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KGB Weißrusslands verwarnt den Vorsitzenden der Vereinten Bürgerpartei

6. November 2002

– Lebedko werden Kontakte zu westlichen Agenten vorgeworfen

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Minsk, 6.11.2002, BELARUS TODAY, russ.

Am Abend des 5. November hat im Büro der Vereinten Bürgerpartei eine eilig einberufene Pressekonferenz des Vorsitzenden, Anatolij Lebedko, stattgefunden, der eben aus dem KGB-Gebäude in der Komsomolskaja Straße zurückgekehrt war, wohin er von Personen in Zivil, die sich nicht vorgestellt hatten, direkt von der amerikanischen Botschaft gebracht worden war.

Die gewaltsame Festnahme durch Unbekannte bezeichnete Anatolij Lebedko als "Verbrechen" und unterstrich, hätte der KGB ihm eine Vorladung zukommen lassen, wäre er als gesetzestreuer Bürger auch erschienen. "Anfänglich dachte ich, mir würde das gleiche passieren wie Jurij Sacharenko und Wiktor Gontschar (entführte weißrussische Politiker – MD)", sagte Lebedko. "Ich beruhigte mich erst, als ich das KGB-Gebäude sah."

Im KGB-Gebäude sei Anatolij Lebedko nicht lange festgehalten worden. Ein Mitarbeiter dieser Behörde, der sich als Hauptmann Tschupachin vorstellte, legte dem Politiker ein im voraus gefertigtes "Protokoll einer offiziellen Verwarnung" vor. Alles sei auf Video aufgenommen worden. Anatolij Lebedko habe scharf gegen den "kriminellen" Charakter seiner Festnahme protestiert und sich geweigert, etwas ohne seinen Anwalt zu unterzeichnen.

Auf dem dreiseitigen Protokoll hieß es, dass "... dem Bürger A. W. Lebedko bekanntgegeben wird, dass er von den Organen der Staatssicherheit der Republik Weißrussland vorgeladen wurde, weil bei der operativen Ermittlungsarbeit Material über den Charakter seiner vertraulichen Kontakte zu ausländischen Bürgern aufgetaucht ist, die nachweislich Agenten sind oder verdächtigt werden, mit ausländischen Geheimdiensten zu tun zu haben, sowie Angaben über seine finanzielle Abhängigkeit von westlichen Sponsoren, was von möglichen Versuchen zeugt, ihn in rechtswidrige Tätigkeiten einzubeziehen. Das könnte dazu führen, dass er im weiteren Verbrechen begeht, die Artikel 356 (Staatsverrat) des Strafgesetzbuches der Republik Weißrussland berühren".

Im Protokoll wird weiter aufgezählt, wo, wann und mit welchen Ausländern Anatolij Lebedko Kontakt pflegte, wie oft er im Laufe des letzten Jahres die US-Botschaft aufgesucht hat usw. Besonders wurden seine Treffen mit dem Leiter der OSZE-Beobachtungsgruppe Hans-Georg Wieck hervorgehoben. Anatolij Lebedko wird ferner beschuldigt, "... regelmäßig von der US-Botschaft und anderen ausländischen Vertretungen für seine Tätigkeit Devisen zu bekommen sowie Finanzmittel für Dienst- und Privatreisen ins Ausland". (...)

Der Vorsitzende der Vereinten Bürgerpartei konnte bei der Pressekonferenz vor den Journalisten und anwesenden ausländischen Diplomaten seine Verwunderung nicht verbergen: "Es zeigt sich, dass Kontakte eines Vorsitzenden einer politischen Partei zum offiziellen Chef der OSZE-Beobachtungsgruppe verboten sind, der von der Regierung dieses Landes empfangen wurde; des Weiteren sind Kontakte zu Vertretern der Botschaften verboten, die legal in der Republik Weißrussland tätig sind."

(...) All das, sagte er, zeuge davon, dass die Machthaber mit der Tätigkeit der Vereinten Bürgerpartei unzufrieden sind: "Wir stellen doch eine bestimmte Gefahr für das weißrussische Regime dar. Die Verwarnung des KGB ist ein Glied der selben Kette wie die zwei Anträge des Justizministeriums bei der Staatsanwaltschaft über die Einleitung von Strafverfahren gegen die Vereinte Bürgerpartei und die Einleitung eines Strafverfahrens gegen mich persönlich wegen der Information über den Waffenverkauf in der Zeitung ‚Narodnaja wolja‘. Ich bin der Ansicht, dass die Machtorgane die Situation einfach nicht mehr unter Kontrolle haben. Sie sind kopflos. Deshalb ist ihnen nichts besseres eingefallen, als von den Methoden der Sowjetzeit Gebrauch zu machen."

"Jedenfalls geht das Leben weiter", sagte Anatolij Lebedko zum Abschluss der Pressekonferenz. "Sollte das psychologischer Druck auf mich und meine Kollegen sein, so ist das völlig wirkungslos und wird zu keinem Ergebnis führen. Ich bin der Ansicht, dass hinter all dem Aleksandr Lukaschenka persönlich steckt, da ich begriffen habe, dass die KGB-Mitarbeiter verstehen, dass dieser ganze Unsinn den Rechtsrahmen sprengt. Einer der KGB-Mitarbeiter hat sich im nachhinein sogar bei mir entschuldigt und darauf verwiesen, dass sie kleine Leute seien und gezwungen seien, Befehle auszuführen."

Anatolij Lebedko schloss nicht aus, dass er sich an die Staatsanwaltschaft und das Gericht wenden wird, um ausführliche Informationen und Erklärungen bezüglich der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der KGB-Mitarbeiter zu bekommen. (lr)