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Kaduna: Die gespaltene Stadt

Katrin Gänsler29. Dezember 2013

Kaduna war einst eine aufstrebende Stadt. Die Textilindustrie lockte Menschen aus ganz Nigeria an, egal welcher ethnischen Gruppe oder Religion sie angehörten. Heute ist keine andere Stadt im Land so gespalten.

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Polizisten auf einem Panzer in Kaduna Foto: Getty Images
Bild: Getty Images

Habilah Yerima räumt seinen Laden auf. Mit einem lauten Klirren landen die leeren Pfandflaschen in den Getränkekisten. Neben Softdrinks verkauft der 35-Jährige Süßigkeiten und Telefonkarten. Sein Kiosk ist eines der wenigen Geschäfte in Rido, einem Stadtteil von Kaduna, der weit entfernt vom Zentrum liegt. Trotzdem läuft das Geschäft schleppend. Habilah Yerima ist frustriert: "Viele Menschen sind arbeitslos", sagt er. Das sei ein Grund, weshalb die Kunden häufig ausblieben.

Noch viel mehr als der schlechte Umsatz ärgert ihn aber die schwierige Sicherheitslage in seiner Heimatstadt. In den vergangenen Monaten ist es in Kaduna zwar ruhig geblieben, wozu auch die vielen Straßensperren in der Stadt beitragen. Trotzdem ist der Frieden brüchig. "Früher war das Leben friedlich und normal", erinnert er sich. "Aber heute gibt es nicht einmal mehr zu Hause Sicherheit."

Der Fluss trennt die Stadt

Seit vielen Jahren lebt Habilah Yerima schon im Süden Kadunas. Er ist Christ, so wie die meisten seiner Nachbarn. Dass es nur wenige Muslime in Rido gibt, liegt an gewaltsamen Ausschreitungen, die schon mehr als zehn Jahre zurückliegen: Im Jahr 2000 protestierten Christen gegen die Einführung der Scharia. Bei Auseinandersetzungen mit Muslimen kamen innerhalb weniger Tage mehrere hundert Menschen ums Leben. Zwei Jahre später gab es im Norden Nigerias während der Miss-World-Wahl Straßenschlachten zwischen Christen und Muslimen, bei denen ebenfalls hunderte Menschen starben. Auslöser war ein Zeitungsartikel, der - so empfand das die muslimische Gemeinschaft - den Propheten beleidigt hätte.

Habilah Yerima Händler aus Kaduna Nigeria (Foto: Katrin Gänsler)
Habilah Yerima vor seinem LadenBild: DW/Katrin Gänsler

Aus Angst vor neuen Gewaltausbrüchen zog damals die große Mehrzahl der Christen in den unterentwickelten Süden Kadunas. Eine quasi natürliche Trennlinie zum Rest der Stadt ist der gleichnamige Fluss. Es ist eine überraschende Entwicklung für Elisha Buba Yero gewesen, der früher den Gouverneur in christlichen Fragen beraten hat. "In den 1980er Jahren wollte kaum jemand im Süden der Stadt leben", erinnert er sich. Der Süden hätte zu wenig Einrichtungen, eine zu schlechte Anbindung an das Stromnetz und zu wenig öffentliches Leben geboten.

Lieber muslimische Freunde

Heute ist Kaduna gespalten. Auf den ersten Blick fällt das nicht auf. Auf dem Markt im Zentrum Stadt kaufen Christen und Muslime ein. Sie arbeiten nach wie vor in denselben Geschäften und Büros. Doch gerade die junge Generation, die in der geteilten Stadt aufgewachsen ist, meidet Andersgläubige zumeist. Zum Beispiel der 28-jährige Muhammed Jamila: Er ist Muslim und fast alle seine Freunde sind das auch - obwohl er im überwiegend christlichen Rido lebt. "Christen und Muslime kommen nicht zusammen, um darüber zu sprechen, wo das Problem liegt und Lösungen zu entwickeln." Das sei das Hauptproblem, glaubt er.

In Tühcer gehüllte Leichen nach Zusammenstoßen in Kaduna Foto: Getty Images
Im Zuge der Miss-World-Wahlen kam es in Kaduna zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Christen und MuslimenBild: Getty Images

Dabei bemühen sich verschiedene Gruppierungen durchaus um einen interreligiösen Dialog. Anfangs waren es hauptsächlich kleine, nichtstaatliche Organisationen. Sie erreichen jedoch nur Menschen, die ohnehin dafür aufgeschlossen sind. Aber gerade wer in den Kämpfen von 2000 und 2002 Verwandte und Freunde verloren hat, ist oft zu verbittert für schlichtende Gespräche.

Sicherheit kostet viel Geld

Inzwischen hat auch die lokale Regierung begriffen, wie wichtig religionsübergreifende Initiativen sind: "Die Regierung spielt die Hauptrolle und stellt sicher, dass die Menschen in Frieden leben", sagt Mukhtar Ramalan Yero, Gouverneur des Bundesstaates Kaduna. Für ihn hat das auch einen ganz praktischen Grund: Es ist kostspielig, wenn ein Bundesstaat andauernd in Sicherheit investieren muss. "Wenn wir sicherstellen, dass die Menschen in Frieden leben, dann können wir das Geld stattdessen für die Entwicklung nutzen. Frieden und Entwicklung gehören zusammen", so der Gouverneur.

Muhammed Jamila (2.v.l.) zusammen mit seinen muslimischen Freunden Foto: Katrin Gänsler
Muhammed Jamila (2.v.l.) zusammen mit seinen muslimischen FreundenBild: DW/Katrin Gänsler

Doch dass großangelegte Workshops oder Konferenzen für ein friedliches Zusammenleben reichen, daran will Muhammed Jamila nicht so recht glauben. Dafür, dass in Kaduna noch immer Misstrauen zwischen Christen und Muslimen herrscht, macht er die Politik verantwortlich: Sie habe sich zu lange nicht um das Problem gekümmert. "Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die schlechte Führung unseres Landes Schuld an der Misere ist." Der junge Mann seufzt: "Es ist wirklich bedauerlich: Wir leben in einem großartigen Land, aber wir profitieren nicht davon."