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Kläger zuversichtlich: "Prozess wird mit Verurteilung Jugoslawiens wegen Völkermord enden"

8. November 2002

– DW-Interview mit dem bosnischen Prozessbevollmächtigten Sakib Softic in der Klage Bosnien-Herzegowina gegen Jugoslawien vor dem Internationalen Gerichtshof

https://p.dw.com/p/2oq9

Köln, 6.11.2002, DW-radio / Bosnisch

Die Prozessbevollmächtigten von Bosnien und Herzegowina vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vertreten die Position, dass Jugoslawien sich vor diesem Gericht wegen Völkermords verantworten muss. Sie weisen die Argumente der Belgrader Regierung zurück, die die Übernahme der Verantwortung für Ereignisse der Regierungszeit von Slobodan Milosevic ablehnte. In seiner Klage vom März 1993 hatte Bosnien und Herzegowina vom Internationalen Gerichtshof (International Court of Justice – MD) verlangt, dass es Jugoslawien für Völkermord, der auf dem Territorium von Bosnien und Herzegowina während des Krieges 1992 bis 1995 begangen wurde, verurteilt. Im Juli 1996 erklärte sich das Gericht für zuständig in diesem Fall. Jugoslawien wehrt sich nun mittels einer Klageprüfung gegen diese Entscheidung. Am Telefon ist Sakib Softic, Vertreter Bosniens bei dem Verfahren.

Frage:

Herr Softic, das Verfahren läuft seinem Ende entgegen. Was waren die Hauptargumente beider Seiten in den letzten vier Verfahrenstagen?

Antwort:

Der Vertreter Jugoslawiens wiederholte gestern seine Argumente. Das heißt, dass die Bundesrepublik Jugoslawien am Tag der Anklage beziehungsweise der Prozessaufnahme nicht Mitglied des [UN] Statuts und auch nicht Unterzeichner der Konvention gegen Völkermord war. [Die Delegation von Bosnien und Herzegowina] hat kurz unsere Position dargelegt, die besagt, dass [Jugoslawien] zu dieser Zeit Mitglied [der UN] war. Die Tatsache, dass [Jugoslawien] am 1. November 2001 in die UN aufgenommen wurde und erneut die Konvention gegen Völkermord am 9. Juni 2002 unterzeichnete, hat keinen Einfluss auf diesen Fall. Es kann in der Zukunft zwar eine Auswirkung haben, in Fällen, in denen Jugoslawien als Partei [vor Gericht] erscheint, aber das kann keine Auswirkung auf die Vergangenheit haben.

Frage:

Eines Ihrer Argumente ist, dass das Verfahren der Wahrheit, Aussöhnung und gutnachbarschaftlichen Beziehungen dienen kann. Wie haben die Vertreter Jugoslawiens auf dieses Argument reagiert?

Antwort:

Über unseren Fall gibt es schon eine Entscheidung [des internationalen Gerichtshofes, nämlich dass der Prozess aufgenommen wird]. Und das, was so spät nach diesem [ersten] Urteil geschehen ist, kann keinen Einfluss auf die Klage haben. Die [jugoslawischen Vertreter] beziehen ganz andere Positionen und versuchen durch eine Hinhaltetaktik, den Tag hinauszuschieben, an dem sie den Tatsachen ins Auge schauen und sich mit der für sie sehr brutalen Wahrheit konfrontieren müssen. Diese Wahrheit besteht darin, dass sie der Internationale Gerichtshof des Völkermords für schuldig befinden wird. Sie verfolgen verschiedene Taktiken, denn sie haben wahrlich Gründe, vor der Entscheidung des Gerichtes Angst zu haben.

Frage:

Welches Urteil erwarten Sie letztlich vom Internationalen Gerichtshof?

Antwort:

Ich erwarte, dass das Gericht den Antrag der Bundesrepublik Jugoslawien zurückweist, die rechtskräftige Anklage aus dem Jahre 1996 abzulehnen. [Damals] hatte sich das Gericht sich für den Fall zuständig erklärt. Durch die Ablehnung des jugoslawischen Antrags wird das Gericht seine frühere Entscheidung bestätigen. Und dann wird die öffentliche Anhörung anberaumt, voraussichtlich im Herbst nächsten Jahres. [Das Verfahren] wird sicherlich zu Gunsten des Klägers entschieden und mit der Verurteilung Jugoslawiens wegen Völkermords enden. (md)