Jung fordert Taliban zur Mithilfe auf
11. März 2009Bei seinem Truppenbesuch in Afghanistan hat Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung an gemäßigte Taliban appelliert, beim Wiederaufbau ihres Landes mitzuwirken. "Ich kann nur die Taliban auffordern, der Gewalt abzuschwören und sich zu engagieren für eine friedliche Entwicklung", sagte Jung am Dienstag (10.03.2009) in Masar-i-Scharif. Er betonte zugleich, die afghanische Regierung von Präsident Hamid Karsai müsse bei eventuellen Verhandlungen mit gemäßigten Taliban auch dafür Sorge tragen, dass sich diese von der Gewalt distanzierten. Mit seinen Äußerungen reagierte Jung auf einen Vorstoß von US-Präsident Barack Obama vom Wochenende.
In einem Interview mit der "New York Times" hatte sich Obama offen für Kontakte zu gemäßigten Taliban gezeigt. Er verwies dabei auf gute Erfahrungen bei einer Annäherungen an islamische Stammesführer im Irak. Dies habe sich erfolgreich für eine Befriedung des Landes erwiesen.
Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed lehnte Gespräche aber ab. Er sagte "Spiegel Online", solche Angebote an die Aufständischen seien sinnlos. In Afghanistan gebe es keine gemäßigten Taliban, sondern "nur eine Taliban-Bewegung". Und diese Bewegung sei nicht zu Verhandlungen bereit, betonte Mudschahed.
Deutschland will Engagement verstärken
Jung kündigte im nordafghanischen Masar-i-Scharif an, Deutschland werde seine Truppe vor Ort um 600 Soldaten aufstocken. Zugleich werde das Engagement für den zivilen Aufbau deutlich verstärkt und die Ausgaben dafür im laufenden Jahr von 80 auf 170 Millionen Euro erhöht. Zuvor hatten die USA die NATO-Verbündeten angesichts der Lage in Afghanistan zu mehr Engagement aufgefordert. US-Vizepräsident Joe Biden sagte am Dienstag in Brüssel zu Vetretern des Militärbündnisses, die sich verschlechternde Situation in der Region stelle nicht nur für die USA, sondern für jeden NATO-Staat eine Gefahr dar.
Mit einem historischen Spatenstich startete Jung am Dienstag in Masar-i-Scharif den Bau der neuen Start- und Landebahn. Der deutsche Verteidigungsminister nannte das 30 Millionen Euro teure Projekt einen wichtigen Impuls für die Wirtschaft und für die Sicherheit in Afghanistan. Der Flughafen am deutschen Feldlager soll nach Vollendung international angeflogen und sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden.
Fortschritte bei der Polizei-Ausbildung
Ein weiteres Augenmerk richtete Jung bei seiner Reise auf die Unterstützung für den Aufbau der afghanischen Polizei. Nach seinem Besuch in einer mit deutscher Unterstützung errichteten Polizeiakademie in Masar-i-Scharif äußerte er sich zufrieden über die Fortschritte bei der Ausbildung. "Ich finde, es geht hier sehr gut voran", so Jung. Deutsche Polizisten und auch Feldjäger der Bundeswehr trainieren in dem Ausbildungszentrum afghanische Polizisten. Künftig sollen jährlich bis zu 1000 Afghanen dort ausgebildet werden.
Jung sagte, auch bei der Zusammenarbeit bei der Polizieausbildung auf europäischer Ebene gebe es einen positiven Trend. Gleichwohl forderte der deutsche Minister mehr Engagement der Europäischen Union. Der Aufbau in Afghanistan müsse schnellstmöglich vollzogen werden. Von deutscher Seite hatte es wiederholt Kritik gegeben, dass einige Staaten ihren Verpflichtungen nicht nachkämen. Derzeit hat die EU 200 Polizei-Ausbilder in Afghanistan im Einsatz. Laut früheren Absprachen sollten es aber bereits 400 sein.
Mission in Afghanistan ist schwierig
Inzwischen traf der Minister im nordafghanischen Kundus ein. Dort kam er am Mittwoch zu Gesprächen mit Stammesführern zusammen. In Kundus unterhält Deutschland ein regionales Wiederaufbauteam. Nur wenige Stunden zuvor waren auf das dortige deutsche Feldlager Raketen abgefeuert worden. Die Geschossen landeten nach Angaben der Bundeswehr vermutlich außerhalb des Lagers. Verletzt wurde niemand.
Letzte Station der Aghanistan-Reise Jungs ist die Hauptstadt Kabul, wo ein Treffen mit seinem Kollegen Abdul Wardak geplant ist. Ein Thema soll die Ausbildung und Ausrüstung der afghanischen Armee sein. Wie die NATO-geführte ISAF mitteilte, wird Jung am Mittwoch außerdem in der afghanischen Hauptstadt mit dem Kommandeur der Internationalen Schutztruppe, US-General David McKiernan, zusammentreffen.
Jung bezeichnete die Mission der Bundeswehr in Afghanistan als schwierig. In Feisabad habe sich die Sicherheitslage stabilisiert, in Kundus sei sie kritisch, so der Verteidigungsminister. Derzeit sind rund 3800 deutsche Soldaten für ISAF in Afghanistan im Einsatz. Damit ist Deutschland nach den USA und Großbritannien drittgrößter Truppensteller. Laut Bundestagsmandat kann Deutschland insgesamt bis zu 4500 Soldaten entsenden. In Masar-i-Scharif hat die Bundeswehr ihren größten Standort außerhalb Deutschlands. Dort sind rund 2000 Soldaten stationiert. (kis/kle)