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Kein Cannabis am Kiosk

Matthias von Hein7. August 2015

Die repressive Drogenpolitik ist gescheitert, so der Frankfurter Suchtforscher Heino Stöver. Ein Gespräch über Missverständnisse, verschleuderte öffentliche Ressourcen und die Erwartung eines Cannabis-Pilotprojekts

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Symbolbild Cannabis als Medizin: Mehrere Schraubglser mit unterschiedlichen Marihuanasorten stehen nebeneinander auf einem Verkaufsregal in einem Fachgeschäft in den USA. (Foto: FREDERIC J. BROWN/AFP/Getty Images)
Bild: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Allerorten gibt es Bewegung in der Drogenpolitik: Über die Hälfte der deutschen Strafrechtsprofessoren setzt sich für die Legalisierung von Cannabis ein. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter konstatiert das Scheitern der bisherigen Prohibition. Quer durch die Parteien melden sich Befürworter eines neuen Umgangs mit Drogen. Der Bundestag debattierte in diesem Frühjahr über den Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes der Grünen. Sie, Herr Stöver, sind seit Jahrzehnten in der sozialwissenschaftlichen Drogenforschung und auch in der Drogenpolitik tätig. Was ist Ihre Einschätzung: Wie lange werden die Rückzugsgefechte der Prohibitionsbefürworter noch dauern?

Heino Stöver: Ich gehe mal davon aus, dass wir in zwei, drei Jahren einen Modellversuch haben, wo es eine kontrollierte Abgabe von Cannabis gibt. Mehrere Städte sind sich einig und wollen so einen Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einreichen. Und das hat große Aussicht auf Erfolg. Im Rahmen des bestehenden Betäubungsmittelgesetzes sind wissenschaftliche Erprobungsvorhaben erlaubt. So ist auch die Heroinabgabe für Schwerstabhängige eingeführt worden.

Über wie viele Cannabis-Konsumenten in Deutschland reden wir eigentlich?

Wir gehen von zwei bis drei Millionen Cannabisgebrauchern aus, die mehr oder weniger häufig Cannabis benutzen - und dadurch eben auch vielfach in Kontakt kommen mit Illegalität, Schwarzmarkt oder den Ausläufern Organisierter Kriminalität. Das ist ja der eigentliche Grund, warum wir jetzt tätig werden müssen. Wir verbieten ein Verhalten, das schlimmstenfalls den Einzelnen selbst schädigt. Es werden ja keine anderen Menschen geschädigt durch diese Straftat des Erwerbs oder Besitzes von psychoaktiven Substanzen. Und 75% aller polizeilich verfolgten Delikte sind Konsumenten-nahe Delikte. Das heißt: Diese polizeilich erfassten Personen haben Cannabis nur zum Eigenverbrauch mit sich geführt. Und für den Nachweis von 5 Gramm Cannabisbesitz sind eine Vielzahl von Aktivitäten der Polizei und dann der Staatsanwaltschaft nötig. Und das ist nicht mehr zeitgemäß. Oder es ist auch nicht effektiv. Diese Zahl von Cannabiskonsumenten geht ja nicht runter, sondern ist ja nach wie vor eben konstant der wachsend sogar. Das heißt: Selbst die mit mühevoller Kleinarbeit erreichten kleinen polizeilichen Erfolge sind was die Marktregulation angeht, komplett ineffektiv. Eine Markt- und Preisregulation schafft die Polizei mit ihren Konfiszierungen und mit ihrer Strafverfolgung nicht mehr. Generalpräventive Wirkung hat die Polizei an der Stelle nicht mehr.

Suchtforscher Heino Stöver Fachhochschule Frankfurt (Copyright: Fachhochschule Frankfurt)
Drogen- und Suchtexperte Heino StöverBild: Fachhochschule Frankfurt

Was sind denn dann die Gründe dafür, dass jetzt aktuell nach einer Umfrage des Stern im Juli eine Mehrheit der Deutschen eine Legalisierung von Cannabis weiter ablehnt?

Diese ganze Cannabis-Legalisierungsdebatte krankt daran, dass zwei Dinge durcheinander gebracht werden. Also einmal glaubt man, indem man einen regulierten, legalen Zugang schafft, würde die Zahl der Substanzgebraucher explosiv wachsen. Dazu gibt es Zahlen aus den Niederlanden, wo ja Cannabis in Coffeeshops ganz leicht zugänglich ist. Aber dort ist die Zahl der Gebraucher nicht angestiegen. Die Prävalenz, die Verbreitung von Cannabiskonsum in den Niederlanden ist nicht höher als in Deutschland.

Zum anderen wird mit einem freien, regulierten Zugang häufig eine regellose Freigabe assoziiert und eine Art Kiosk-Verkauf, wo man neben der Flasche Bier seine Cannabiseinheiten kaufen kann. So wird es ja nicht kommen. Es wird sicher nicht anderen Substanzen, die hier historisch gewachsen und akzeptiert sind wie etwa Alkohol oder Tabak, gleichgestellt werden. Sondern es wird Filter und Zugangsbeschränkungen geben. Denn Cannabis ist zur falschen Zeit in zu hohen Mengen, zu falschen Ereignissen durchaus ernsthaft eine der Gesundheit abträgliche Substanz. Und das muss man einfach wissen, wenn man die Zugangsvoraussetzungen diskutiert.

Heino Stöver ist Professor an der Fachhochschule Frankfurt und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung.