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Kenias Läufer leiden

Alima Hotakie
2. Mai 2020

Auch Kenias Spitzenläufer trifft die Corona-Krise hart. Zwar können sie eingeschränkt weiter trainieren. Doch fehlende Wettkämpfe und Einzeltraining ohne die gewohnte Gruppe machen die Situation schwierig.

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Leichtathletik - Der 22. Los Angeles Marathon 2007
Bild: picture-alliance/dpa/A. Arorizo

Albert Korir, Henry Kiprop und Felix Kandie sind professionelle Marathonläufer. Unter normalen Umständen würde jeder von ihnen im Rahmen der üblichen Trainingsroutinen jede Woche 180 bis 300 Kilometer laufen. Doch wie in den meisten anderen Ländern hat die kenianische Regierung Bewegungseinschränkungen eingeführt, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen.

Kenianische Athleten wie Korir, Kiprop und Kandie sind daher nun gezwungen, allein zu trainieren und ihr Trainingspensum zu reduzieren - um bis zu 200 Kilometer weniger als vor der Pandemie. Die plötzliche Reduzierung des Trainings ist nicht ohne Risiken.

"Ich bin von 200 auf 50 Kilometer pro Woche runtergegangen. Deshalb bin ich besorgt", sagt Albert Korir gegenüber der DW. "Denn wenn ich wieder mit normaler Härte trainiere, könnte das zu einer Überbelastung oder sogar zu Verletzungen führen."

Auswirkungen auf die Fitness

Korir läuft in der Regel zwei Marathons pro Jahr. Im Jahr 2019 belegte er den ersten Platz in Houston und den zweiten in New York. Auch wenn die Bewegungseinschränkungen in Kenia erst seit wenigen Wochen gelten, hat der 26-Jährige bereits bemerkt, dass seine Fitness zu leiden beginnt und er an Gewicht zugenommen hat. "Wenn ich jetzt trainiere, atme ich schwerer als normalerweise. Mein Körper ist nicht mehr so fit wie früher, wie damals, als ich noch hart trainiert habe", sagt er.

Die kürzeren Distanzen im Training sind nicht das einzige Problem; Kenias Eliteläufer trainieren normalerweise in Camps mit bis zu 50 anderen Wettkämpfern, doch jetzt sind viele gezwungen, allein zu trainieren.

Besser durch die Gruppe

Die Coronavirus-Pandemie hätte für Felix Kandie zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Er hatte sich darauf gefreut, in diesem Jahr bei seinem dritten Boston-Marathon zu laufen. Doch am 20. April, dem Tag, für den das Rennen ursprünglich vorgesehen war, war Kandie zu Hause und telefonierte mit der DW, da der traditionsreiche Marathon verschoben worden war. "Eigentlich wäre ich in wenigen Stunden in Boston beim Rennen gewesen", sagt Kandie. "Gerade jetzt hätte ich mich aufgewärmt."

Felix Kandie
Marathonläufer Felix Kandie vermisst die Gruppe anderer Läufer, mit der er sonst trainiertBild: imago/CTK Photo/M. Krumphanzl

Die Chance auf seine dritte Teilnahme in Boston ist aber noch da, sollte der Marathon am neuen Termin im September stattfinden, was die Organisatoren hoffen. Allerdings: Als das Coronavirus sich ausbreitete und die Welt lahmlegte, hatte Kandie bereits 80 Prozent seines Trainingsprogramms zur Vorbereitung absolviert. Sein Trainingsplan hatte sich bewährt: Im vergangenen Jahr rannte der 33-Jährige in Boston auf Rang vier, in Berlin wurde er Fünfter.

Im Gespräch mit der DW erzählt Kandie, dass er sich trotz der Einschränkungen so eng wie möglich an sein ursprünglich geplantes Trainingsprogramm halten werde. Gleichzeitig merkt er jedoch an, dass individuelles Training einfach nicht so effektiv sei, wie das Training in einer Gruppe. "Du brauchst Leute, die dich pushen. Du brauchst sie, um besser zu werden", sagt Kandie. "Wenn du alleine trainierst, hast du vielleicht das Gefühl, gut zu laufen, aber du hast eigentlich nichts davon. In einer Gruppe kann man sich dagegen immer unterstützen."

Marathon ist ein Prozess

Als die Pandemie die Pläne von Henry Kiprop zunichte machte, bereitete der sich gerade auf den diesjährigen Mailand-Marathon vor. Beim Marathon in Venedig war er 2019 mit einer Zeit von 2:10 Stunden Zweiter geworden. Für dieses Jahr hatte er sich zum Ziel gesetzt, seine bisherige Bestzeit in Mailand um fünf Minuten zu unterbieten. Jetzt macht aber macht sich auch Kiprop Sorgen darüber, wie sich die Zwangspause und das fehlende optimale Training auf seine zukünftigen Leistungen auswirken werden.

"Ein Marathon ist ein Prozess. Man läuft ihn in diesem Jahr, man läuft ihn im nächsten Jahr wieder und irgendwann erreicht man ein ganz anderes Level ", sagte er gegenüber der DW. "Wenn man dir sagt, du sollst den London-Marathon ohne Training laufen. Das ist ganz unmöglich."

Finanzielle Auswirkungen

Ganz abgesehen von den Trainingsbeschränkungen sehen sich viele Eliteläufer auch mit ernsthaften finanziellen Problemen konfrontiert. Korir wird vom deutschen Sportartikelgiganten Adidas gesponsert, aber er ist nach wie vor auf seine Rennen als Haupteinnahmequelle angewiesen. "Wir müssen laufen und konkurrieren. Wenn du keine Läufe machst, dann hast du auch keine Einnahmen, das macht es für uns Athleten schwierig", beschreibt er.

Albert Korir
Albert Korir will schnellstmöglich wieder laufen - er lebt von Sponsoren und PreisgeldernBild: picture-alliance/Photoshot/S. Qiong

Obwohl sich viele Läufer im selben Boot befinden, glaubt Kiprop, dass die finanziellen Auswirkungen unterschiedlich sein werden: "Es hängt alles vom Einzelnen ab. Nach allen Marathons, die ich gelaufen bin, habe ich anschließend mein Geld gut angelegt", sagt er. "Ich habe in einige Immobilien investiert. Es kann also einige Zeit dauern, bis es schlecht für mich läuft." Zwar können einige die finanzielle Belastung besser abfedern als andere, dennoch ist Situation für alle prekär. Wie Kiprop investiert auch Kandie seine Einnahmen, seit er mit den Rennen begann. Er weiß, dass er nicht ewig laufen kann und muss sich für die Zukunft finanziell absichern. Doch obwohl er einen, wie er glaubt, soliden Finanzplan hat, möchte er seine Ersparnisse lieber nicht anzapfen.

Der Leichtathletik-Weltverband World Athletics und die International Athletics Foundation haben kürzlich einen Fonds eingerichtet, um Leichtathleten während der Coronavirus-Krise zu helfen. Weltverbands-Präsident Sebastian Coe ist sich der finanziellen Probleme der Athleten sehr wohl bewusst. "Es ist klar, wenn es keine Wettkämpfe gibt, gibt es auch kein Preisgeld", sagt er der DW. "Das erste Ziel ist also, zu versuchen, den Wettbewerb wieder in ihre Welt zurückzubringen."

Wie das aussehen kann und wann das geschehen wird, hängt davon ab, wie schnell das Coronavirus eingedämmt wird. Für professionelle Marathonläufer bedeutet das, zunächst weiterhin das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen. Aber die Athleten wissen, dass es eine Weile dauern kann, bis sie wieder auf das Niveau vor dem Coronavirus zurückkehren. Sie müssen sich wohl auf ihre Ausdauer und Widerstandskraft verlassen, um eine Situation zu überstehen, die immer mehr zu einem Marathon wird - keinem nur für professionelle Läufer, sondern für Menschen aus allen Gesellschaftsschichten auf der ganzen Welt.