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Politik

Israel und die VAE - der neue Nahe Osten?

14. August 2020

Die USA vermitteln - und Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate nehmen diplomatische Beziehungen auf. Die Beteiligten sagen: Das spiegelt die Realitäten in der Region. Die Palästinenser fühlen sich als Verlierer.

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US-Präsident Donald Trump (Mitte) gibt das Übereinkommen zwischen Israel und den VAE bekannt
Übereinkunft: US-Präsident Donald Trump (Mitte) gibt das Übereinkommen zwischen Israel und den VAE bekanntBild: picture-alliance/dpa/AP/A. Harnik

Über Jahre hatten Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sich einander angenähert, jetzt gehen sie mit den offiziellen diplomatischen Beziehungen den nächsten Schritt. Bereits in den kommenden Wochen wollen Vertreter beider Länder Vereinbarungen zur Zusammenarbeit unterzeichnen: in den Bereichen Sicherheit, Investitionen, Tourismus und Technologie. Außerdem soll es direkte Flugverbindungen zwischen beiden Staaten geben und sie wollen mit dem Bau von Botschaften beginnen.

Die Vereinbarung - unter Vermittlung der USA zustande gekommen und von US-Präsident Donald Trump verkündet - ist letztlich eine Folge der bereits seit Jahren verdichteten Beziehungen zwischen Israel und den Emiraten. So begleiteten israelische Sportler die Ministerin für Sport und Kultur, Miri Regev, im Oktober 2018 zu einem Auftritt nach Abu Dhabi. Im Juli 2019 reiste - so ein Bericht des Senders i24News - militärisches Personal der VAE nach Israel, um sich die Funktionsweise des neuen Kampfflugzeugs F-35 zeigen zu lassen. Im August 2019 kauften die VAE der Zeitung "Haaretz" zufolge von einem israelischen Geschäftsmann zwei Überwachungsflugzeuge, die seitdem vor allem den iranischen Luftraum beobachten. Die entsprechenden Vereinbarungen waren bereits zehn Jahre auf den Weg gebracht worden.

Palästinenser verbrennen Bilder von Israels Premier Netanjahu (l) und Abu Dhabis Kronprinz Mohammed bin Said al-Nahjan (r)
Protest: Palästinenser verbrennen Bilder von Israels Premier Netanjahu (l) und Abu Dhabis Kronprinz Mohammed bin Said al-Nahjan (r)Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Mohammed

Ebenfalls seit längerem einvernehmlich geplant war Israels Teilnahme an der Weltausstellung Expo 2020 im Oktober dieses Jahres in Dubai in den VAE, der ersten Weltausstellung in einem arabischen Land. Allerdings wird die Expo 2020 aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben werden. Bereits im April 2019 hatte der Außenminister der VAE, Anwar bin Mohammed Gargasch, in einem Interview mit der in den Emiraten erscheinenden Zeitung "The National" beklagt, es fehlten formale Beziehungen zwischen beiden Ländern. "Vor vielen, vielen Jahren gab es eine arabische Entscheidung, keinen Kontakt zu Israel zu haben. Das war im Rückblick eine sehr, sehr falsche Entscheidung", erklärte er damals.

Neuer arabischer Blick auf Israel

Nach Einschätzung des Politologen Eytan Gilboa vom Begin-Sadat Center for Strategic Studies an der Bar-Ilan Universität bei Tel Aviv sehen viele Araber Israel inzwischen mit anderen Augen. "Viele Menschen in der sunnitisch-arabischen Welt betrachten Israel nicht länger als einen Feind, sondern eher als Verbündeten", so Gilboa in der "Jerusalem Post". "Die neue Übereinkunft wird die Legitimität Israels als jüdischer Staat im Nahen Osten wachsen lassen."

Grenze zwischen Gaza und Israel - Mann mit türkischer Flagge
Die Türkei als Hoffnung der Palästinenser? Szene aus dem Gazastreifen, Oktober 2019Bild: picture-alliance/Zuma/Apa/A. Amra

Dazu trägt auch bei, so Gilboa, dass viele arabische Staaten die iranische Außenpolitik mit wachsender Sorge beobachten - etwa die Aktivitäten Teherans in Syrien, im Jemen und im Libanon. In diesen Ländern führen der Iran und einige sunnitische Staaten - allen voran Saudi-Arabien und die VAE - längst offene oder verdeckte Stellvertreterkriege. "Die arabischen Golfstaaten sind den iranischen Drohungen ganz besonders ausgesetzt", sagt Gilboa. "Die Allianz zwischen Israel und den VAE dürfte darauf hinauslaufen, erfolgreicher mit dem Iran umzugehen."

Kritik aus Teheran und Ankara

Die neuen sunnitisch-iranischen Spannungen, so Gilboa, hätten die Bedeutung des Nahostkonflikts in den Hintergrund treten lassen: "Den iranischen Bedrohungen entgegenzutreten, ist wichtiger als die Palästinenserfrage." Verlierer des israelisch-emiratischen Abkommens könnten darum die Palästinenser sein. Ihre politischen Anliegen sind auf der Agenda der arabischen Regierungen weit nach hinten gerutscht.

Verbündete bleiben den Palästinensern nur wenige. So kritisierte etwa die iranische Regierung das Abkommen. Dieses werde die "Achse des Widerstands in der Region" nur stärken, hieß es in einer Erklärung des iranischen Außenministeriums am Freitag. Auch die türkische Regierung äußerte sich kritisch. Die VAE hätten die Palästinenser aus Eigeninteresse verraten. "Nun versuchen die Emirate, das als einen Akt der Selbstaufopferung für Palästina darzustellen", ließ das Außenministerium in Ankara verlauten.

Iran: Militärübung Revolutionsgarden mit Raketen
Militärübung iranischer Revolutionsgarden: Gemeinsamer Gegner der VAE und IsraelsBild: picture-alliance/dpa/AP/Sepahnews

Doch sowohl die Türkei als auch der Iran - die beiden großen nicht-arabischen Staaten in der Region - sind im Nahen Osten weitgehend isoliert. Der einzige mit dem Iran verbündete Staat ist das völlig zerrissene Syrien unter Präsident Baschar al-Assad. Überall sonst ist der Iran auf Stellvertreter-Truppen angewiesen, deren größte die schiitische Hisbollah ist, die im Libanon nach der Explosion von 2750 Tonnen Ammoniumnitrat stark in die Kritik geraten ist.

Die Türkei wiederum ist wegen ihrer außenpolitischen Ambitionen in der arabischen Welt schlecht angesehen. Insbesondere Ägypten wirft Präsident Recep Tayyip Erdogan politischen "Neo-Osmanentum" vor. Beide Länder sind wirtschaftlich zudem massiv geschwächt und den Palästinensern ökonomisch keine große Hilfe.

Palästinenser trauen Annexions-Stopp nicht

So blieben die Palästinenser mit ihrer Kritik an dem Abkommen in der arabischen Welt weitgehend allein. Präsident Mahmud Abbas bezeichnete die Annäherung als "Aggression" und "Verrat an Jerusalem".

Westjordanland: Leben in Unsicherheit

"Was man den Palästinensern da anbietet, ist - ich würde es vorsichtig sagen - erbärmlich", sagte Avi Primor, ehemaliger Botschafter Israels in Deutschland, auf Anfrage der Deutschen Welle. "Sie bekommen keinen Staat, sie bekommen ein zerstückeltes Land - von Israel umzingelt, ohne alle Rechte, also eigentlich eine zerstückelte Autonomie. Wenn überhaupt... Natürlich ist das sehr enttäuschend und sehr bitter!"

Die in Ost-Jerusalem erscheinende Zeitung "Al-Quds" nannte das Abkommen eine "gefährliche Entwicklung, die den Auszug der VAE aus dem arabisch-islamischen Konsens darstellt". Die Übereinkunft gebe Israel grünes Licht, seinen Siedlungsbau fortzusetzen und animiere dazu, die legitimen Rechte der Palästinenser zu übergehen. Zudem hätten die VAE erklärt, sie hätten Israels Annexionspläne gestoppt. "Doch das Gegenteil ist wahr."

Tatsächlich hat sich die israelische Regierung bereiterklärt, die bereits beschlossenen Pläne, besetzte palästinensische Gebiete zu annektieren, vorerst nicht umzusetzen. Das Gespenst einer Annektierung sei durch das Abkommen vertrieben worden, erklärte VAE-Außenminister Anwar Gargash. Anders sieht es der israelische Historiker Moshe Zimmermann. Premier Benjamin Netanjahu habe "bereits zugegeben, dass die Annexion nur vorübergehend gestoppt sei", so Zimmermann im Interview des deutschen Fernsehesenders ARD. "Sein Plan ist die Annexion." Die werde er fortsetzen, "nicht durch einen formalen Akt, sondern eben schleichend über die Siedlungspolitik".

International wurde das Abkommen überwiegend begrüßt. "Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist ein wichtiger Beitrag zum Frieden in der Region", erklärte etwa der deutsche Außenminister Heiko Maas am Freitag nach einem Gespräch mit seinem israelischen Kollegen Gabi Aschkenasi. "Es ist gut, dass die israelische Regierung ihre Annexionspläne suspendiert."

Andere Staaten könnten sich das Abkommen zum Vorbild nehmen. Oman, Bahrain und der Sudan haben bereits angedeutet, dass auch sie über Abkommen mit Israel nachdächten.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika