Klimaaktivisten forcieren Protest gegen Siemens
13. Januar 2020Im Fokus des heutiges Protestes sind dabei dieses mal nicht nur die Konzernzentrale in München, sondern unter anderem auch die Großstädte Dortmund, Freiburg, Berlin, Düsseldorf, Hannover Frankfurt, Hamburg und Köln. Siemens hatte bekanntgeben, trotz Protesten an einem umstrittenen Kohlebergbauprojekt in Australien festzuhalten. Die Münchener liefern dort die Technik für die Zugsignalanlage des indischen Bergwerkbetreibers Adani.
Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer warf Vorstandschef Joe Kaeser eine "historische Fehlentscheidung" vor. Er habe sich gegen das Pariser Klimaschutzabkommen, gegen die zukünftigen Generationen und "nicht zuletzt gegen die Klimaschutz-Reputation von Siemens" entschieden.
Neubauers Mitstreiter Nick Heubeck erklärte, das Bekenntnis zu dem Auftrag für die Kohlemine mache die Bestrebungen von Kaeser, den Siemens-Konzern zukunftsgerichtet wirken zu lassen, vollständig zunichte. "Siemens muss sich bewusst sein, und das soll auch ein Zeichen an die anderen Unternehmen in Deutschland sein, dass man eben nicht öffentlich zu Klimaschutz stehen kann und dann trotzdem Entscheidungen treffen kann, die nicht in dieses Jahrhundert passen." Fridays for Future werde "hierzu auch auf der Aktionärsversammlung von Siemens Anfang Februar sprechen".
"Rausverhandeln"
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, sie habe sich ein anderes Signal erhofft - auch, weil das Auftragsvolumen mit 18 Millionen für Siemens relativ gering sei. Der Konzern hätte sich "rausverhandeln" oder Vertragsstrafen in Kauf nehmen können, "weil der Rufschaden, der jetzt mit dieser Entscheidung einhergeht, wesentlich größer ausfallen dürfte". Der Fall mache deutlich, dass es im Aktienrecht und den Bilanzierungsregelungen für Unternehmen nicht mehr nur um Gewinnmaximierung gehen dürfe, sondern auch Nachhaltigkeitsziele verankert werden müssten.
Rechtliche Probleme
Unterstützung erhält Siemens von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Dort wird Kaesers Entscheidung als zwingend bezeichnet: "Nachdem der Auftrag unterschrieben wurde, muss sich der Konzern daran halten und vertragstreu bleiben", sagte Vizepräsidentin Daniela Bergdolt der "Rheinischen Post". Der Konzern hätte allerdings bei der Vetragsunterzeichnung "schon eine kritischere Haltung zu den Umweltfragen haben können".
Auch wenn Siemens lediglich Signaltechnik nach Australien liefere, müssten sich alle Betriebe über die Verwendung ihrer Produkte bewusst sein, erklärte sie weiter. Zudem diene der Münchner Konzern den Aktivisten als mahnendes Beispiel: "Die Klimaschutzbewegung hat sich mit Siemens bewusst einen prominenten Namen vorgeknöpft", sagte Bergdolt der Zeitung, "jetzt hat sie die Weltöffentlichkeit."
Kaeser schrieb auf Twitter, sein Unternehmen habe im Fall des australischen Projekts alle Optionen geprüft, müsse sich aber an seine vertraglichen Verpflichtungen halten. Es gebe "keinen gesetzlich und ökonomisch verantwortungsvollen Weg", ohne Pflichtverletzung vom Vertrag zurückzutreten.
Kaeser sieht Probleme
Kaeser ist sich über die unglückliche Verquickung durchaus bewusst. "Wäre es mein eigenes Unternehmen, hätte ich womöglich anders gehandelt", erklärte der Siemens-Chef. Er müsse aber auch an Kunden und Investoren denken. Er kündigte die Gründung eines Nachhaltigkeitsrates an, um Umweltschutzfragen in der Zukunft besser zu berücksichtigen.
"Die meisten von Ihnen hätten auf mehr gehofft", erklärte Kaeser mit Blick auf die Kritiker weiter. Der Konzern hätte im Vorfeld "weiser" über das Projekt urteilen sollen. Doch die Mine sei von der australischen Regierung unter der Berücksichtigung von Umweltstandards genehmigt worden und werde in jedem Fall kommen, "ob Siemens die Signalanlage bereitstellt oder nicht".
Der deutsche Großkonzern hatte im Juli 2019 den Auftrag für die Schienensignalanlage der Adani-Mine im australischen Bundesstaat Queensland unterzeichnet. Siemens-Chef Kaeser kündigte Mitte Dezember an, die Beteiligung an dem Projekt auf den Prüfstand zu stellen.
Der indische Energiekonzern Adani will in Australien eines der größten Kohlebergwerke der Welt errichten und hält daran ungeachtet der seit langem anhaltenden Proteste fest. Der Bau sei voll im Gange, sagte eine Sprecherin.
Umweltschützer warnen vor der australischen Carmichael-Mine, die eine der größten Kohleförderstätten der Welt werden und langfristig bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle jährlich produzieren soll. Australien ist der größte Kohle-Exporteur der Welt.
cgn/uh (afp, dpa)