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Junge ungarische Autoren nutzen Netzwerke

Christian Erdei17. Oktober 2008

Junge Autoren fehlt oft das Geld, um sich auf dem Büchermarkt zu etablieren. In Ungarn versuchen sich die kreativen Köpfe mit Netzwerken gemeinsam aus den finanziellen Nöten zu helfen.

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Bücherstapel
Es ist schwer, sich als junger Autor im Überangebot von Büchern durchzusetzenBild: picture alliance/dpa

Orfű - Ein Dorf im Süden Ungarns. Am Waldrand, in einem kleinen Haus mit Garten, wohnt Robert Halmai. Er ist 30 Jahre alt und Schriftsteller. Halmai schreibt vor allem Gedichte und seit einiger Zeit auch Erzählungen.

Zigaretten und welke Blätter

Panoramabild Budapest am Abend
Halmais Geschichten spielen oft in der GroßstadtBild: AP

In seinen Texten geht es häufig um das Leben in der Großstadt, wenngleich er selbst inzwischen auf dem Land lebt. „Ich bin in der Stadt aufgewachsen und habe auch später dort noch gelebt“, erzählt Halmai. Das hab großen Einfluss auf seine Arbeit als Autor.

Er schreibe über einfache Dinge, die im Alltag geschehen: über die Erotik eines heruntergerutschten Slips, über eine weggeworfene Zigarette oder das verwelkte Blatt eines Kastanienbaums. Das meiste, was er schreibe, denke er sich einfach aus.

Als Nebenjob Schriftsteller

Robert Halmai kann von seinen Einkünften als Schriftsteller nicht leben. Tatsächlich machen sie nur einen kleinen Teil seines Einkommens aus. In seinem Hauptberuf organisiert er kulturelle Veranstaltungen in der nahe gelegenen Stadt.

Auch der 36-jährige Schriftsteller Robert Balogh berichtet, dass er sich nur mit Nebenjobs finanziell über Wasser halten kann. Und dabei ist Balogh bereits ein eingeführter Autor. Bislang hat er acht Gedichtbände und Erzählungen veröffentlicht.

Er wohnt in Pécs und behandelt in seinen Werken Fragen der Identität. Er schreibt über Eindrücke und Gefühle des Alltags. Für „normale“ Schriftsteller sei es in Ungarn fast unmöglich, von ihren Publikationen zu leben, berichtet Robert Balogh.

Stars haben Vorrang

Frau steht in Buchhandlung und liest Buch von Stephen King
In den Buchhandlungen dominieren sie StarsBild: dpa

„In den Regalen in den Buchhandlungen stehen fast nur die Bücher von so genannten Star-Autoren“, erzählt Balogh. Als normaler Autor sei es schwer, veröffentlicht zu werden. Man brauche gute Kontakte.


Vor kurzem habe er ein längeres Gedicht in einer bekannten Zeitschrift veröffentlicht und dafür etwa 100 Euro bekommen. „Wie soll man davon leben?“ fragt der Schriftsteller. Die Autoren hier in Ungarn versuchten alle, Stipendien zu ergattern. „Ich persönlich redigiere zum Beispiel auch eine Internetseite, schreibe Literatur-Kritiken und organisiere Veranstaltungen. So komme ich irgendwie über die Runden“.

Netzwerke zum Überleben

Viele Autoren in Ungarn sind inzwischen Netzwerken beigetreten, die ihnen bei ihrem täglichen Überlebenskampf helfen. Robert Balogh zum Beispiel leitet eine kleine Gruppe, in der sich junge Autoren austauschen.

Die Gruppe fand im Wesentlichen über Mundpropaganda zusammen. Sie ist eine von vielen kleinen Autorengruppen im Land. Darüber hinaus gibt es in Ungarn auch noch einen richtig großen Verein für junge Autoren. Auch er macht klassische Netzwerk-Arbeit und heißt „Attila József Literaturkreis“.

Der Name stammt von einem ungarischen Dichter, der Anfang des 20. Jahrhunderts lebte. Der Verein hat inzwischen 350 Mitglieder. Die Gruppen organisieren Veranstaltungen und Schreibwerkstätten.

Das erste Mal

Außerdem unterstützen sich die Mitglieder bei der Suche nach Stipendien und Publikations-Möglichkeiten. Der Vorsitzende András Gerevich ist stolz auf das Netzwerk:


„Wir unterstützen die Autoren dabei, ihre Bücher zu veröffentlichen“. Für viele sei es das erste Buch. Die jungen Leute nutzten dasNetzwerk als eine Art Sprungbrett. „Außerdem arbeiten wir hier auch gemeinsam“, so Gerevich.

Er weiß allerdings, dass auch ein gut arbeitendes Netzwerk nicht alle Probleme lösen kann: Der Verband hat kein Patentrezept gegen Geldnot und kann sich nur grundsätzlich für eine bessere Bezahlung von literarischen Texten einsetzen.

Für die Vielfalt

Das sei auch bitter nötig, berichtet Robert Balogh. Denn nur so könne die bunte Stilpalette der Autoren bewahrt werden. Es gebe zum Beispiel Schriftsteller, formal klassische Gedichte schreiben. Aber inhaltlich beschäftigten sie sich dabei mit ganz aktuellen Themen.

Dann gebe es Schriftsteller, die sich der traditionellen ungarischen Literatur sehr verbunden fühlten. „In Ungarn ist es so, dass die meisten jungen Autoren tatsächlich zunächst Gedichte schreiben. Später dann auch Romane oder Theaterstücke“, sagt Balogh.

Seit einiger Zeit seien auch Drehbücher sehr beliebt. Die ost-europäische Literatur unterscheide sich durchaus von der westeuropäischen. „Wir haben hier andere Probleme als die Menschen in Westeuropa. Eine andere Einstellung zum Leben.“ Durch die Globalisierung würden die Unterschiede aber geringer. Um das bunte ungarische Literaturleben beizubehalten, müsse man den jungen Autoren mehr Chancen geben.