsten verursachen, leiden am stärksten darunter: die Mehrheit aller Menschen im sogenannten Globalen Süden, die weit weniger Treibhausgase verursachen als reiche Industriestaaten. Und innerhalb der Länder der ärmere Teil der Bevölkerung - und Kinder.

Eine Postkarte zeigt ein kleines Kind mit Dreckspritzern im Gesicht und auf dem Hemdchen, das ernst in die Kamera schaut. Daneben steht: Klimaschutz bedeutet, sich gut um nachwachsende Rohstoffe zu kümmern. Fehlender Klimaschutz gefährdet die Zukunft und das Wohlergehen von uns allen.
Kinder müssen noch lange mit den Folgen der Klimapolitik leben - der katholische Sozialverband Caritas engagiert sich für sozial gerechten KlimaschutzBild: privat

Kinder - und ganz besonders Babys und Kleinkinder - sind stark gefährdet durch Hitze, UV-Strahlung, Feinstaub, bodennahes Ozon, Mikroplastik und Schadstoffe aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen, stellt die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrie bei KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit) fest. Mit der Erwärmung nehmen Hautkrebs, Asthma oder Allergien zu, hitzebedingte Krankheiten breiten sich aus. Dazu kommen psychische Belastungen und Zukunftsängste.

Ökologische Kinderrechte - theoretisch ist alles geregelt

Dabei gibt es Gesetze und internationale Abkommen, um Kinder zu schützen. Barbara Schramkowski, Professorin für Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) nennt als Beispiel den neuen "Allgemeinen Kommentar Nr. 26" zur UN-Kinderrechtskonvention. Er verlangt die verbindliche Beachtung ökologischer Kinderrechte, den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien und die Perspektive von Kindern bei jeder Umweltentscheidung.

Im deutschen Grundgesetz heißt es in Artikel 20a: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen." Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 im Urteil zum Klimaschutzgesetz verlangt, die Reduktion der Treibhausgasemissionen auch nach 2030 klar zu regeln, sonst verletze die Regierung die Freiheitsrechte künftiger Generationen.

Ökologische Gewalt im roten Bereich

Für das Wohl von Kindern sind zunächst die Eltern zuständig. Wo es familiäre Probleme gibt, ist es Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, für gute Lebensbedingungen sorgen. Schramkowski sagt: "Das können wir nur noch tun, wenn wir uns auch um Klimaschutz und Biodiversität kümmern."

Eine Frau im dunklen Pulli mit zurückgebundenen Haaren lächelt freundlich in die Kamera
Barbara Schramkowski lehrt Soziale Arbeit an der DHBW in Villingen-Schwenningen und beschäftigt sich mit Klimagerechtigkeit und KinderrechtenBild: Liane Muth/Deutscher Caritasverband e.V.

Die Wissenschaftlerin erläutert: "Wir arbeiten in der Kinder- und Jugendhilfe oft mit dem Bild des Thermometers. Wenn Kinder und Jugendliche existenziell gefährdet sind, zum Beispiel durch häusliche Gewalt, sagt man, man sei im roten Bereich. Wir sind in den ökologischen Krisen auch im roten Bereich." Gegen ökologische Gewalt, die Zerstörung der Lebensgrundlagen, helfe keine Inobhutnahme durch das Jugendamt. Die Kinder- und Jugendhilfe müsse sich für Kinderrechte einsetzen, auch politisch.

"Klimakrise ist eine Kinderrechtskrise"

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF warnt: 99 Prozent aller Kinder weltweit seien in mindestens einer Form klima- und umweltbedingten Gefahren und Belastungen ausgesetzt: Hitzewellen, Überflutungen oder Luftverschmutzung.

Wissenschaftler sagen, dass Extremwetterereignisse häufiger und heftiger werden. Neben alten Menschen und Menschen mit Behinderung sind Kinder am stärksten gefährdet. In Libyen starben 2023 mehrere tausend Menschen durch die Flutkatastrophe, darunter viele Kinder. Es folgten Seuchen, Flucht und Mangelversorgung, das Trauma bleibt. 2021 starben in Deutschland bei der Flutkatastrophe an der Ahr mehrere Kinder, das jüngste war vier Jahre alt.

Ein Junge, den man von hinten sieht, sitzt auf einem rostigen Rohr und schaut in eine verwüstete Landschaft
Libyen September 2023: Flutkatastrophen zerstören an vielen Orten das Leben von KindernBild: Ozan Kose/AFP/Getty Images

"Die Klimakrise ist eine Kinderrechtskrise", betont Paloma Escudero, UNICEF-Sonderberaterin für Kinderrechte und Klimapolitik. "Jede Regierung hat die Pflicht, die Rechte jedes Kindes in jedem Winkel der Erde zu schützen."

Kinder fordern Gerechtigkeit

Tut Deutschland genug für Klima- und damit auch Kinderschutz? Nein, sagt der Expertenrat für Klimafragen, der die Bundesregierung berät: Die Pläne reichten nicht aus, um die Emissionen schnell genug zu senken.

Keine guten Nachrichten, aber kein Grund, sie von Kindern fernzuhalten, sagt Diplompsychologe Georg Adelmann, man sollte altersgerecht mit ihnen darüber sprechen. Er engagiert sich in der Klimaschutzinitiative Psychologists for Future. Als Ursache für Klimaangst sieht er die mangelnde Reaktion der Politiker und der Gesellschaft. "Es ist nicht die Klimakrise, die ist bewältigbar, wenn wir jetzt aktiv handeln."

12 Personen sitzen rund um einen Tisch. Ein Mann mit einer Kappe gestikuliert und spricht, die anderen schauen zu
"Kindern helfen, wirksam zu werden" - Georg Adelmann (m) von den Psychologists for Future spricht über den Umgang mit KlimaangstBild: Liane Muth/Deutscher Caritasverband e.V.

Die Kinder und Jugendlichen aus dem Berghäusle in Bayern haben beim Caritas-Fachtag in Frankfurt mutig das Wort ergriffen. Bei Fridays-for-Future-Demonstrationen fordern sie: "Ausstieg aus der Kohle" und "Gerechtigkeit". "Das finde ich wichtig, dass unsere Kinder - gerade in der Jugendhilfe - das Recht haben, sich zu beschweren und Politik zu adressieren", sagt Berghäusle-Leiterin Selina Bitzer.

Schließlich geht es um ihre Zukunft. "Wenn wir alle schon lange nicht mehr sind", sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra zum Abschluss der Weltklimakonferenz COP28, "müssen unsere Kinder und deren Kinder damit leben, was wir zurückgelassen haben - dem Guten und dem Schlechten".