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PolitikAsien

Japan: Waffenexporte sollen der Ukraine dienen

Martin Fritz aus Tokio
22. Dezember 2023

Der nächste große Schritt weg vom Pazifismus der Nachkriegszeit in Asien soll auch die Geschäfte der japanischen Rüstungsindustrie ankurbeln. Martin Fritz aus Tokio.

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Japan - PAC-3-Abfangjäger in Okinawa
(Archiv) Flugabwehrsystem vom Typ Patriot PAC-3 in der Hauptstadt TokioBild: picture alliance/dpa

Japan lockert seine Beschränkungen für Rüstungsexporte, um der Ukraine auf indirektem Weg zu dringend benötigten US-Flugabwehrraketensystems Patriot zu verhelfen. Das Kabinett beschloss am Freitag (22.12.), die Lieferung von in Lizenz hergestellten Waffensystemen an die Länder der Lizenzgeber zu erlauben. Als erstes sollen die USA japanische Patriot-Abwehrraketen erhalten. Damit kam Premierminister Fumio Kishida einer Bitte von US-Präsident Joe Biden nach.

Mit der Regeländerung entfernt sich Japan einen weiteren großen Schritt von seinem Pazifismus der Nachkriegszeit. "Die Waffenexporte positionieren Japan als aktiven Akteur in der internationalen Sicherheitspolitik und als verlässlichen Partner der USA", sagte der deutsche Politologe Sebastian Maslow, der an der Shirayuri-Frauenuniversität in Sendai lehrt. Japan beteilige sich auf diese Weise auch direkt am Sicherheitskonstrukt Europas. "Der jetzige Schritt sollte daher als Teil der seit letztem Jahr vorangebrachten engeren Zusammenarbeit Japans mit der NATO betrachtet werden", sagte Maslow.

Die Patriot-Raketen werden von Mitsubishi Heavy Industries in Japan mit einer Lizenz der US-Firmen Lockheed Martin und RTX hergestellt. Die Regierung erwägt nach Informationen der Financial Times auch eine Ausfuhrgenehmigung für Artilleriegranaten Kaliber 155 mm, die mit einer Lizenz vom britischen Rüstungskonzern BAE System produziert werden, nach Großbritannien. In der Ukraine herrscht aktueller Mangel an diesen Geschossen.

Japan Neue nationale Sicherheitsstrategie
(Archiv) Streitkräfte von Japan heißen "Selbstverteidigungskräfte"Bild: Kazuhiro Nogi/AFP

Keine Weitergabe an Konfliktparteien

Ähnlich wie Deutschland gestattet Japan den Empfängerländern nach vorheriger Genehmigung den Weiterexport an Drittländer, aber nur, wenn diese nicht in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Das kommt aus einem internen Papier des japanischen Außenministeriums von 2014 hervor, das der DW vorliegt.18340602

Daher darf Washington die Raketen nicht direkt an die Ukraine weiterreichen. Doch könnte Washington die zur Neige gehenden Bestände in den USA und bei den europäischen NATO-Partnern auffüllen und somit die Versorgung der Ukraine sicherstellen. Die Raketen "geben uns einige Flexibilität bei unseren weltweiten Lagerbeständen und Verpflichtungen", erklärte Rahm Emanuel, der US-Botschafter in Japan.

Der damalige Premierminister Shinzo Abe hob 2014 das langjährige Verbot von Waffenexporten auf, das aus der pazifistischen Nachkriegsverfassung abgeleitet wurde. Jedoch galt dies nur die Ausfuhr von den sogenannten Dual-Use-Komponenten von US-Waffen oder von Systemen, die sich sowohl militärisch als auch zivil nutzen lassen. Seitdem schloss Japan mit 15 Ländern vor allem in Südostasien Lieferverträge. Bangladesch zum Beispiel erhält im nächsten Jahr vier Patrouillenschiffe, die Philippinen bekamen Radarwarnanlagen "Made in Japan".

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Export tödlichen Waffensystems

Die Patriot-Raketen wären der erste Export eines tödlichen Waffensystems und markieren daher einen weiteren Wendepunkt der japanischen Sicherheitspolitik, die auf die Aufrüstung der Nachbarn China und Nordkorea reagiert.

Premierminister Fumio Kishida will den Verteidigungsetat bis 2027 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppeln. Diese militärische Aufrüstung mache Japan zu 80 Prozent zu einem "normalen Land", erklärte Akihisa Nagashima, Verteidigungspolitiker der regierenden Partei LDP. "Die verbleibenden 20 Prozent sind die Beseitigung der Exportbeschränkungen."

Japan | Rüstung | FH70 Feldhaubitze
(Archiv) Manöver der japanischen SelbstverteidigungskräfteBild: Morio Taga/dpa/picture alliance

Hilfe für Japans Rüstungsindustrie

Mehr rechtlicher Spielraum für Waffenexporte soll auch Japans Rüstungshersteller stützen. Die früheren Beschränkungen und die lange Abwesenheit auf dem Weltmarkt verhinderten bislang größere Aufträge. "Japans Rüstungsindustrie ist trotz der ambitionierten Sicherheitspolitik seit Premier Abe international kaum wettbewerbsfähig", meinte Experte Maslow.

Nun könnten die USA und die NATO japanische Produktionskapazitäten für eine schnellere Aufrüstung benutzen. Die Revision erlaubt es Japan auch, nicht-tödliche Waffenkomponenten wie Flugzeugtriebwerke zu verkaufen und Verteidigungsausrüstung an Länder zu liefern, die sich wie die Ukraine gegen eine völkerrechtswidrige Invasion verteidigen.

Japan Militär Ausrüstung
Helikopter vom Typ CH-47 der japanischen Streitkräfte Bild: David Mareuil/AA/picture alliance

Darüber hinaus soll die gemeinsame Entwicklung eines Kampfjets mit Großbritannien und Italien den Zugang zu ausländischen Märkten erleichtern. Allerdings blockiert die von buddhistischen Wählern unterstützte Komei-Partei, der kleine Koalitionspartner der regierenden LDP, die Exporte von Waffen, die nicht in Lizenz produziert werden. Dieser Widerstand gilt dem Weiterverkauf des geplanten Kampfjets.

Als die drei Länder vergangene Woche in Tokio das Abkommen über die Entwicklung des Flugzeugs unterzeichneten, fragte der britische Verteidigungsminister Grant Shapps, wie sich das Projekt denn ohne Japans Zustimmung zum Verkauf an andere Länder vorantreiben ließe. Damit wollte er sagen, dass sich die Entwicklung des Kampfjets ohne eine Verkaufsoption nicht rechnet. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Die LDP will sich bis Ende Februar mit der Komei-Partei über eine weitere Lockerung der Exportregeln einigen.