Der Josephs-Roman auf der Bühne
18. Februar 2009DW-WORLD.DE: Herr von Düffel, wir treffen uns hier im Düsseldorfer Schauspielhaus anlässlich der Uraufführung Ihres Stückes 'Joseph und seine Brüder' nach dem Roman von Thomas Mann. Wie fühlt man sich, wenn man plötzlich das eigene Werk auf der Bühne sieht?
John von Düffel: Man fühlt sich natürlich einerseits erleichtert, dass es soweit gekommen ist. Das war auch ein langer, langer Weg. Nicht nur die vier Bände von diesem Josephs-Roman zu bearbeiten, sondern auch mit dem Theater nach der richtigen Form und Umsetzung zu suchen, in der die Sprache von Thomas Mann und auch die große Geschichte, die Mann erzählt, ihre ganze Kraft entfalten kann.
Es ist so wie beim Durchlaufen eines Zielbandes nach einem langen Marathon, einerseits. Und auf der anderen Seite steht natürlich die Siegerehrung noch aus, also die Reaktion des Publikums am Ende der Aufführung.
Wie viel Thomas Mann und wie viel John von Düffel ist denn drin in dem Stück?
Das kann ich, ehrlich gesagt, schon gar nicht mehr so genau sagen, weil ich mindestens eineinhalb Jahre mit dem Projekt gelebt habe. Ich habe schon versucht, den Kern dieser Josephsgeschichte zu ergründen und ihn auch sozusagen in der Verdichtung – so wie das Theater ihn braucht und verlangt - zu erzählen. Und ich denke, man spürt, dass Thomas Mann einen wahnsinnig guten Instinkt hatte für die Dramatik der Geschichte. Gleichzeitig befriedigt er die Sehnsucht nach Sprache in besonderer Weise, finde ich. Ich würde aber trotz allem sagen, es ist 99 Prozent Thomas Mann und vielleicht ein bisschen ich, aber nur ein ganz kleines bisschen, weil ich nur versucht habe, seine Sprache optimal zur Geltung zu bringen.
Haben Sie den Text bearbeitet, modernisiert?
Zunächst einmal muss man erzählerische Passagen transformieren oder arrangieren, so dass sie in der dramatischen Erzählung Sinn machen. Das große Thema des Romans, aber auch des Theaterabends, ist das Thema Identität. Wer ist man? Eine Ergründung der Frage nach dem, was der Mensch ist, was den Menschen ausmacht. Und da, finde ich, hat dieser Bibeltext, auf den Thomas Mann jetzt zurück geht, einige überraschende Antworten parat. Er führt sozusagen zurück an die Wurzel unserer Kultur und Zivilisation. Diese Zeit, wo sich unsere Gesellschaft, ihre Gebote und Gesetze geformt haben. Und man stellt fest, dass da sehr viel mit Lüge, Betrug, Eifersucht, Neid gearbeitet wurde - also mit all den Gefühlen, mit denen wir auch heute umgehen müssen. Die Zeiten waren nicht besser. Sie waren archaisch, die Konflikte waren vielleicht noch viel sichtbarer, noch spürbarer und das ist natürlich etwas, was dem Theater wiederum sehr dient.
Sie sind Dramaturg, Sie sind aber auch Journalist, Schriftsteller, Sie schreiben Romane. Und Sie sind Honorarprofessor. In welcher Rolle fühlen Sie sich am besten?
Das Schreiben und das Theatermachen gehört für mich zusammen. Das Schreiben ist sehr einsam und das Theater sehr gemeinsam. Und ich könnte eigentlich nicht ohne das eine oder andere leben. Das sind beides Arbeitsvorgänge, die ich nicht missen möchte. Insofern fühle ich mich eigentlich am wohlsten in der Verschiedenheit der Beschäftigung.
Sie treiben Sport, joggen, schwimmen, auch lange Strecken. Hilft Ihnen der lange Atem des Schwimmers gelegentlich bei der Arbeit? Insbesondere wenn Sie so dicke Bücher wie den Josephs-Roman von Thomas Mann bearbeiten?
Es gibt manchmal schon Ähnlichkeiten mit dem Ausdauersport. Also beim Romanlesen, aber vor allen Dingen auch beim Romanschreiben. Das sind natürlich so lange Lebensstrecken, die man ohne Disziplin und eine Form auch körperlicher, nicht nur geistiger Kondition nicht übersteht. Das heißt, wenn man glaubt, dass es Romane gibt in der Weltliteratur, die in einem großen Rausch, in einem Anflug von Genialität geschrieben worden sind, dann ist das ein Trugschluss. Jeder Roman ist eine unglaubliche Leistung an Selbstbeherrschung und Disziplin. Das klingt zwar nicht so erotisch, ist aber leider so.
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