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Rap-Battle mit Beethoven

12. August 2022

Subversiv, selbstbewusst, direkt: Ob Beethoven in der heutigen Zeit ein Rapper geworden wäre? Ein VR-Gedankenspiel will es herausfinden und stellt Beethoven vor eine große Herausforderung: ein Rap-Battle.

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Ludwig van Beethoven, Zeichnung, um 1910
Das Beethoven-Haus in Bonn zeigt einen rappenden Beethoven: innovativ, kreativ, jungBild: akg-images/picture alliance

Ein junger Mann, lässig gekleidet in Jeans und weißem T-Shirt, rappt in einem prächtigen Kuppelsaal, umringt von Jugendlichen, die ihn anfeuern. In der Ecke stehend wundert sich jemand über das Geschehen. Mit zerzausten Haaren, breitem Hemdkragen und schwarzem Frack, wirkt er wie aus der Zeit gefallen. Es ist Ludwig van Beethoven - geholt in die Gegenwart.

In der nächsten halben Stunde liefern sich der Rapper und der junge Beethoven einen verbalen Schlagabtausch. Der große Klassik-Komponist wird zu einem Rap-Battle herausgefordert und scheint sich, mit Kreativität und Sprachwitz, gut zu behaupten:

und ja es stimmt, ich hatte depressive Phasen// 

lief verwahrlost durch die engen Wiener Straßen// 

machte mir einen Namen, aber innerlich ein Wrack// 

denn meine Kunst haben sie noch immer nicht gerafft// 

ich war auserkoren - trotz der tauben Ohren// 

aus der inneren Verzweiflung wurd' ein Traum geboren//

Beethoven ist wohl auch in Sachen Rap in seinem Element und liefert sich ein starkes Wortgefecht.

und sie denken: Was kann man von so nem Greis erwarten//

sollte er tot sein - und vergraben, keinen Ton mehr vortragen?// 

doch die Huldigungen, Anbetung und Lobpreis verraten// 

jeder gottverdammte Kutscher kennt die Mondscheinsonate

Doch auch der Kontrahent lässt nicht locker:

Das mit der Kutsche ist ne Steilvorlage// 

denn du lebst hinter dem Mond mit deiner Scheinsonate// 

meine Punches sind erschütternd, frag ein' Seismographen// 

von meinen Freunden kennt dich niemand, hier guckt keiner arte//

Nein, es ist keine Realität. Beethoven ist seit 195 Jahren tot, damals war Rap noch nicht erfunden und überhaupt, wer lief denn im 19. Jahrhundert mit löchriger Jeans und Base Cap rum. Es ist eine ausgedachte Welt, die in Form eines neuen Virtual-Reality-Spiels erlebt werden kann. Mehr noch: Die Zuschauer können entscheiden, was Beethoven rappen und wer gewinnen soll. Sie bestimmen die Beats und Rap Lines sowie die musikalische und biografische Themenwahl. Und wer will da schon den großen Klassik-Meister in einem Rap-Battle verlieren sehen. Wohl kaum einer. Also präsentiert sich der weltberühmte Komponist in dieser erfundenen Realität als ein Musiker der Moderne - und gewinnt, meistens.

Junge Menschen für Klassik begeistern

Die Idee und Umsetzung für dieses VR-Spiel hatten die Brüder Arthur und Victor Abs (19 und 23 Jahre alt). "Unsere Mission ist, junge Menschen für klassische Kulturinhalte zu begeistern. Wir sehen, dass in unserer Generation klassische Musik kaum eine Rolle spielt. Wir haben versucht, mit innovativen Mitteln einen neuen Zugang zu schaffen. Wir wollen jene erreichen, für die Beethoven ganz weit weg ist", sagt Arthur Abs bei der Vorstellung des Spiels.

Der Versuch, Klassik und die jugendliche Popkultur zu vereinen, scheint den beiden Brüdern mit dem Spiel "Beethoven Opus 360" gelungen zu sein.

Arthur und Victor Abs
Arthur und Victor Abs sind die Ideengeber des Projekts "Beethoven Opus 360"Bild: AGON E.V

"Unsere Generation ist TikTok, Instagram, die Aufmerksamkeit ist viel, viel kürzer, man setzt sich nicht in einen Konzertsaal und hört sich stundenlang eine Sinfonie an, aber genau diese Musik braucht Zeit, um sich zu entwickeln und wir wollen zeigen, dass obwohl es so lange dauert und man sich konzentrieren muss, dass darin soviel mehr steckt, und die Menschen dahinter, in dem Fall Beethoven, wahnsinnig spannend sind", so Arthur Abs im DW-Interview.

Wieso ausgerechnet Rap

"Beethoven und Rap - beide eint, dass sie aus dem Unangepassten und Rebellischen herauskommen, und ein Rap-Battle ist die allerbeste Möglichkeit, ungeschont und ungeschönt die Lebensgeschichte eines Menschen darzustellen und darum geht es uns, Beethoven als Menschen darzustellen", sagt Victor Abs.

Die Verschmelzung von Gaming und Bildung, auch Edutainment genannt, ist eine kreative Form der Wissensvermittlung über interaktive Medien. Edutainment holt die junge Generation da ab, wo sie sich ohnehin meist aufhält - in der virtuellen Welt.

Das würdigt auch Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses Bonn: "So ist das Phänomen Beethoven noch nicht erzählt worden. Das Projekt ist absolutes Neuland in der Museumspädagogik und Museumsvermittlung." Dafür wurde der Museumsraum im Bonner Beethoven-Haus in ein Gaming-Studio verwandelt.

Projektplakat von BEETHOVEN // OPUS 360
Der junge Beethoven wird in die Gegenwart geholt und muss sich im neuen Virtual-Reality-Spiel gegen einen erfahrenen Rapper behaupten Bild: Beethoven-Haus Bonn

Und so ein Rap-Battle ist nicht ganz so weit weg von Beethoven: Schließlich habe er sich selber auf Klavier-Battles in Wien eingelassen, wie etwa mit dem Pianisten Daniel Gottlieb Steibelt, sagt Malte Boecker. "Wenn bei Beethoven das Genie durchbrach und er sein Umfeld nervte und überforderte, nannte das Helene von Breuning - so etwas wie die Ersatzmutter für Beethoven - er habe mal wieder einen Raptus. Diese Charakterisierung hat Beethoven sein Leben lang begleitet und insofern hat heute das Beethoven-Haus einen Raptus", sagte Malte Boecker bei der Eröffnung der Sonderausstellung zum VR-Spiel "Beethoven Opus 360".

Wer Beethoven in der musikalischen Gegenwart sehen und mit ihm rappen möchte, kann dies ab dem 12. August im Beethoven-Haus erleben. Demnächst gehen die Gründer Arthur und Victor Abs auf Tour mit dem Spiel, nächste Stationen sind Leipzig, Hamburg, Köln und Wien. Vor allem in Schulen wollen die beiden Brüder ihren rappenden Beethoven präsentieren und so die Jugendlichen für klassische Musik begeistern.

 

DW Mitarbeiterportrait | Rayna Breuer
Rayna Breuer Multimediajournalistin und Redakteurin