Klimaextreme: Wie schützen sich Krankenhäuser?
30. Dezember 2024Als schwere Regenfälle im Nordosten Nigerias Wohngebiete überfluteten, mussten 2024 mehrere zehntausend Menschen ihre Heimat verlassen. Ackerland und Betriebe wurden zerstört und Krankheiten wie Durchfall und Malaria verbreiteten sich.
Die Krankenhäuser in der Region waren mit einer humanitären Katastrophe konfrontiert, einige mussten nach einem Dammbruch sogar zeitweise schließen. Für Patienten erschwerte der Starkregen den Weg zur Gesundheitsversorgung. Laut Angaben der Behörden waren die Regenfälle eines der schlimmsten Wetterereignisse seit 30 Jahren.
Nigerianische Krankenhäuser sind nicht die einzigen, die mit dem Klimawandel und dadurch verursachten Wetterextremen zu kämpfen haben. Im August verwüsteten Waldbrände Städte und Dörfer in der Nähe von Athen in Griechenland, einige Krankenhäuser mussten evakuiert werden.
Im Mai konnten im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul Tausende von Mitarbeitern des Gesundheitswesens wegen Überschwemmungen nicht zur Arbeit kommen. Im ganzen Bundesstaat sagten Krankenhäuser geplante Operationen ab, um die Nothilfe nach den Überschwemmungen zu bewältigen. Zudem breiteten sich durch stehende Gewässer und mangelnde Hygiene Infektionskrankheiten aus.
Bis zum Jahr 2100 besteht ein "hohes Risiko" für mehr als 16.000 Krankenhäuser wegen extremer Wetterereignisse ganz oder teilweise geschlossen zu werden. Das zeigen Klimarisikoanalysen der Cross Dependency Initiative.
Viele Krankenhäuser müssen verlegt werden, aber einige können sich anpassen, so die Analyse. Wie gehen Krankenhäuser mit den wachsenden Herausforderungen um?
Telemedizin hilft in Nigeria bei der Krankenversorgung
Telemedizin gibt es schon seit Jahrzehnten. In Nigeria wird sie immer wichtiger, weil Krankhäuser immer mehr Notfälle bewältigen müssen, die durch hohe Temperaturen verursacht werden.
Dabei helfen Partnerschaften mit virtuellen medizinischen Diensten. Per Mobiltelefon können so auch Patienten erreicht werden, die keinen Zugang zu Krankenhäusern haben.
"Wir können am schnellsten reagieren, wenn eine Naturkatastrophe verschiedene Gebiete trifft, wie etwa bei Überschwemmungen", sagt Charles Umeh, Arzt im öffentliches Gesundheitswesen in Nigeria, gegenüber der DW. "Wir arbeiten in gefährdeten Gebieten, wo es für Menschen schwierig ist, dorthin zu kommen, wo sie eine medizinische Versorgung bekommen können."
Umeh erzählt, dass auch sein Haus überflutet wurde. Diese Erfahrung hat ihn inspiriert, Parkers Resilient Health zu eröffnen, einen Telemedizin-Dienst, auf den über die Website des Unternehmens oder per WhatsApp zugegriffen werden kann.
Der Arzt betreibt außerdem eine mobile Klinik, die gefährdeten Bevölkerungsgruppen medizinische Versorgung bis vor die Haustür bringt. Auch der Bau einer klimaresistenten Gesundheitseinrichtung aus Ziegeln und Mörtel ist geplant.
"Wir arbeiten mit Ingenieuren und Klimaspezialisten zusammen. Die beraten uns wie wir geeignete Entwässerungssysteme installieren und Fundamente verstärken können, damit sie dem Wasserdruck standhalten und so die Schäden bei Überschwemmungen verringern", sagt Umeh.
Solarenergie für indische Krankenhäuser
Krankenhäuser sind auch wichtig für medizinische Notfälle bei Überschwemmungen oder extremer Hitze. Für den Betrieb brauchen sie jedoch eine zuverlässige Stromversorgung.
In Indien sind viele Krankenhäuser, besonders auf dem Land, von tagelangen Stromausfällen betroffen. Das ist besonders bei Stürmen und Überschwemmungen ein Problem.
Das World Resources Institute (WRI) India arbeitet mit 26 ländlichen Krankenhäusern in drei Bundesstaaten zusammen, die Solaranlagen installiert haben, damit eigene Energie erzeugen und fast 100 Tonnen CO2 einsparen. Außerdem konnte das medizinische Personal so mehr als eine halbe Million Patienten behandeln, die sonst keinen zuverlässigen Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt hätten.
"Als im indischen Bundesstaat Assam ein Zyklon für fast fünf Tage die Stromversorgung und die Kommunikation lahmlegte, war das solarbetriebene Krankenhaus das einzige, das noch voll funktionsfähig war", sagt Lanvin Concessao vom indischen Energieinstitut WRI. "Das zeigt, wie wichtig erneuerbare Energien in Notfällen sein können."
Ländliche Krankenhäuser in Indien nutzen den Solarstrom auch zur Kühlung. In der historischen Stadt Raichur im Süden Indiens werden beispielsweise im staatlichen Entbindungszentrum die Deckenventilatoren mit Solarstrom betrieben.
Neue Richtlinien sollen in Indien zudem sicherzustellen, dass Gesundheitseinrichtungen bei Katastrophen funktionsfähig bleiben können. Dazu gehört auch die Empfehlung, bestehende Krankenhäuser nachzurüsten, damit sie Stürmen und Hitzewellen standhalten können.
Mini-Farmen auf dem Dach und grüne Operationssäle in den USA
Schwere Wetterextreme wie die Hurrikans Sandy im Jahr 2012 und Katrina im Jahr 2005 unterbrachen die Stromversorgung in Teilen der USA, mit Folgen für Krankenhäuser und deren Patienten.
Das zeigte auch, dass die US-amerikanischen Krankenhäuser nicht für Überschwemmungen und Stürme ausgelegt sind, so die Nichtregierungsorganisation Health Care Without Harm.
Einrichtungen wie das Boston Medical Center (BMC) im Nordosten der USA haben inzwischen Farmen auf dem Dach eingerichtet, um mit den Wetterextremen besser fertig zu werden. Die angebauten Radieschen und andere Gemüse werden in der Krankenhausküche und einer Lebensmittelausgabe für einkommensschwache Bewohner verwendet. Die Grünflächen helfen außerdem, die Gebäude kühl zu halten und die Wurzeln der Pflanzen verlangsamen den Abfluss von Regenwasser.
Einige US-Krankenhäuser gehen noch weiter und suchen nach Möglichkeiten, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Denn Einrichtungen wie Operationssäle benötigen viel Energie und produzieren viel Abfall. Die Cleveland Clinic im Bundesstaat Ohio etwa arbeitet daran, ihre Operationssäle umweltfreundlicher zu gestalten, indem sie Abfall, Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen reduzieren.
"Was wir in unseren Krankenhäusern tun, soll unseren Gemeinden helfen. Doch unsere Gebäude, die verwendeten Materialien und unsere Vorgehensweise können sich negativ auf die Gesundheit der Menschen auswirken", sagt ein am Projekt beteiligter Arzt. Die Klinik könne durch den Schutz der Umwelt gleichzeitig auch die Gesundheit der Menschen schützen.
Krankenhäuser müssten auch bei klimabedingten extremen Wetterereignissen arbeiten können - gleichzeitig müsse der Gesundheitssektor auch seine eigenen Emissionen in den Griff bekommen, so Lanvin Concessao vom WRI India.
Der Gesundheitssektor verursacht 4,4 bis 5,2 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen.
"Wenn Krankenhäuser klimaresistent gebaut werden, können sie nicht nur die Gesundheitsversorgung verbessern und sich positiv auf das Wohlbefinden von Patienten und Personal auswirken, sondern auch zu ehrgeizigen Zielen der Eindämmung des Klimawandels beitragen", betont Concessao.
Adaption aus dem Englischen von Gero Rueter. Redaktion: Tamsin Walker und Jennifer Collins