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PolitikAsien

Japan verschärft sein Asylrecht

Martin Fritz
4. Mai 2021

Japan fuhr schon immer eine sehr restriktive Ayslpolitik. Nun sollen Abschiebungen leichter möglich werden, was Menschenrechtler auf den Plan ruft.

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Japan Flüchtlinge
Protest in Tokio 2016 gegen die restriktive Flüchtlingspolitik der Regierung Bild: Picture alliance/NurPhoto/A. Di Ciommo

Das japanische Parlament wird möglicherweise schon am Freitag dieser Woche eine Verschärfung des Asylrechtes beschließen. Dann kann Japan Asylbewerber abschieben, sobald der zweite Asylantrag abgelehnt wurde. Auf diese Weise will die Regierung die Zahl der Fälle von Langzeitinhaftierungen verringern, die Anwälte und Menschenrechtler seit Langem als inhuman und widerrechtlich kritisieren. Die Möglichkeit, immer wieder einen neuen Asylantrag zu stellen, verführe zu einem Missbrauch des Systems, rechtfertigte Justizministerin Yoko Kamikawa das Gesetzesvorhaben. "Damit versuchen viele Ausländer, ihre Deportation zu verzögern, und verlängern dadurch die Zwangsunterbringung in einem Abschiebezentrum."

Der Widerstand ist jedoch groß: Zwei Hilfsorganisationen übergaben dem Justizministerium insgesamt 150.000 Protestunterschriften. Die Essayistin Keiko Kojima warf der Regierung "pures Mobbing" vor: "Ich bekomme Angst bei der Einsicht, dass dieses Land die Menschenrechte ignoriert und kein sicherer Ort zum Leben ist." Ein UN-Sonderberichterstatter forderte eine Verbesserung des Gesetzentwurfes, der "in mehrfacher Hinsicht nicht den internationalen Standards in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte von Einwanderern entspricht."

Die Regierung in Tokio verweist darauf, dass das neue Gesetz es Ausländern ermöglichen würde, bis zur Deportation unter bestimmten Umständen bei ihrer Familie oder Unterstützern zu bleiben. Aber die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierung und drei andere UN-Abteilungen lehnen das Gesetz ab, weil es an der Praxis der unbegrenzten Haftdauer ohne rechtliche Überprüfung nichts ändern würde. Ein Kompromiss sei nur schwer möglich, meinte der Völkerrechtler Koki Abe von der Meiji Gakuin-Universität. "Japan will seine Grenzen schützen, aber die Vereinten Nationen die Menschenrechte", sagte Abe.

Japan Tokio Flüchtlings-Frau arbeitet in Nagelstudio
Aus Myanmar Geflohene arbeitet in Tokioter NagelstudioBild: Getty Images/AFP/T. Kitamura

Massiver Druck gegen Deportationsverweigerer

Seit Jahren geht Japan hart gegen Flüchtlinge vor, um Nachahmer abzuschrecken. Im Vorjahr erhielten nur 47 Personen Asyl. Die Anerkennungsquote von 1,2 Prozent war 20 Mal kleiner als in Deutschland, da die Bewerber die Gefährdung ihres Lebens im Fall einer Rückkehr in ihre Heimat konkret nachweisen müssen. Flüchtlinge mit mehrfachen Asylanträgen und Ausländer mit abgelaufenem Visum, die jeweils eine Deportation verweigern, werden systematisch zermürbt. Sie erhalten keine staatlichen Hilfen, aber dürfen auch nicht arbeiten, was zur Schwarzarbeit zwingt. Wer deportiert werden soll, kann sich auch nicht krankenversichern. Als weiteres Druckmittel dient die teilweise dauerhafte Inhaftierung in einem von fünf Abschiebezentren. Dort sind aktuell 1300 Ausländer eingesperrt, mehr als die Hälfte davon länger als sechs Monate, einige sogar seit über fünf Jahren.

Ihre Lebensumstände sind weit schlechter und rechtloser als in einem regulären Gefängnis - kein Freigang, keine Beschäftigungsmöglichkeit, beschränkte Besuche, schlechte medizinische Versorgung und willkürliche Entlassungen und Neuinhaftierungen. Auf diese Weise will Japan eine Deportation erzwingen. Doch die grausamen Zustände haben bereits 18 Menschenleben gefordert. Einige Insassen starben aus Verzweiflung von eigener Hand, andere infolge eines Hungerstreiks oder ihrer schlechten Behandlung.

Japan Tokyo Syrischer Flüchtling
2017 erklärte sich Japan bereit, verteilt über fünf Jahre 150 Syrer ins Land zu lassenBild: DW/A. Leonard

Schlimme Zustände in Abschiebezentren

Zuletzt kam Wishma Sandamali aus Sri Lanka am 6. März auf elende Weise ums Leben. Die 33-Jährige hatte ihren Partner wegen häuslicher Gewalt bei der Polizei angezeigt. Weil dabei herauskam, dass ihr Studentenvisum abgelaufen war, landete sie im vergangenen August in Nagoya in Abschiebehaft. Durch den Stress erkrankte Sandamali offenbar an Magenbluten und verlor 20 Kilogramm Gewicht. "Bitte helfen Sie mir, dass ich mich erholen kann", flehte sie im Februar die Hilfsorganisation "Start" an. Aber selbst als sie Blut spuckte und Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte, wollte das Zentrum sie nicht über einen Tropf ernähren. Die Einwanderungsbehörde unterschlug diese Tatsachen in einem Bericht an das Parlament.

Laut dem Fernsehsender NHK werden die medizinischen Probleme von Insassen in den Abschiebezentren oft ignoriert. Ihnen wird generell unterstellt, sie simulierten, um eine Haftentlassung zu erreichen. So wurde im Januar 2019 ein Kurde mit dem Pseudonym Deniz, der eine Arznei gegen Depression verlangte, von sechs Wärtern geschlagen, die Hände hinter dem Rücken gefesselt und tagelang in Einzelhaft gehalten. Ein Video der Misshandlungen kam bei einer Klage von Deniz gegen den japanischen Staat ans Licht.