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Israelischer Präsident spricht im Bundestag

6. September 2022

Israels Präsident Izchak Herzog mahnt im Bundestag in Berlin zur bleibenden Erinnerung an den Holocaust. Das Gedenken sei Grundlage für die gemeinsame Zukunft.

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Ein Mann mit dunklen Haaren und Brille im dunklen Anzug und weißen Hemd steht an einem Rednerpult mit erhobenen Armen und geöffneten Händen, er spiegelt sich mehrfach in einer Scheibe
Izchak Herzog im Bundestag: Die Erinnerung eint Deutschland und IsraelBild: Markus Schreiber/AP Photo/picture alliance

Es ist immer noch etwas Besonderes, wenn ein israelischer Präsident vor dem Deutschen Bundestag spricht. Auch 77 Jahre nach dem Holocaust, dem Mord an sechs Millionen Juden in Europa, ist es nicht selbstverständlich.

Auch wenn diesmal eigentlich nicht der Völkermord im Zentrum des mehrtägigen Besuchs von Präsident Izchak Herzog steht, das Gedenken an den Holocaust spielt immer eine zentrale Rolle im deutsch-israelischen Verhältnis. Herzog sagt in seiner Rede vor dem Bundestag: "Nie war ein Land, wie Nazi-Deutschland es war, verantwortlich für den Verlust jeglicher Menschlichkeit, jeglicher Barmherzigkeit. Verantwortlich für die Absicht, mit so unerbittlicher Grausamkeit ein ganzes Volk auszulöschen."

Gedenken an Olympia-Attentat 1972 

Nach Deutschland gekommen ist Herzog in diesen Tagen, um an den Mord an elf israelischen Sportlern während der Olympischen Spiele von München 1972 zu erinnern. Sie wurden entführt und brutal ermordet von palästinensischen Attentätern - nicht wirksam geschützt von deutschen Sicherheitskräften.

Nach jahrelangen, quälenden Verhandlungen hatten sich Deutschland und Israel kurz vor dem Gedenken auf Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen geeinigt. 28 Millionen Euro zahlt Deutschland an die Angehörigen der Opfer. Für die Israelis ebenfalls wichtig: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach bei der Feier in München diese Worte: "Ich bitte Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepublik Deutschland um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten damals bei den Olympischen Spielen und für die mangelnde Aufklärung danach."

Herzog: Verbrechen gegen die Menschenwürde

Izchak Herzog, ein enger Freund des deutschen Staatsoberhaupts, hat Steinmeier für diese Entschuldigung in den vergangenen Tagen mehrfach gedankt und die Rede als "historisch" bezeichnet.

Blick auf das ausgebrannte Wrack eines Hubschraubers auf einem Flugfeld, im Hintergrund sind flache Gebäude zu sehen
September 1972: Der dilettantische Versuch, die israelischen Sportler zu befreien, endete im Fiasko. Die Geiseln starben auf einem Flugplatz in MünchenBild: Göttert/picture alliance/dpa

Auch im Bundestag erinnert er an die schrecklichen Stunden von München und nennt die Taten von damals abscheulich: "Ein Verbrechen, das nicht nur die grundlegenden Werte der Menschenwürde und die Unversehrtheit des Lebens traf, sondern auch den Sport als solchen und insbesondere den Geist der Olympischen Spiele."

"Nur die Toten haben das Recht zu vergeben"

Für Herzog ist der Besuch im Deutschen Bundestag auch eine persönliche Angelegenheit. Sein Vater Chaim Herzog, von 1983 bis 1993 Präsident Israels, war 1987 das erste Staatsoberhaupt seines Landes, das vor dem deutschen Bundestag sprach. Chaim Herzog gehörte 1945 als Offizier der alliierten Siegermächte über Nazi-Deutschland zu denjenigen, die das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreiten. Herzog zitiert im Bundestag seinen Vater: "Nur die Toten haben das Recht zu vergeben."

Blick auf drei Personen mit ernsten Mienen in dunklen Jackets: ein weißhaariger Mann links und eine rothaarige Frau begleiten einen dunkelhaarigen Mann in ihrer Mitte
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (li.) und Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (re.) geleiten den israelischen Präsidenten Izchak Herzog in den Plenarsaal des deutschen BundestagesBild: Markus Schreiber/AP Photo/picture alliance

Es zieht sich wie ein roter Faden durch seine Rede: Deutschland und Israel halten im Kern die gemeinsamen Erinnerungen zusammen: "Das jüdische Volk vergisst nicht, und nicht nur aus Pflicht den Generationen der Vergangenheit gegenüber, sondern auch aus Verpflichtung gegenüber der Generation der Zukunft. Es ist nicht leicht: Die Auseinandersetzung mit dem Gedenken erschüttert."

Bärbel Bas: Antisemitismus in Deutschland ist eine Schande

Herzog wurde im Bundestag von Parlaments-Präsidentin Bärbel Bas (SPD) willkommen geheißen, die in ihrer Begrüßungsrede auf den zunehmenden, auch gewaltsamen Antisemitismus in Deutschland verwies. Bas führte aus: "Wir müssen auch heute Juden in Deutschland schützen. Es ist eine Schande, dass heute israelische Einrichtungen nur unter Polizeischutz arbeiten können."

Blick in den Plenarsaal des deutschen Bundestags. Ein Mann mit zum Applaus erhobenen Händen steht vor mehreren Personen mit dem Rücken zum Betrachter: Sie haben sich von ihren Stühlen erhoben und klatschen ihm Beifall
Lange applaudieren die Mitglieder des deutschen Bundestags nach der Rede des israelischen Präsidenten Izchak HerzogBild: Markus Schreiber/AP Photo/picture alliance

Antisemitismus werde es wohl immer geben, sagt Herzog in seiner Rede und führt dann aus: "Auf ganz andere Weise ist die Erinnerung auch in Israel komplex, hart und schmerzvoll. Ob wir es wollen oder nicht, das Andenken an die Shoa bildet einen grundlegenden Teil unserer nationalen Identität. Ein Volk, zu dessen historischem Gedenken so fürchterliche Erfahrungen und tiefste Abgründe gehören, ist kein Volk wie jedes andere."

"Wir wissen Deutschlands Unterstützung zu schätzen."

Im Bundestag ist es still wie selten, während Herzog spricht. Aber oft wird seine Rede von spontanem Beifall unterbrochen, etwa als er sagt, dass Israel Deutschland verlässlich an seiner Seite wisse: "Wir wissen den deutschen Beitrag zur Sicherheit und zum Erfolg Israels sehr zu schätzen." 

Die Erinnerung an die Vergangenheit bleibe zentral für die Zukunft: "Auf der Grundlage des gemeinsamen Gedenkens an den Holocaust können beide Länder eine gemeinsame Zukunft gestalten." 

Nach der Rede im Bundestag legen Herzog und Steinmeier am Holocaust-Mahnmal in Berlin Kränze nieder. Den Abschluss des Besuchs von Izchak Herzog in Deutschland bildet am Nachmittag der Besuch des früheren Konzentrationslagers Bergen-Belsen im heutigen Niedersachen zusammen mit Bundespräsident Steinmeier. Zehntausende Menschen starben hier, es ist ein Ort des Grauens, den Herzogs Vater 1945 mit befreien konnte.