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Politik

Jan Kuciak recherchierte zu Einfluss der Mafia

28. Februar 2018

Der slowakische Journalist hat vor seiner Ermordung mögliche Korruptionsfälle auf höchster politischer Ebene in Verbindung mit der italienischen Mafia untersucht. Im Visier war dabei auch der Innenminister in Bratislava.

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Ermordeter Journalist in der Slowakei
Bild: picture-alliance/dpa/J.Kotian

Zwei Personen aus dem Umkreis eines Mannes, der "in Italien in einem Mafia-Fall beschuldigt worden war, haben täglich Zugang zum Ministerpräsidenten des Landes (Slowakei)", schrieb Jan Kuciak in einem posthum auf der Nachrichtenseite "aktuality.sk" veröffentlichten Artikel. Italiener mit Mafia-Verbindungen hätten eine zweite Heimat in der Slowakei gefunden, heißt es in dem Text weiter. 

Nach Kuciaks Recherchen hatten sich mutmaßliche Mitglieder der kalabrischen 'Ndrangheta im Osten der Slowakei auf Mehrwertsteuerbetrug sowie Betrügereien um EU-Förderungen spezialisiert. Sollten diese Recherchen stimmen, wäre es vier italienischen Familien gelungen, Gelder aus staatlichen und EU-Förderungen abzuzweigen und zur Absicherung ihrer Geschäfte Verbindungsleute zu Politikern der sozialdemokratischen Regierungspartei und direkt in das Büro von Regierungschef Robert Fico zu schleusen. Damit hätten sie Zugang zu Staatsgeheimnissen bekommen. Nach Kuciaks weiteren Recherchen soll Ficos persönliche Assistentin Maria Troskova früher für italienische Unternehmer gearbeitet haben, die wegen Mafia-Verbindungen im Visier der italienischen Justiz gestanden haben sollen.

Der Innenminister soll zurücktreten

Der Artikel ist der letzte - unvollendete - Bericht des Journalisten, der in der Nacht zum Montag zusammen mit seiner Verlobten erschossen in seinem Haus in einem Vorort von Bratislava aufgefunden worden war. Für das zur deutsch-schweizerischen Mediengruppe Ringier Axel Springer Media gehörende Nachrichtenportal "aktuality.sk" schrieb Kuciak vor allem über Betrugsfälle, in die Geschäftsleute mit Verbindungen zu Ministerpräsident Robert Ficos Regierungspartei Smer-SD verwickelt waren.

Der slowakische Innenminister Robert Kalinak (Foto: picture-alliance/dpa/V. Mayo)
Innenminister Robert Kalinak soll Geschäftsbeziehungen zu einem mutmaßlichen Steuerbetrüger unterhalten Bild: picture-alliance/dpa/V. Mayo

Vor der Veröffentlichung des Artikelfragments hatte bereits die Zeitung SME über Details von Kuciaks letzter Recherche geschrieben. Ministerpräsident Fico wies den Bericht am Dienstag verärgert zurück. "Bringt unschuldige Leute nicht ohne jegliche Beweise mit einem Doppelmord in Verbindung", sagte der Regierungschef. "Das ist nicht mehr witzig." Fico hatte nach Bekanntwerden der Bluttat eine Belohnung von einer Million Euro für Hinweise ausgelobt, die zur Ergreifung der Täter führen. Teile der Opposition forderten indes den Rücktritt von Innenminister Robert Kalinak wie auch des Polizeichefs. Beide hätten es nicht geschafft, Kuciak zu beschützen, obwohl dieser Drohungen gegen ihn angezeigt hatte.

Ministerpräsident Robert Fico lobte am Montag eine Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter in Höhe von einer Million Euro aus (Foto: Getty Images/V.Simicek)
Ministerpräsident Robert Fico lobte eine Belohnung von einer Million Euro für Hinweise zur Ergreifung der Täter ausBild: Getty Images/V.Simicek

Der Kulturminister tritt zurück

Seinen Rücktritt erklärte dagegen der slowakische Kulturminister Marek Madaric. "Nach der Ermordung eines Journalisten kann ich mir nicht vorstellen, ruhig weiter Chef dieses Ministeriums zu bleiben, das auch für die Medien zuständig ist", sagte der 51-Jährige in Bratislava. Madaric galt schon seit Monaten als parteiinterner Kritiker der Verfilzung zwischen Politik und Geschäftswelt. Erst im Dezember hatte er seine Funktion als einer der stellvertretenden Parteichefs der sozialdemokratischen Regierungspartei von Fico aufgegeben. In mehreren Interviews hatte er zuvor Ficos erstem Stellvertreter, Minister Kalinak, den Rücktritt nahegelegt. Kalinak steht seit rund zwei Jahren im Verdacht, Geschäftsbeziehungen zu einem mutmaßlichen Steuerbetrüger zu unterhalten. Kuciak hatte auch gegen ihn recherchiert.

Der slowakische Kulturminister Marek Madaric (Foto: picture-alliance/P.Zachar)
Ex-Kulturminister Marek Madaric: Kann sich nicht vorstellen, Chef eines für die Medien zuständigen Ministeriums zu bleibenBild: picture-alliance/P.Zachar

Die mitregierende ungarisch-slowakische Versöhnungspartei Most-Hid (Brücke) forderte politische Konsequenzen. Alle Entscheidungsträger, die in den Verdacht von Mafia-Kontakten gekommen seien, sollten bis zur restlosen Aufklärung von ihren Funktionen entbunden werden. Die slowakische Polizei hatte schon am Montag angekündigt, eng mit italienischen Behörden zusammenarbeiten zu wollen. Auch mit der tschechischen Polizei gibt es eine enge Kooperation, weil eine tschechische Journalistin als akut bedroht gilt. Sie hatte mit Kuciak gemeinsam am tschechisch-slowakischen Teil der so genannten Panama-Papers gearbeitet und wie er zu Mafiaverbindungen recherchiert. Neben den Leichen der beiden Ermordeten waren Patronen zurückgelassen worden. Dies wurde als Warnsignal an mögliche weitere Opfer gedeutet.

Parallelen zum Mord an maltesischer Investigativ-Journalistin

In Journalistenkreisen werden Parallelen zum Mord an der maltesischen Investigativ-Journalistin Daphne Caruana Galizia gezogen, die am 16. Oktober mit einer Autobombe getötet worden war. Wie Kuciak und seine tschechische Kollegin, die angesichts ihrer aktuellen Bedrohungslage derzeit keine Interviews geben will, hatte auch Galizia über die "Panama Papers" berichtet und im Sumpf korrupte Politiker und der 'Ndrangheta recherchiert.

Wegen der Ermordung Kuciaks will auch die EU-Kommission Nachforschungen anstellen. "Wir schauen uns den Fall jetzt genau an", sagte Haushaltskommissar Günther Oettinger der Tageszeitung "Die Welt" . In ein paar Wochen werde es über die Finanzströme und einen möglichen Missbrauch Klarheit geben. Oettinger hält es nach eigenen Worten für möglich, dass in dem Fall Zahlungen an Landwirte oder Agrarunternehmen für kriminelle Zwecke missbraucht worden seien.

sti/uh (afp, dpa)