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Volkes Wunschkandidat

20. Februar 2012

2010 war er ein "Sieger der Herzen", als er erst im dritten Wahlgang gegen Christian Wulff verlor. Jetzt tritt er erneut an. Nach Umfragen steht eine Mehrheit der Deutschen hinter Joachim Gauck. Ein Portrait.

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Der ehemalige DDR-Buergerrechtler, fruehere Leiter der Stasi-Unterlagen-Behoerde und Kandidat von SPD und Gruenen bei der Bundespraesidentenwahl 2010, Joachim Gauck, liest am Montag (09.01.12) in der Konzerthalle in Karlsruhe aus seiner Autobiographie "Winter im Sommer - Fruehling im Herbst". Foto: Ronald Wittek/dapd
Deutschland Joachim GauckBild: dapd

Als linken, liberalen Konservativen, vielleicht aber auch als konservativen liberalen Linken - so sieht Joachim Gauck selbst seine politische Richtung. Und zitiert damit den polnischen Philosophen Leszek Kolakowski. Gauck ist parteilos, aber ganz und gar nicht unpolitisch.

Schon 1999 hätten ihn Kreise der CSU gern gegen Johannes Rau ins Rennen geschickt. Das lehnte Gauck damals ab. Auch 2004, bei der ersten Nominierung von Horst Köhler, hatte manch einer eher in Gauck einen idealen Kandidaten gesehen.

Unter Beobachtung der Stasi

Nach persönlichen Erfahrungen in zwei Diktaturen bezeichnet Gauck "Freiheit" als sein großes Lebensthema. Jahrelang war sein Name vor allem mit der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit verknüpft.

Joachim Gauck nach der verlorenen Präsidentenwahl 2010 (Foto:apn)
Joachim Gauck nach der verlorenen Präsidentenwahl 2010Bild: AP

Joachim Gauck wurde mitten im Zweiten Weltkrieg, am 24. Januar 1940 in Rostock, geboren. Geprägt hat ihn, so schreibt er in seinen Erinnerungen, wie sein Vater 1951 wegen angeblicher Spionage vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet und für vier Jahre nach Sibirien deportiert wurde.

Mit diesem familiären Hintergrund und als Nichtmitglied der sozialistischen DDR-Jugendorganisation FDJ bekommt Gauck keinen Studienplatz für Germanistik. Stattdessen nimmt er 1958 ein Theologiestudium auf. Ab 1965 arbeitet er als Pastor der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg - erst in Lüssow, dann in Rostock.

Er lebt unter ständiger Beobachtung durch das Ministerium für Staatssicherheit, kurz MfS oder Stasi genannt. Als Dissident sieht sich Gauck in dieser Zeit dennoch nicht, sondern eher als Teil einer regimefernen Opposition und bis zu einem gewissen Grad geschützt durch die Institution Evangelische Kirche.

Die Kirche spielte dann im Wendejahr 1989 eine wichtige Rolle. Gauck wird Sprecher der Bürgerbewegung Neues Forum in Rostock. Er leitet die wöchentlichen Gottesdienste und führt die anschließenden Großdemonstrationen an. Ab März 1990 ist er Abgeordneter des Neuen Forums in der Volkskammer der DDR.

Hüter der Stasi-Hinterlassenschaften

In der Volkskammer übernimmt er eine Aufgabe, die ihn ein Jahrzehnt lang beschäftigen wird: die Sicherung der Hinterlassenschaften des MfS. Zwar hatten die Angehörigen des Spitzel- und Unterdrückungsapparates die Reißwölfe rund um die Uhr laufen lassen, als sich das Ende der SED-Herrschaft abzeichnete. Aber die landesweite Erstürmung der Stasi-Gebäude durch die Bevölkerung machte der Vertuschungsaktion ein Ende.

Ein Mitarbeiter der Bundesbehörde für die Stasiunterlagen zieht eine Akte. (Foto:picture-alliance/Bildarchiv)
Gauck leitete ab 1990 die Bundesbehörde für Stasi-UnterlagenBild: picture-alliance/Bildarchiv

Am 2. Oktober 1990 wird Joachim Gauck von der Volkskammer zum "Sonderbeauftragten für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR" ernannt und einen Tag später von Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl in diesem Amt bestätigt. Aus dem "Sonderbeauftragten" wird wenig später der "Bundesbeauftragte". Die von ihm geleitete Einrichtung wird im Sprachgebrauch schlicht und einfach zur "Gauck-Behörde".

Nach den zwei zulässigen Amtsperioden übergibt Joachim Gauck im Jahr 2000 die Geschäfte an seine Nachfolgerin Marianne Birthler. Seitdem bekleidet er keine politischen Ämter mehr - trotz diverser Angebote. Aber er meldet sich durchaus immer mal wieder zu Wort, nicht unbedingt zur Freude von DDR-Nostalgikern oder Politikern unter Stasi-Verdacht.

Breite Sympathien und linke Bauchschmerzen

Kein Wunder, dass die ganz linken Linken nun die größten Probleme damit haben, den linken, liberalen Konservativen ins Amt des Bundespräsidenten zu wählen. Die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch sah schon vor der letzten Präsidentenwahl in Gauck einen "Mann der Vergangenheit", der keine "Impulse für die Zukunft" setze. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, sagte, eine erneute Kandidatur von Gauck werde auch jetzt keine Unterstützung ihrer Partei finden. In den anderen politischen Lagern kann der 72-Jährige dagegen mit breiter Zustimmung rechnen.

Schon im Sommer 2010 wurde er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Mit dem späteren Bundespräsidenten Wulff lieferte er sich drei äußerst spannende Wahlgänge. Dass er bei der durch Horst Köhlers überraschenden Rücktritt nötig gewordenen Wahl letztendlich doch knapp an Wulff scheiterte, änderte nichts an seinem hohen Stellenwert.

Durch diesen Stellenwert wurde Joachim Gauck in der Debatte um die Nachfolge von Christian Wulff erneut schnell als Konsenskandidat gehandelt; tragbar für Regierungs- wie Oppositionsparteien. Gerade auch in weiten Teilen der CDU, deren Spitze sich am Sonntag kurzzeitig gegen ihn aussprach, besitzt der Ex-DDR-Bürgerrechtler große Sympathien. Darüber hinaus ist er ein Kandidat, mit dem die meisten Deutschen sich am ehesten anfreunden können: Einer repräsentativen Umfrage des Emnid-Instituts zufolge wünschen sich 54 Prozent der Bundesbürger Joachim Gauck als neuen Präsidenten.

Joachim Gauck gratuliert Christian Wulff zu dessen Wahl am 30. Juni 2010 (Foto:dpa)
Fairer Verlierer: Joachim Gauck gratuliert Christian Wulff zu dessen Wahl am 30. Juni 2010Bild: picture-alliance/dpa

Autor: Michael Gessat
Redaktion: Oliver Samson (kas/tl)