Kevin Schade - eine Investition in die Zukunft
23. März 2023Mit einem breiten Lächeln im Gesicht verließ Kevin Schade den Trainingsplatz des DFB-Campus in Frankfurt am Main. Soeben hatte er sein erstes Training mit der deutschen Nationalmannschaft absolviert. Noch vor knapp einem Jahr schien dieses Ziel in weiter Ferne zu sein.
"Natürlich träumt man von der Champions League und der Nationalmannschaft", sagte Kevin Schade nach dem Spiel des SC Freiburg bei Borussia Mönchengladbach im Dezember 2021. Nur wenige Minuten zuvor waren dem damals 20-jährigen seine erste Torvorlage und sein erstes Bundesliga-Tor gelungen - in einem denkwürdigen Spiel: Freiburg hatte mit 6:0 gewonnen. Es war Schades elfter Einsatz im Team von Trainer Christian Streich, der ihn erst wenige Monate zuvor aus der U23 des Vereins zu den Profis hochgezogen hatte. "Das sind aber weit entfernte Ziele, mit denen ich mich aktuell nicht beschäftige", sagte Schade damals mit Blick auf seine Zukunft. "Für mich geht es erst einmal darum, als junger Spieler so viel wie möglich Spielpraxis zu sammeln."
Zwar hat der heute 21-jährige bisher noch nicht in der Champions League gespielt, der Traum von der Nominierung für die deutsche Nationalmannschaft hat sich jedoch bereits erfüllt. Schade steht für die Länderspiele am kommenden Samstag in Mainz gegen Peru (Anstoß um 20.45 Uhr MEZ) und am Dienstag in Köln gegen Belgien (20.45 Uhr MESZ) erstmals im Kader der DFB-Auswahl.
Seine Nominierung ist eine der größten Überraschungen im Kader von Bundestrainer Hansi Flick, der jedoch bereits zuvor erklärt hatte, er wolle "die Zeit bis zur Europameisterschaft im eigenen Land nutzen, um den einen oder anderen jungen Spieler zu testen". Auch für Schade kam die positive Nachricht unerwartet. "Natürlich war ich überrascht", sagte der Stürmer. "Ich hatte zwar ein paar Gerüchte gelesen, aber darauf kann man sich nicht verlassen. Es ist ein absoluter Kindheitstraum für mich, das Höchste, was es gibt."
Freiburg war zu erfolgreich
Nicht nur bei Hansi Flick scheint Schade bisher einen bleibenden guten Eindruck hinterlassen zu haben. Im Januar wechselte der DFB-Neuling wegen mangelnder Spielzeit vom SC Freiburg zum FC Brentford in die englische Premier League, zunächst auf Leihbasis. Warum aber verabschiedete sich Schade ausgerechnet in der erfolgreichsten Phase in der Vereinsgeschichte der Breisgauer, die ins DFB-Pokalfinale einzogen und die Qualifikation für die Europa League schafften?
Erstaunlicherweise nennt der Youngster auch den enormen Erfolg der Freiburger als einen Grund für den Wechsel. "Ironischerweise", sagte Schade im Gespräch mit dem Magazin "Kicker": "Für mich persönlich war es nicht gut nach meiner Verletzung, weil wir in den englischen Wochen wenig trainiert haben. Ich habe weniger gespielt, manchmal gar nicht. Die erste Elf hat sehr gut funktioniert, da war es schwer für mich. Aber ich bin jung und brauche Spiel-und Trainingszeit, das war der ausschlaggebende Punkt."
Der 21-jährige kam insgesamt nur auf 29 Spiele in eineinhalb Jahren beim SC Freiburg, in der Startelf konnte er sich dabei nie etablieren. Immer wieder warfen ihn Verletzungen zurück, gerade dann, wenn er auf dem besten Weg war, einen Stammplatz zu ergattern. Im vergangenen November wurde Schade beim Rückspiel gegen Karabach Agdam in der Gruppenphase der Europa League eine seiner größten Stärken zum Verhängnis: seine Schnelligkeit. In der Saison 2021/22 war er zusammen mit Alphonso Davies vom FC Bayern München mit einer Spitzengeschwindigkeit von 36,37 Stundenkilometern der zweitschnellste Bundesligaprofi der Saison. Nur der ehemalige Mainzer Jeremiah St. Juste war mit 36,63 Stundenkilometern noch schneller.
Auch gegen Karabach war Schade mal wieder zu schnell für seine Gegenspieler. Gleich zwei mal binnen weniger Sekunden wurde er rüde von den Beinen geholt. Die Folgen: eine rote Karte für seinen Gegenspieler Kevin Medina und eine erneute verletzungsbedingte Auswechslung für Schade, der sich gerade erst nach einer langen Leidenszeit zurückgekämpft hatte. Am 25. Spieltag der Saison 2021/22 hatte sich der technisch starke Stürmer beim Aufwärmen verletzt. Was zunächst wie eine harmlose Zerrung wirkte, stellte sich später als Faserriss im Bauchmuskel mit fast 200 Tagen Ausfallzeit heraus. Die Chance auf einen Stammplatz rückten somit wieder in weite Ferne.
Streich: "Die wissen nicht, wohin mit dem Geld"
Schade wuchs in der brandenburgischen Hauptstadt Potsdam als Sohn eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter auf. Die ersten Jahre seiner Karriere spielte er bei seinem "Heimatverein" SV Babelsberg, bevor er in die Jugend von Energie Cottbus wechselte, wo er vier Jahre verbrachte. "Ich habe immer noch gute Kontakte nach Babelsberg und Cottbus", so Schade. "Ich habe überall noch zwei oder drei Freunde und treffe immer noch Leute, wenn ich nach Hause fahre."
Der Schritt zum SC Freiburg folgte für Schade erst in der U19 - auch weil Christian Streich in ihm enorme Qualitäten sah. Der Freiburger Trainer war daher alles andere als angetan vom Wechsel des Stürmers und konnte sich eine kleine Spitze gegen Brentford und den englischen Fußball nicht verkneifen. "Am liebsten hätten wir das Geld genommen und Kevin wäre immer noch hier, aber das geht ja nicht", sagte Streich nach de, Abschluss des Transfers. "Die Engländer wollten ihn unbedingt. Die wissen dort ja teilweise nicht, wohin mit dem ganzen Geld."
Beim Klub aus dem Londoner Westen konnte Schade die Erwartungen seit seinem Wechsel durchaus erfüllen, obwohl er auch bei seinem neuen Verein noch kein Stammspieler ist. Er kommt bislang nur auf 187 Spielminuten in acht Spielen und lediglich fünf Torschüsse. Ein Treffer gelang Schade bisher noch nicht. Dennoch ließ er sein enormes Talent in Eins-gegen-eins-Situationen aufblitzen und sorgte für begeistertes Raunen unter den Brentford-Fans. Wie Freiburg spielen auch "The Bees" (die Bienen), wie die Spieler des FC Brentford genannt werden, eine überraschend erfolgreiche Saison. Schade bereute den Wechsel nicht: "Der Spielstil in England passt einfach besser zu mir. Ich brauche aber noch etwas mehr Zeit, um dort anzukommen. Ich war ja auch lange verletzt."
Brentford zahlt Rekordablöse
Der Verein wird Schade wohl die nötige Zeit geben, um sich dort zu entwickeln und zu etablieren. Bereits 2022 wollte Brentford ihn verpflichten, damals lehnte Schade noch ab. Die Hartnäckigkeit des Vereins und die Herausforderungen der Premier League überzeugten den Offensivspieler dann aber doch. Es ist schon lange ein offenes Geheimnis, dass der Premier-League-Club die Option ziehen wird, Schade für eine Ablösesumme von 25 Millionen Euro zu verpflichten. Der Anschlussvertrag bis 2028 soll bereits ausgehandelt sein.
Für Brentford wäre es ein Rekordtransfer. Normalerweise ist der Verein eher dafür bekannt, Spieler zu verpflichten, die in unteren Ligen spielen oder bei Premier-League-Konkurrenten keine Stammspieler sind. "Brentford ist schon ähnlich wie Freiburg", sagte Schade. "Es ist alles sehr familiär, alle haben mich gut aufgenommen." Vielleicht ist der kleine Ort im Westen Londons genau die richtige Umgebung für ihn, um endlich vollends durchzustarten. Nur an der Sprache muss der Fußballer noch arbeiten. "Mit dem Englisch war es am Anfang etwas schwieriger, einiges verstehe ich auch immer noch nicht," räumt Schade ein. Nur um mit einem Lächeln anzufügen: "Aber es wird besser."