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Karsais politische Zukunft ungewiss

19. Oktober 2009

Zwei Monate nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan hat die Wahlbeschwerdekommission Hunderttausende von Stimmen für ungültig erklärt. Muss der amtierende Präsident Hamid Karsai in eine Stichwahl?

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Wahlplakat von Karsai (Foto: AP)
Hat Hamid Karsai wirklich die Wahl gewonnen?Bild: AP

Die als erste wirklich pluralistische Präsidentschaftswahl in Afghanistan gefeierte Abstimmung vom 20. August entwickelt sich mehr und mehr zu einem Desaster. In ihrem mit Spannung erwarteten Bericht zu der umstrittenen Präsidentschaftswahl hat die Wahlbeschwerdekommission (ECC) die Auszählungsergebnisse in 210 Wahllokalen für ungültig erklärt. Es gebe "eindeutige und überzeugende Beweise für Betrug" in den Wahllokalen, erklärte die ECC am Montag (19.10.2009) in Kabul bei der Veröffentlichung des Berichts. Zu dem genauen Stimmverlust der Kandidaten wurden keine Angaben gemacht.

Stimmen werden für ungültig erklärt

Hand an der Wahlurne (Foto: AP)
Hunderttausende Stimmen wurden angeblich gefälschtBild: AP

Die Wahlbeschwerdekommission erklärte, sie habe die Wahlkommission aufgefordert, "einen bestimmten Prozentanteil der Stimmen für jeden Kandidaten" für ungültig zu erklären. Die "Entscheidungen und Anordnungen" seien "endgültig und verbindlich". Von der Annullierung von Stimmen seien Wahllokale im ganzen Land betroffen. Insgesamt wurde in 25.450 Wahllokalen gewählt.

Aufgrund des Berichts muss Amtsinhaber Hamid Karsai womöglich doch in einer Stichwahl gegen seinen schärfsten Rivalen Abdullah Abdullah antreten. Die endgültige Entscheidung trifft allerdings die unabhängige Wahlkommission, die als Karsai-freundlich gilt. In den am Montag veröffentlichten Dokumenten gab es keine Angaben, wieviele Stimmen den Kandidaten aberkannt wurden.

Wahlbetrug im großen Stil?

Abdullah an der Wahlurne (Foto: AP)
Karsais Widersacher Abdullah bei seiner StimmabgabeBild: AP

Karsai hatte bei der Wahl am 20. August nach vorläufigen Ergebnissen rund 55 Prozent der Stimmen erzielt, der frühere Außenminister Abdullah rund 28 Prozent. EU-Beobachter stuften jedoch jede vierte abgegebene Stimme wegen Betrugsvorwürfen als "verdächtig" ein. Ein westlicher Diplomat sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Stimmenanteil für Karsai sei auf etwa 48 Prozent nach unten korrigiert worden. Die ECC wollte diese Zahl allerdings nicht bestätigen.

Sollte Karsai unter die 50 Prozent-Marke fallen, wäre eine Stichwahl fällig. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf ungenannte westliche Diplomaten, Karsai-Anhänger hätten landesweit Stimmen in 800 Wahllokalen gefälscht, die nie geöffnet wurden, und weitere 800 zum selben Zweck "übernommen", indem schon bei der Rekrutierung eigene Leute in das Wahlpersonal eingeschleust wurden oder indem Polizei oder Stammesmilizen dort "einmarschiert" sind.

Wahlzettel ohne Unterschriften

Als Beweise für die Betrugsvorwürfe nannte die ECC Wahllokale, in der die Hälfte, in manchen Fällen sogar alle Wahlzettel gleiche Markierungen aufgewiesen hätten. In anderen Fällen seien die Wahlzettel nie gefaltet worden. In einigen Fällen wurden Wahlzettel für ungültig erklärt, wenn nicht so viele Stimmzettel in die Wahlurne gepasst hätten, wie aus dem Ergebnis hervorging, oder wenn auf den Dokumenten mit den Auszählungsergebnissen die Unterschrift der Verantwortlichen fehlte.

Bereits vor Veröffentlichung des Berichts hatte die schwedische EU-Ratspräsidentschaft Karsai aufgefordert, gegebenenfalls einer Stichwahl zuzustimmen. Wenn die Ergebnisse des ersten Wahlgangs einen zweiten notwendig machen, dann müsse dieser abgehalten werden, sagte der schwedische Außenminister Carl Bildt in Brüssel.

Karsai ist sauer auf Journalisten

Der schwedische Außenminister im Portrait (Foto: AP)
Carl Bildt fordert Karsai auf, einer Stichwahl zuzustimmenBild: AP

In einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon soll Karsai inzwischen zugesichert haben, sich an die Verfassungsregeln seines Landes zu halten. Nach Angaben von US-Außenministerin Hillary Clinton, die ebenfalls mit Karsai telefonierte, will der afghanische Präsident an diesem Dienstag eine Erklärung zu seinen weiteren Absichten abgeben.


Autor: Marcus Bölz (ap/dpa/afp/epd)

Redaktion: Dirk Eckert