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Müssen wir jetzt immer wieder boostern?

3. Januar 2022

Die Antikörper gehen nach der Grundimmunisierung zurück. So braucht es immer wieder eine Auffrischungsimpfung. Israel empfiehlt nun schon Menschen über 60 die vierte Impfung. Ist bald ein Ende der Pandemie in Sicht?

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Deutschland Erfurt Corona-Impfung
Bild: Jens Schlueter/Getty Images

Booster-Impfungen sind nötig, weil mit der Zeit die Anzahl der Antikörper in unserem Blut zurückgeht. Bei mRNA-Impfstoffen galt bis Ende November 2021 die Regel: Etwa sechs Monate nach der COVID-19-Grundimmunisierung kommt die dritte Impfung. 

Doch durch das Aufkommen der Omikron-Variante zeigte sich, dass es sinnvoll ist, schon früher zu boostern. Deutsche Mediziner und Gesundheitspolitiker empfehlen inzwischen die dritte Booster-Impfung bereits nach drei Monaten. 

Und Anfang Januar 2022 überraschte der israelische Premierminister Naftali Bennett mit seinem Aufruf an alle Bürger über 60 Jahre, sich sogar zum vierten Mal impfen zu lassen. 

Auch in Deutschland gibt es bereits einige, die schon eine vierte Corona-Impfung erhalten haben. In der Regel sind dies Menschen mit Vorerkrankungen, etwa Diabetiker oder Immunsupprimierte, also Patienten, die mit Medikamenten ihr eigenes Immunsystem unterdrücken müssen. Nur für diese seltenen Fällen verantwortet der behandelnde Arzt die vierte Impfung. 

Wie lange noch boostern? 

Doch soll das ewig so weitergehen? Müssen wir uns darauf einrichten, dass wir in der Zukunft alle sechs Monate oder immer im Herbst eine Auffrischungsimpfung brauchen, ähnlich wie bei der Grippe?

Die Antwort auf diese Frage kennen die Mediziner bisher nicht, weil es uns an entsprechender Erfahrung fehlt.

Verschiedene Aspekte spielen dabei eine Rolle: Wahrscheinlich ist, dass Corona-Impfungen in der Zukunft an neue Virenvarianten angepasst werden müssen – ähnlich wie schon heute die saisonalen Grippeimpfstoffe. Schon jetzt sind zahlreiche neue Corona-Impfstoffe in der Entwicklungspipeline, die etwa bestimmte Mutationen der Delta- oder Omikron-Varianten berücksichtigen.

Wird SARS-CoV-2 endemisch?

Daneben spielt der weitere Pandemieverlauf eine entscheidende Rolle. Es ist nicht klar, ob sich die Pandemie nach der vierten oder einer fünften Welle totlaufen wird, oder ob COVID-19 mit seinen Varianten doch endemisch wird, also in bestimmten Regionen regelmäßig auftritt und uns für Jahrzehnte erhalten bleibt.

Eng damit verbunden ist die Frage der Herdenimmunität. Werden wir sie bald erreichen? Kommt sie durch Impfungen zustande oder vielleicht durch eine unbeabsichtigte Durchseuchung, wie sie sich etwa in großen Teilen von Afrika schon jetzt abzeichnet? So etwas könnte angesichts der derzeitigen Inzidenzraten auch noch in Europa passieren.

Neben den Antikörpern die T-Zellen nicht vergessen!

Aber nicht nur die Antikörper dürfen wir bei der Frage nach unserer Immunität im Blick haben. Darauf deutet eine noch nicht begutachtete Studie hin, die von einem großen Forscherteam aus Großbritannien und Singapur am 10. November in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde. 

Die Forschenden hatten Beschäftigte des Gesundheitssystems gefunden, die zwar ein hohes SARS-CoV-2 Expositionsrisiko hatten, aber in all den Monaten weder erkennbar an COVID-19 erkrankt waren, noch einen positiven PCR-Test-Nachweis hatten. Auch in einem serologischen Antikörpertest waren die 58 Beschäftigten unauffällig geblieben.

Immunität ohne nachweisbaren Antikörper-Titer

Dabei stellten die Forschenden fest, dass die identifizierten sogenannten "seronegativen Beschäftigten des Gesundheitssystems (SN-HCW)" mehr sogenannte multispezifische Gedächtnis-T-Zellen hatten als eine Vergleichsgruppe, die unter einem deutlich geringeren Expositionsrisiko arbeitete.

Ein Facharzt versorgt einen Covid-19-Patienten auf der Intensivstation der Leipziger Uniklinik und hält dessen Hand.
Einige Pflegekräfte mit hohem Ansteckungsrisiko haben eine ungewöhlich starke T-Zellen-Immunität gezeigtBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Diese T-Zellen richteten sich insbesondere gegen den sogenannten Replikations-Transkriptions-Komplex (RTC), der letztlich für die Virus-Vermehrung verantwortlich ist. 

Gleichzeitig wurde bei den 58 Personen eine erhöhte Menge des Proteins IFI27 gefunden, das als Hinweis auf eine sehr frühe SARS-CoV-2 Infektion gilt. Daraus schließen die Forschenden, dass alle betroffenen SN-HCW eine abgebrochene bzw. "abortive" Corona-Infektion hinter sich hatten. 

Möglicherweise hatten also hier die T-Zellen schon früh die Coronavirus-Infektion unterbrochen. Unklar bleibt, woher die 58 SN-HCW ihre ungewöhnlich starke T-Zellen-Immunität hatten: Möglicherweise war sie durch eine frühere Infektion durch ein anderes Coronavirus entstanden, etwa durch ein Erkältungsvirus.

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Kommt die Herdenimmunität?

Eine mögliche Konsequenz daraus: Die wiederholte Exposition gegenüber Coronaviren, etwa wenn SARS-CoV-2 tatsächlich endemisch werden sollte und wir immer wieder mit wenigen Erregern in Kontakt geraten, könnte dazu führen, dass sich unser Immunsystem dagegen besser in Stellung bringt: Sei es nun mit Antikörpern oder auch mit T-Zellen. Damit wären wir einer Herdenimmunität auf jeden Fall schon ein Stück näher.

Die Forscher raten indes dringend davor ab, aufgrund der Entdeckung unvorsichtig zu werden. Niemand sollte sich in Sicherheit wiegen oder davon ausgehen, gegen SARS-CoV-2 immun zu sein. Denn das Risiko, dass man nicht immun ist, dürfte allemal sehr hoch sein.

Bleibt die Frage, ob wir im nächsten Herbst dann wieder unseren Impfschutz auffrischen müssen. Das werden wir wohl erst dann sehen, wenn es so weit ist! 

Dieser Artikel wurde am 3. Januar 2022 aktualisiert.

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Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen