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Kerrys Spagat am Nil

Kersten Knipp3. August 2015

Die ägyptische Regierung geht gegen Kritiker mit aller Härte vor. Das macht auch das Verhältnis zu westlichen Partnern schwierig. Demokratieförderung und Sicherheitsinteressen sind kaum miteinander vereinbar.

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John Kerry und Abdel Fattah al-Sisi in Ägypten (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/B. Smialowski

Der Ton war höflich, aber bestimmt. Die USA würden Ägypten weiterhin in ihrem Anti-Terror-Kampf unterstützen, erklärte US-Außenminister John Kerry am Wochenende in Kairo nach einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah al-Sisi in Kairo.

Zugleich gab er aber zu verstehen, dass die USA den Umgang der ägyptischen Regierung mit Kritikern für wenig überzeugend hielten. Natürlich brauche es einen langen Atem, um den Terrorismus zu besiegen, räumte Kerry ein. Noch wichtiger sei es aber, junge Menschen davon abzuhalten, sich dem Terrorismus zuzuwenden.

Kerrys Worte spiegeln die Verlegenheit der USA im Umgang mit einem ihrer ältesten Bündnispartner im Nahen Osten wider. Unter Präsident Al-Sisi fährt Ägypten einen harten innenpolitischen Kurs.

Einerseits sieht Kairo sich gezwungen, gegen dschihadistische Rebellen insbesondere auf der Sinai-Halbinsel vorzugehen. Andererseits geht die Regierung auch mit aller Härte gegen gewaltlose Demonstranten vor.

US-Flugzeugträger auf dem Suez-Kanal (Foto: AFP)
Militärische Partner: Ein amerikanischer Flugzeugträger auf dem Suez-KanalBild: Getty Images/AFP

Dieser Widerspruch offenbart sich in einem Anfang Juni erlassenen Sicherheitsgesetz. Danach können Personen, die das Regime stürzen oder die Verfassung ändern wollen, zu Haftstrafen zwischen zehn und 25 Jahren verurteilt werden. Für Unterstützer oder Anführer terroristischer Organisationen sieht das Gesetz bis zu 25 Jahre Haft oder die Todesstrafe vor. Und mit bis zu fünf Jahren Haft muss rechnen, wer in den sozialen Medien Gedankengut verbreitet, das den "Terrorismus fördert".

Für eine umsturzgefährdende Kraft hält die Regierung Al-Sisi auch die Muslimbruderschaft, der der zum Tode verurteile Ex-Präsident Mohamed Mursi entstammt. Das bekräftigte der ägyptische Außenminister Sameh Schukri in Kairo: "Die Muslimbrüder", erklärte er, "stehen am Ursprung aller radikalen und extremistischen Ideologien."

Sein amerikanischer Amtskollege Kerry sieht das anders. Er warnte davor, weite Teile der ägyptischen Bevölkerung - also alle jene, die sich den Muslimbrüdern verbunden fühlen - zu unterdrücken. "Wir wollen nicht bei der Entstehung eines terroristischen Teufelskreises zuschauen, bei dem der Kampf gegen den Extremismus junge Menschen überhaupt erst radikalisiert."

Mohamed Mursi während eines Prozesses (Foto: Reuters)
Zum Tod verurteilt: Ex-Präsident Mohamed MursiBild: Reuters/A. Waguih

Schwierige Gratwanderung

Doch Kerrys Kritik fällt verhalten aus, denn die USA sind auf Ägypten angewiesen. Das Land ist ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die auf libyschem Staatsgebiet operierenden Dschihadisten. Außerdem legt Washington großen Wert auf ein gutes Verhältnis zwischen Ägypten und Israel.

Dies macht die US-Außenpolitik zu einer politischen Gratwanderung. "Wenn die USA uneingeschränkt mit dem Militär kooperieren, laufen sie Gefahr, es sich mit jenen Ägyptern zu verscherzen, die auf eine liberale Demokratie oder eine auf dem Islam beruhende Regierung setzen", schreibt der Nahost-Experte Jeremy M. Sharp in einer soeben erschienenen Studie.

Doch als Verfechter demokratischer Werte sind die USA in Kairo nicht erwünscht. "Wenn Washingtonn auf Demokratie setzt, wird sich der ägyptische Sicherheitsapparat dagegen stellen", meint Sharp. "Er wird amerikanische Diplomaten beschuldigen, die Muslimbrüder zu unterstützen, einen neo-kolonialen Kurs zu fahren und Ägyptens Sicherheit zu gefährden."

Die deutsche Haltung

Vor diese Schwierigkeiten sehen sich andere westliche Staaten ebenfalls gestellt – auch Deutschland. Zwar setzt die Bundesregierung auf gute Beziehungen zu Ägypten, was sich beim Staatsbesuch von Präsident Al-Sisi Anfang Juni in Berlin zeigte.

Der Umstand aber, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert ein Treffen mit Al-Sisi ausschlug, zeigt, wie umstritten diese Politik in Berlin ist. Auch die vorübergehende Festnahme des renommierten Journalisten Ahmad Mansur aufgrund eines ägyptischen Haftbefehls offenbart den politischen Spagat Berlins.

Ahmad Mansur (Foto: Getty Images)
Irrtümlich in Berlin verhaftet: der ägyptische Journalist Ahmad MansurBild: Getty Images/AFP/J. Macdougall

Deutschland hat in Ägypten wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen. Zugleich bemüht sich die Bundesregierung um die Förderung der Demokratie. Diese Ziele sind angesichts des innenpolitischen Kurses der derzeitigen Regierung schwer umzusetzen.

"Der repressive Ansatz der Behörden in Kairo wirkt dem erklärten deutschen und europäischen Interesse an einer Stabilisierung des Landes entgegen", heißt es in einer jüngst erschienenen Studie der Stiftung "Wissenschaft und Politik" in Berlin.

Das Institut warnt vor einer Zusammenarbeit mit Institutionen der inneren Sicherheit in Ägypten. "Dies schließt den Bereich der Terrorbekämpfung ein, solange Ägypten über vage Strafparagraphen auch friedfertige Oppositionelle als Terroristen verfolgt. Auch eine Zusammenarbeit mit der ägyptischen Staatssicherheit und den Behörden der inneren Sicherheit verbietet sich, solange diese Institutionen primär für die gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Land verantwortlich zeichnen."

Die derzeitige ägyptische Regierung stellt ihre westlichen Partner vor erhebliche politische Herausforderungen. Derzeit scheint es unmöglich, mit der einen Seite im Land zusammenzuarbeiten, ohne die andere zu verärgern.