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Kirche will Neubeginn nach Missbrauchsskandal

2. April 2010

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Zollitsch, hat Fehler im Umgang mit Missbrauchsopfern eingeräumt. Papst Benedikt hielt sich hingegen bedeckt.

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Papst Benedikt (Foto: AP)
Bild: AP

Robert Zollitsch (Foto: DW-TV)
Robert Zollitsch: "Es wurden Wunden gerissen"Bild: DW-TV

Die Kirche habe den Missbrauchsopfern in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig geholfen, räumte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, in einer zum Karfreitag (02.04.2010) verbreiteten Erklärung seiner Freiburger Diözese ein.

Der Erzbischof begründete das frühere Verhalten der Kirche unter anderem mit dem damaligen gesellschaftlichen Umfeld: "Heute wird uns bewusst, dass durch die Enttäuschung über das schmerzliche Versagen der Täter und aus falsch verstandener Sorge um das Ansehen der Kirche der helfende Blick für die Opfer nicht genügend gegeben war. Auch das ist eine leidvolle Realität, der wir uns zu stellen haben." Künftig gelte das Hauptaugenmerk der Kirche den Opfern, versicherte Zollitsch. Das Osterfest, insbesondere der Karfreitag, symbolisiere für die Kirche den Neubeginn.

"Prüfung für die Kirche"

Papst Benedikt XVI. hat sich dagegen in seiner Predigt am Gründonnerstag im Petersdom nicht direkt zum Missbrauchsskandal geäußert. Der Papst sehe die Krise, die durch die Skandale hervorgerufen wurde, aber als "Prüfung für ihn und die Kirche" an, sagte ein Vatikansprecher.

Bischof Mixa wehrt sich

Walter Mixa (Foto: dpa)
Bestreitet Misshandlungen: Walter MixaBild: picture-alliance/ dpa

Der wegen angeblicher Kindesmisshandlung in die Schlagzeilen geratene Augsburger Bischof Walter Mixa hat unterdessen erneut alle Vorwürfe zurückgewiesen. In einer von seinem Bistum veröffentlichten Erklärung Mixas heißt es: "Ich bin zutiefst erschüttert über die Anschuldigungen, die mir gegenüber erhoben werden … Ich versichere nochmals, dass ich zu keiner Zeit gegen Kinder und Jugendliche körperliche Gewalt in irgendeiner Form angewandt habe." Er wolle mit den ehemaligen Bewohnern des Kinder- und Jugendhilfezentrums St. Josef im bayerischen Schrobenhausen über deren Erinnerungen, Erlebnisse und Vorwürfe sprechen, um zu erfahren, was sie in ihrer Kindheit belastet habe, so Mixa weiter. Der Bischof war von 1975 bis 1996 Stadtpfarrer in Schrobenhausen.

Der "Süddeutschen Zeitung" liegen nach eigenen Angaben eidesstattliche Erklärungen von sechs früheren Heimkindern vor, die Mixa beschuldigen, er habe sie in den 70er und 80er Jahren misshandelt. Die Rede ist demnach von Ohrfeigen, Fausthieben und Schlägen mit Stock oder Teppichklopfer. Das Bistum hatte die Vorwürfe bereits am Mittwoch als "absurd" zurückgewiesen und sich rechtliche Schritte vorbehalten.

Bischofskonferenz glaubt Mixa

Kinderheim St. Josef in Schrobenhausen (Foto: dpa)
Kinderheim St. Josef in SchrobenhausenBild: picture-alliance/ dpa

Unterstützung erhielt Mixa vom Generalsekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer. Es stehe zunächst einmal Aussage gegen Aussage. Er glaube Mixa, sagte Langendörfer im Deutschlandfunk. Die für die Heimaufsicht in St. Josef zuständige Regierung von Oberbayern fand bei einer Untersuchung nach eigenen Angaben keine Hinweise auf frühere Misshandlungsfälle. Bei einer Akten-Überprüfung seien keine Vermerke gefunden worden, sagte ein Behördensprecher. Auch eine Befragung der für die Heimaufsicht zuständigen Sachbearbeiter, von denen einige zum Zeitpunkt der angeblichen Vorfälle bereits im Dienst waren, habe keine Hinweise ergeben.

Auch in Kinder- und Jugendheimen der DDR gab es offenbar zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch, die sogar in Akten notiert worden sind. Die Leiterin der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau in Sachsen, Gabriele Beyler, sagte dem "Tagesspiegel" aus Berlin, bei ihr hätten sich bislang 25 ehemalige Heimkinder gemeldet und von sexuellen Übergriffen durch Erzieher berichtet. Der Deutschen Presseagentur teilte Beyler mit, es gebe in Unterlagen der DDR-Stasi Hinweise auf derartige Fälle.

Auch DDR-Heimerzieher in Verdacht

Das ehemalige DDR-Kinderheim Jugendwerkhof Torgau (Foto: AP)
Das ehemalige DDR-Kinderheim Jugendwerkhof Torgau, heute eine GedenkstätteBild: DW

Weiter heißt es im "Tagesspiegel", auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe, in dessen Wahlkreis Torgau liegt, habe Berichte über Missbrauch in DDR-Heimen erhalten. Auch bei dem vom Bundesland Thüringen eingesetzten Berater für SED-Opfer, Manfred May, meldeten sich verstärkt Betroffene.

Insgesamt gab es in der DDR nach Angaben der Zeitung 474 staatliche Kinderheime. Davon waren 38 sogenannte Spezialkinderheime und 32 Jugendwerkhöfe, in denen Kinder untergebracht wurden, die als schwer erziehbar und verhaltensauffällig galten. Kolbe sagte, der sexuelle Missbrauch in diesen Heimen "scheint einen beachtlichen Umfang gehabt zu haben".

Autor: Michael Wehling (dpa, epd, kna, apn, afp)

Redaktion: Christian Walz

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