Jonas Burgert: "Am Ende bleibt schöner Dreck"
28. April 2017Seine Bilder und Skulpturen zeigen bizarre Gestalten und rätselhafte Wesen. Jonas Burgert, Jahrgang 1969, ist einer der spannendsten Künstler der zeitgenössischen Figuration. Er lebt und arbeitet in seiner Geburtsstadt Berlin. Mit seinen eindringlichen Bilderwelten, die dem figürlichen Malen entspringen, erreicht er inzwischen ein großes Publikum. Vor kurzem widmete ihm das Museum für Zeitgenössische Kunst in Bologna eine eigene Ausstellung. Beim BerlinerGallery Weekend, ein viel beachteter Galerienrundgang, ist Burgert mit einer Einzelausstellung in der Galerie BlainSouthern vertreten.
DW: Wenn jemand aus einer anderen Zeit oder von einem anderen Stern Sie nach Ihrer Arbeit fragen würde, was würden Sie ihm sagen?
Jonas Burgert: Im Prinzip bin ich hier in Berlin geboren und male Bilder. Ich habe irgendwann einmal entschieden, durch die Transformationsebene der Malerei über Menschheit zu sprechen. Ich hatte das Bedürfnis, über die modischen Aspekte der Zeit hinweg über Menschen nachzudenken, Menschen zu erfinden und zu bauen. Das ist natürlich ganz dünnes Eis - das kann ganz schnell, ganz fürchterlich aussehen. Das Risiko ist groß. Aber ich fand, lieber scheitere ich an dem Versuch, als dass ich es gar nicht versuche.
Sie sind ja auch ein großes Risiko eingegangen, als Sie sich vor gut 15 Jahren entschieden, figürlich zu malen. Und das in einer Zeit, als Gerhard Richter in Deutschland und Mark Rothko in den USA mit abstrakten Bildern den Ton angaben. Wieso entschieden Sie sich für einen Malstil, der ja bis heute noch eine Außenseiterposition einnimmt?
Ich habe früher lange Jahre ungegenständlich gearbeitet, wie viele andere auch. Irgendwann hatte ich das Bedürfnis, etwas anderes zu machen. Mir fehlte etwas. Ich hatte das Gefühl, ich möchte da rein, ich möchte diesen Subtext benennen, das, was den ganzen Sachen zugrunde liegt. Es ist doch so, dass wir permanent eine existenzielle Frage in uns haben: Dieses dauerende Auf und Ab zwischen Hoffnung und Scheitern. Diesen Prozess spüren wir in uns - ununterbrochen. Wir alle wissen zum Beispiel, was ein Baum ist, und zugleich haben wir alle keine Ahnung, was ein Baum wirklich ist. Und diese Irritation, die wir als grundsätzliches Prinzip in unserem Leben haben, bedrängt uns als permanente Fragestellung und ist gleichzeitig wunderschön. Und ich habe gedacht, ich möchte das benennen. Ich möchte Erkennbarkeit in den Bildern haben.
Ihren Bildern ist anzusehen, dass Sie sehr intensiv empfinden.
Aber das ist eben auch das Leben. Ich glaube, dass wir vieles sehr intensiv empfinden, das dann aber sofort wegsortieren. Es ist ja auch anstrengend, diese Intensität die ganze Zeit zu leben, da würden wir ja verrückt.
Ich hatte immer das Gefühl, dass diese Art Intensität etwas ist, was ich bearbeiten will. Und deswegen habe ich damit irgendwann angefangen. Ich habe ja nicht gesagt, na ja, ich will unbedingt Maler werden oder sowas. Ich hatte vielmehr das Gefühl, welches Ventil finde ich, dass ich diese Dinge bearbeiten kann. Und das war dann für mich dieses visuelle Medium.
Sie lieben starke farbliche Kontraste und überwältigend große Bildformate. Was steht dahinter?
Ich will wirklich das, was ich empfinde, und was ich sehe, auch malen. Das ist dann, wenn man wirklich ehrlich ist und darüber nachdenkt, ziemlich maßlos. Wenn ich durch die Stadt laufe, habe ich 800 Gesichter gesehen. Das hört ja gar nicht auf, das ist völlig irre. Das kriege ich auf so ein Bild gar nicht drauf. Ich liebe es, wenn richtig was passiert. Ich finde es grandios, selbst wenn die Leute mich dafür in der Luft zerreißen. Aber ich finde es besser als den coolen Rückzug in die Fassade oder in die Theorie.
Ganz oft benutze ich Farbe als Bruch - ich reiße die Spanne der Farbe auf. Ich lasse die hellen gedämpften Neutralen als Mittler weg, nehme sozusagen sehr gedämpfte, sehr reduzierte Farben und setze sehr starke Farben dagegen. Und dadurch kommt so ein Widerspruch, so eine Unangenehmlichheit in die Sache rein.
Für das Gallery Weekend in Berlin haben Sie jetzt ein Bild gemalt, mit dem Sie noch einmal in eine neue Größendimension vordringen: Es ist 22 mal 6 Meter groß. Was hat Sie dazu getrieben?
Es war immer mein Traum. Und der Ort in der BlainSouthern Galerie erlaubt es, ein Werk in dieser Größe zu zeigen. Der Reiz für mich an einem so großen Bild war: Was passiert, wenn ich wirklich mal echt bin, in dem was ich tue und einmal nicht in die Reduktion gehe. Ich wollte die Welt 1 zu 1 abbilden, so wie ich sie sehe.
Wenn man an dem Bild entlanggeht, dann sieht man eine Vielzahl von Ereignissen und Querverbindungen. Können Sie etwas zum Mal-Prozess sagen?
Eigentlich sind es viele Schichten, die sich überlagern. Eine Schicht der Erkennbarkeit und Figürlichkeit wird gebrochen durch eine Schicht der Abstraktion oder andersrum. Und dadurch entsteht ein Prozess des Dazwischen. Mich interessiert der Subtext dahinter, nicht die naturalistische Darstellung. Insofern ist für mich diese Ambivalenz wichtig, der entscheidende Moment der Unklarheit, ganz kurz bevor irgendetwas klar wird oder kurz danach. Das birgt eine große Offenheit in sich. Bis hin zu einer leichten Fehlerhaftigkeit. Die hat Reichtum, finde ich.
Im Prinzip geht es auf dem Bild nachher um ein Klima, was ein permanentes Versuchen und Scheitern ist. Und im Endeffekt bleibt vielleicht schöner Dreck übrig.
Das Interview führte Gero Schließ.