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Israel: Oberstes Gericht verfügt Einberufung Ultraorthodoxer

25. Juni 2024

Die Entscheidung der Richter ist eine Belastungsprobe für die rechtsreligiöse Koalition von Ministerpräsident Netanjahu. Am Streit um den Wehrdienst für strenggläubige Juden war schon einmal eine Regierung zerbrochen.

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Junge Männer mit schwarzen Hüten stehen vor Anzeigetafeln einer Fluggesellschaft
Ultraorthodoxe Juden am Ben-Gurion-Flughafen nahe Tel Aviv (Archivbild)Bild: David Silverman/Getty Images

In Israel hat der Oberste Gerichtshof die Einberufung ultraorthodoxer Juden zum Wehrdienst angeordnet. Die Regierung habe keine Befugnis, festzulegen, dass das Wehrdienstgesetz nicht auf Studenten jüdischer Hochschulen - der sogenannten Jeschiwot - angewandt wird, entschieden die Richter einstimmig. Inmitten eines "zermürbenden Krieges" sei die Last der Ungleichheit härter denn je, heißt es in der Urteilsbegründung.

Die Entscheidung gilt als herber Rückschlag für die rechtsreligiöse Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Der Regierungschef ist auf die Unterstützung ultraorthodoxer Parteien angewiesen. Diese lehnen die Eingliederung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft in die Armee strikt ab.

NGO: "Historischer Sieg" auf dem Weg zu gleichberechtigter Gesellschaft

Die Bewegung für Regierungsqualität in Israel begrüßte dagegen das Urteil. Die Nichtregierungsorganisation, die vor Gericht eine sofortige Rekrutierung ohne Ausnahmen verlangt hatte, sprach von einem "historischen Sieg" auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft. Zugleich forderte sie unverzügliche Maßnahmen zur Einberufung von Jeschiwa-Studenten.

Israel Ministerpräsident Netanjahu im Halbporträt vor eine israelischen Flagge
Ist auf die Unterstützung rechtsreligiöser Partner angewiesen: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Archivbild)Bild: Ohad Zwigenberg/AP/dpa/picture alliance

In Israel ist der Militärdienst verpflichtend; Männer werden für 32 Monate, Frauen für zwei Jahre einberufen. Allerdings können bisher ultraorthodoxe Juden, die sich in einer Jeschiwa dem Studium der heiligen Schriften widmen, davon befreit werden. Die seit der Staatsgründung im Jahr 1948 geltende Ausnahmeregelung sorgt schon seit Jahren für Unmut. Vor dem Hintergrund des Israel-Hamas-Krieges und dem Einzug Tausender Reservisten gewann die Debatte zunehmend an Schärfe. Die Armee hatte zuletzt eindringlich vor einem Mangel an Soldaten gewarnt.

Befreiung betrifft mehr als 65.000 Männer

Die Ausnahmeregelung betraf allein im vergangenen Jahr 66.000 ultraorthodoxe Juden im Alter zwischen 18 und 26 Jahren. Es gibt allerdings auch strenggläubige Männer, die freiwillig dienen. Laut dem Israelischen Institut für Demokratie (IDI) zählen etwa 14 Prozent der jüdischen Bevölkerung zu den Ultraorthodoxen, die sich selbst als Charedim bezeichnen. Das sind fast 1,3 Millionen der insgesamt etwa neun Millionen Einwohner Israels.

Der Oberste Gerichtshof hatte die De-facto-Befreiung bereits in einer früheren Entscheidung mit Wirkung zum 1. April aufgehoben. Netanjahu bat jedoch um einen 30-tägigen Aufschub, um eine Einigung innerhalb seiner Regierung zu erzielen. Vor zwei Wochen brachte das Parlament einen Gesetzentwurf zur schrittweisen Einberufung Ultraorthodoxer auf den Weg, der aus Sicht von Verteidigungsminister Joav Gallant aber weit davon entfernt ist, den Personalbedarf der Armee zu decken.

Am Streit um ein ähnliches Gesetz, das mehr strengreligiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war 2018 die damalige Regierungskoalition zerbrochen. Es folgten zwischen 2019 und 2022 fünf vorgezogene Parlamentswahlen. Im Dezember 2022 wurde erstmals in der Geschichte des Landes eine Regierung vereidigt, zu der auch rechtsextreme Kräfte gehören.

jj/pg/wa (dpa, afp, kna)