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Karlsruhe: Auslieferung von Maja T. an Ungarn unzulässig

6. Februar 2025

Es geht um eine linksextreme nicht-binäre Person aus Deutschland, die wegen Straftaten in Budapest ausgeliefert wurde. Doch laut Bundesverfassungsgericht war die Prüfung der Haftbedingungen in Ungarn unzureichend.

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Stehende  Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe bei einer Urteilsverkündung
Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (Archivfoto) Bild: Uli Deck/dpa/picture alliance

Die Auslieferung eines mutmaßlichen Linksextremisten von Deutschland nach Ungarn ist unzulässig gewesen. In einem Beschluss rügt das Bundesverfassungsgericht eine unzureichende Aufklärung der dortigen Haftbedingungen durch das zuständige Berliner Kammergericht.

In dem Verfahren geht es um Maja T., eine in Jena geborene Person, die in der linksextremen Szene aktiv ist. Der sich selbst als nicht-binär einordnende Mensch soll Anfang Februar 2023 - zusammen mit anderen mutmaßlichen Linksextremisten - Sympathisanten der rechtsextremen Szene in Budapest angegriffen und verletzt haben. Im Dezember wurde er in Berlin festgenommen. Das dortige Kammergericht erklärte dann am 27. Juni 2024 seine Auslieferung nach Ungarn für rechtmäßig.

Marsch von fahnenschwenkenden Rechtsextremisten aus mehreren Ländern am 11. Februar 2023 in Budapest
Marsch von Rechtsextremisten aus mehreren Ländern am 11. Februar 2023 in Budapest Bild: Martin Fejer/Joker/picture alliance

Anordnung aus Karlsruhe eine Stunde zu spät

Obwohl bereits eine Verfassungsbeschwerde anhängig war, wurde er in der folgenden Nacht den ungarischen Behörden übergeben. Eine am 28. Juni ergangene einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts, welche die Überstellung bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagte, kam damals knapp eine Stunde  zu spät. Die Person befindet sich derzeit in einem ungarischen Gefängnis. Ihr Anwalt Sven Richwin spricht sogar von Isolationshaft. 

Wie nun die Richter in Karlsruhe entschieden, hätte der Mensch nicht ausgeliefert werden dürfen. Zur Begründung verwiesen sie auf das Verbot unmenschlicher Behandlung nach der EU-Grundrechtecharta. Das Berliner Kammergericht habe aktuelle Informationen zu Überbelegung und Haftbedingungen in ungarischen Gefängnissen nicht ausreichend geprüft. Die Klägerin hatte sich mit Hinweis auf ihre Geschlechtsidentität auf Artikel 4 der Charta berufen.

Das Gebäude des Berliner Kammergerichts am Kleistpark
Das Gebäude des Berliner Kammergerichts am Kleistpark Bild: picture alliance/Bildagentur-online/Joko

Das Urteil ist politisch brisant, weil das Bundesverfassungsgericht den schriftlichen Zusagen der ungarischen Behörden ausdrücklich nicht glaubt, dass non-binäre Personen keine Diskriminierung oder Gewalt in ungarischen Gefängnissen zu fürchten haben. Ob Deutschland nun die Rücküberstellung beantragt, ist noch unklar.

Maja T. nach Verurteilung zurück nach Deutschland?

Der Prozess gegen Maja T. soll laut ihrem Anwalt am 21. Februar in Budapest beginnen. Gegen ein Geständnis ohne weitere Verhandlung seien der Person 14 Jahre Haft angeboten wurden. Lasse sie sich darauf nicht ein, könne das Verfahren noch Jahre dauern, so Richwin weiter.

Bei einer Verurteilung drohten sogar bis zu 24 Jahre Haft - viel mehr als in Deutschland möglich. Ungarn hat bereits zugesagt, dass Maja T. nach einem Urteil zurück nach Deutschland überstellt werde. Dann könnte die Person die Strafe in der Bundesrepublik verbüßen.

In dem Zusammenhang laufen noch weitere Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Linksextremisten. Die Beschuldigten waren lange untergetaucht. Im Januar hatten sich sieben Personen den deutschen Behörden gestellt. Laut einer Erklärung ihrer Anwälte erfolgte dies "freiwillig, trotz drohender Auslieferung", um sich gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen.

sti/se (afp, dpa, rtr)