Israel will Bevölkerung auf besetzten Golanhöhen verdoppeln
16. Dezember 2024Israel will nach dem Umsturz in Syrien umgerechnet mehr als zehn Millionen Euro in die "demografische Entwicklung" der Ortschaften auf den annektierten syrischen Golanhöhen investieren. Ein entsprechender Plan wurde einstimmig vom Kabinett verabschiedet, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mitteilte. Geplant sei eine Verdoppelung der dortigen Bevölkerung.
"Wir werden uns dort weiter etablieren, entwickeln und ansiedeln", heißt es in einer Mitteilung. "Im Lichte des Krieges und der neuen Front in Syrien" handele es sich um eine "Entscheidung, die die Ortschaften auf den Golanhöhen und den Staat Israel stärkt." Bereits vergangene Woche hatte Netanjahu gesagt, dass die annektierten Golanhöhen "für alle Ewigkeit" israelisch sein würden.
Die Golanhöhen sind ein strategisch wichtiges Felsplateau, etwa 60 Kilometer lang und 25 Kilometer breit. Gegenwärtig leben in dem umstrittenen Gebiet gut 50.000 Menschen - etwas mehr als die Hälfte jüdische Israelis und der Rest Drusen und Alawiten. Die Drusen sind eine Gemeinschaft, deren Religion aus dem Islam hervorgegangen ist. Die Drusen bezeichnen sich zumeist als Syrer, haben aber in Israel Einwohner-Status.
Seit 1967 besetzt
Israel hatte 1967 im Verlauf des Sechs-Tage-Krieges den Großteil der syrischen Golanhöhen besetzt und die Gebiete 1981 annektiert. Bereits 1974 richteten die Vereinten Nationen eine Pufferzone zwischen dem israelisch annektierten und dem syrischen Teil der Golanhöhen ein. Dort sind UN-Blauhelmsoldaten stationiert.
Die Annexion wurde international nicht anerkannt. Nach internationalem Recht gelten die Gebiete als von Israel besetztes Territorium Syriens. Der frühere und künftige US-Präsident Donald Trump hatte die Golanhöhen allerdings im März 2019 formell als Staatsgebiet Israels anerkannt und damit eine Kehrtwende in der US-Außenpolitik vollzogen.
Scharfer Protest aus Riad
Saudi-Arabien verurteilte das aktuelle israelische Vorhaben umgehend. Es sei Teil einer "fortgesetzten Sabotage der Möglichkeiten zur Wiederherstellung von Sicherheit und Stabilität in Syrien" nach dem Sturz von Staatschef Baschar al-Assad, erklärte das Außenministerium in Riad. Es sprach zudem von einer Verletzung des Völkerrechts und forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, Israels Vorgehen nicht zu tolerieren. Bei den Golanhöhen handle es sich um besetztes arabisches und syrisches Land.
Auch Katar beklagte "eine neue Episode in der Reihe israelischer Aggressionen auf syrischem Territorium und einen eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht".
Vordringen in Pufferzone
Nach dem Sturz Assads vor einer Woche schickte Israel Truppen in die sogenannte Pufferzone zu Syrien auf den Golanhöhen, die unter UN-Überwachung steht. Netanjahu wies die Streitkräfte an, die Kontrolle über dieses Gebiet sowie "angrenzende strategische Positionen" zu übernehmen. Israel werde es "keiner feindlichen Kraft erlauben, sich an unserer Grenze festzusetzen", erklärte er zur Begründung. Das seit Jahrzehnten geltende Abkommen mit Syrien über die Pufferzone erklärte er für beendet.
Viele Luftangriffe
Nach der Flucht Assads nach Russland flog die israelische Luftwaffe hunderte Angriffe auf Waffenlager und andere militärische Einrichtungen in Syrien. Die israelische Armee erklärte, inzwischen bis zu 80 Prozent der militärischen Kapazitäten zerstört zu haben.
In der Nacht zu Montag bombardierte das Militär nach Angaben von Aktivisten die syrische Mittelmeerküste. Diese sei so schwer angegriffen wie seit mehr als zehn Jahren nicht, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Israel habe nahe Latakia und Tartus unter anderem militärische Hauptquartiere und Lagerhäuser für Flugabwehrraketen beschossen. Ein früherer syrischer Armeeoffizier aus Tartus sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Bombardierungen hätten "die Nacht zum Tag gemacht". Die Explosionen seien fast zehn Kilometer entfernt zu hören gewesen. Anwohner sagten, in der Gegend sei Panik ausgebrochen.
Netanjahu spricht mit Trump über Syrien
Schon vor dem Amtsantritt des designierten US-Präsidenten Trump avanciert dieser zu einem wichtigen Gesprächspartner des israelischen Premiers. Netanjahu erörterte mit Trump die Lage im Bürgerkriegsland Syrien und bekräftigte dabei nach seinen Angaben seine friedlichen Absichten. "Wir haben kein Interesse an einem Konflikt mit Syrien", sagte Netanjahu laut einer Mitteilung. Israels Vorgehen werde sich an den Gegebenheiten vor Ort orientieren.
Syrien sei jahrzehntelang ein "aktiver Feindstaat" gewesen und habe Israel wiederholt angegriffen, so der Regierungschef. Das Bürgerkriegsland habe zudem anderen erlaubt, Israel von seinem Territorium aus anzugreifen. Auch habe Syrien dem Iran gestattet, die Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon über sein Territorium zu bewaffnen. "Um sicherzustellen, dass sich dies nicht wiederholt, haben wir in den letzten Tagen eine Reihe intensiver Maßnahmen ergriffen", erläuterte Netanjahu.
kle/wa/fab (afp, dpa, rtr)