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Ist Japans Autotest-Skandal das neue Dieselgate?

Nik Martin
10. Juni 2024

Toyota, Mazda, Suzuki und Yamaha haben zugegeben, bei der Zertifizierung von Fahrzeugen Testdaten gefälscht zu haben. Die Enthüllungen erinnern an den Abgasskandal, der Volkswagen im Jahr 2015 erschütterte.

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Japan Toyota Logo
Bild: Tomohiro Ohsumi/Getty Images

Toyota, nach Umsatz der größte Autohersteller der Welt, hat Anfang Juni die Auslieferung von drei Modellen im Inland gestoppt, nachdem ein Prüfskandal die japanische Autoindustrie erschüttert hat.

Zusammen mit den Konkurrenten Honda, Mazda, Suzuki und Yamaha wird Toyota beschuldigt, bei der Zertifizierung neuer Automodelle vor deren Serienproduktion vorgeschriebene Prüfverfahren umgangen zu haben.

In diesem Zusammenhang hatten Beamte des japanischen Verkehrsministeriums am 4. Juni eine Razzia in der Toyota-Zentrale durchgeführt.

Der Skandal hat dem Absatz japanischer Fahrzeuge im ohnehin schon intensiven globalen Wettbewerb einen deutlichen Dämpfer verpasst. Der Skandal erfolgt nur wenige Monate, nachdem China Japan als größten Autoexporteur der Welt überholt hatte - was unter anderem auf den boomenden Absatz von Elektrofahrzeugen zurückzuführen ist.

Ein ähnlicher Skandal erschütterte 2015 den Ruf und die Verkaufszahlen von Volkswagen, nachdem der deutsche Autogigant zugegeben hatte, dass man illegale Software installiert hatte, um bei Abgastests die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.

Dieselgate, der größte und teuerste Autoskandal der Geschichte, kostete VW über 30 Milliarden Dollar (27,9 Milliarden Euro) an Geldstrafen und Schadenersatzzahlungen und hatte Auswirkungen auf mehrere andere Autohersteller.

Japan | Toyota Fabrik nahe Nagoya
Toyota-Fertigung in der Tsutsumi-Fabrik in Toyota City bei NagoyaBild: Yoshio Tsunoda/AFLO/imago

Wie kam es zum Sicherheitsskandal in Japan?

Dem Toyota-Tochterunternehmen Daihatsu wurde erstmals im Dezember Fehlverhalten vorgeworfen. Der Autohersteller, der vor allem für seine Kompakt- und Kleinwagen bekannt ist, gab zu, dass Crash- und Motor-Tests bei 64 Modellen seit den 1980er Jahren manipuliert worden waren.

Daihatsu stellte aufgrund der Ermittlungen die gesamte Produktion in Japan für mehrere Monate ein und tauschte seinen Vorstandsvorsitzenden aus.

Bis April hatte dann das japanische Verkehrsministerium nachgeprüft, dass mittlerweile alle von Daihatsu hergestellten Fahrzeuge den offiziellen Sicherheitsstandards entsprechen, und das Auslieferungsverbot aufgehoben.

Das Verkehrsministerium wies daraufhin andere Automobilhersteller und Zulieferer an, die Testergebnisse der letzten zehn Jahre zu überprüfen und etwaige Verstöße bei der Zertifizierung ihrer Fahrzeuge zu melden. Insgesamt wurden 85 Unternehmen, darunter auch Toyota, aufgefordert, dieser Überprüfung nachzukommen.

Sind andere japanische Autohersteller involviert?

Toyota hat daraufhin zugegeben, bei Zertifizierungstests für sieben im Inland verkaufte Modelle bei sechs Bewertungen in den Jahren 2014, 2015 und 2020 massiv geschummelt zu haben.

Der Autohersteller gab an, dass bei den Aufpralltests unzureichende oder veraltete Daten verwendet wurden und dass das Auslösen der Airbags und die Beschädigung der Rücksitze bei Unfällen falsch getestet wurden.

In einem Fall wurden die Kollisionsschäden nur auf einer Seite der Motorhaube eines Modells gemessen und nicht wie vorgeschrieben auf beiden. Es kam auch heraus, dass Abgastests gefälscht worden waren.

Die Produktion einiger Modelle, bei denen fehlerhafte Tests festgestellt wurden, war in der Zwischenzeit bereits eingestellt worden.

Japan Toyota Chef Akio Toyoda
Konzern-Chef Akio Toyoda entschuldigt sich bei einer Pressekonferenz am 3. Juni in Tokio Bild: Kenya Sumiyoshi/Jiji Press/dpa//picture alliance

Die Produktion von drei Modellen, dem Corolla Fielder, Corolla Axio und Yaris Cross, wurde vorübergehend eingestellt.

Die Toyota-Produktion außerhalb Japans ist von dem Problem nicht betroffen.

Konkurrent Mazda hat in dieser Woche ähnliche Unregelmäßigkeiten bei den Zertifizierungstests zugegeben. Dazu zählt die Verwendung falscher Motorsteuerungssoftware bei Tests und Verstöße bei Crashtests bei drei eingestellten Modellen.

Die Produktion von zwei Modellen, dem Roadster und dem Mazda 2, wurde gestoppt. 

Honda gab bei Dutzenden von Auslaufmodellen über einen Zeitraum von acht Jahren Fehlverhalten bei Geräusch- und Leistungstests zu.

Yamaha räumte ein, bei mindestens drei Motorradmodellen Daten bei Geräuschmessungen gefälscht zu haben.

Ist der japanische Skandal mit Dieselgate vergleichbar?

Obwohl Branchenkenner sagen, dass die Probleme, mit denen Toyota und seine japanischen Konkurrenten konfrontiert sind, dem VW-Debakel vor fast einem Jahrzehnt ähneln, waren die Auswirkungen des Dieselgate-Skandals  erheblich schlimmer.

"Dieselgate war ein Strafverfahren, bei dem es um extremen Betrug ging, um US-Umweltgesetze zu umgehen", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von Ferdy Research, früher Direktor des deutschen Center for Automotive Research (CAR). "In dieser Hinsicht ist der japanische Sicherheitsskandal nicht vergleichbar", so Dudenhöffer zur DW.

VW wurde vorgeworfen, gegen das US-Gesetz zur Luftreinhaltung verstoßen zu haben, indem Dieselmotoren mit einer Betrugssoftware absichtlich so programmiert wurden, dass Abgase nur bei Labortests reduziert wurden.

Mit der Betrugssoftware erfüllten die Fahrzeuge bei Tests die US-Normen für den Ausstoß von Stickoxiden (NOx), obwohl sie im normalen Fahrbetrieb bis zu 40 Mal mehr NOx ausstießen.

Gegen VW wurde daraufhin in mehreren anderen Ländern ermittelt. Verschiedene Regierungen verhängten Bußgelder in Milliardenhöhe. Dazu kamen Schadensersatzforderungen für die Besitzer von elf Millionen Fahrzeuge, die mit der illegalen Vorrichtung ausgestattet waren.

Autoexperte Dudenhöffer weist darauf hin, dass "Autohersteller häufig Rückrufe wegen Sicherheitsproblemen durchführen", und erinnert daran, dass Toyota, Mazda und Nissan vor zehn Jahren von einem anderen Skandal betroffen waren. Damals ging es um Airbags, die bei Unfällen aufgerissen waren.

"Dieselgate hatte anfangs sicherlich Auswirkungen auf den Absatz von Volkswagen. Aber das hat ziemlich schnell nachgelassen, weil die Fahrzeuge so beliebt sind", sagt Felipe Munoz, Senior Analyst beim Londoner Autoforschungsinstitut JATO Dynamics, der DW. "Ein Jahr später stiegen die Verkäufe von VW wieder an."

Deutschland Symbolbild Abgasskandal VW
Zuerst war nur VW, dann auch BMW, Renault, Vauxhall, Peugeot, Citroen und Nissan von dem Abgasbetrugsskandal betroffenBild: Neundorf/Kirchner-Media/picture alliance

Munoz glaubt, dass die Auswirkungen auf den japanischen Autoverkauf nur vorübergehend sein werden, aber kleinere Unternehmen stärker treffen könnten als Toyota.

"Toyota hat einen sehr guten Ruf. Es ist die globalste Automarke der Welt. Ich glaube nicht, dass dieser Skandal einen dauerhaften Einfluss auf die Verkäufe haben wird", fügt er hinzu.

Dennoch ist die Vertuschung der Tests ein großer Rückschlag für Toyota. Der Konzern war jahrzehntelang dafür bekannt, qualitativ hochwertige und langlebige Autos zu produzieren, die auch als Gebrauchtwagen einen guten Wiederverkaufswert haben.

Toyota hat außerdem von seiner Strategie profitiert, Hybridautos mit Verbrennungsmotor und Elektrobatterie statt reiner Elektromodelle zu produzieren. Dies hat zu enormen Gewinnen geführt, da viele Verbraucher immer noch vor der begrenzten Reichweite von reinen Stromern zurückschrecken und Zweifel am Wiederverkaufswert von E-Autos haben.

Das Unternehmen läuft nun Gefahr, gegenüber seinen chinesischen Konkurrenten ins Hintertreffen zu geraten, die voll und ganz auf Elektroautos setzen und deren Exporte 2023 um 64 Prozent gegenüber dem Vorjahr in die Höhe geschnellt sind.

Wie geht es weiter?

Das japanische Verkehrsministerium teilte mit, dass es am Hauptsitz von Toyota sowie bei vier weiteren Automobilherstellern Vor-Ort-Kontrollen durchführt.

"Wir werden bei jedem der Unternehmen Inspektionen vor Ort durchführen", sagte Verkehrsminister Tetsuo Saito am Dienstag Reportern.

"Diese Handlungen untergraben das Vertrauen der Fahrzeugnutzer und erschüttern die Grundlagen des Fahrzeugzertifizierungssystems. Das ist äußerst bedauerlich", sagte er.

Die Untersuchung könnte mehrere Monate dauern, und die finanziellen Auswirkungen des Skandals sind noch nicht vollständig abzuschätzen.

Kabinettschef Yoshimasa Hayashi gab sich hoffnungsvoll, dass die Auswirkungen "minimal" sein werden und kündigte an, dass die Regierung Maßnahmen ergreifen werde, um den wirtschaftlichen Schaden zu mindern.

Während er sich am Montag entschuldigte, sagte Toyota-Chef Akio Toyoda, dass einige Zertifizierungsregeln möglicherweise zu streng seien. Er betonte aber, dass er die Verstöße damit nicht entschuldigen wolle.

Toyoda sagte, dass das Unternehmen in einer Zeit, in der es mehrere neue Modelle entwickelt hat, möglicherweise Abkürzungen in seinem Testverfahren genommen hat.

"Wir sind kein perfektes Unternehmen. Aber wenn wir etwas Falsches sehen, werden wir einen Schritt zurücktreten und versuchen, es zu korrigieren", sagte Toyoda.

 

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert