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PolitikAsien

Iranische Hardliner wollen mehr Netz-Kontrolle

8. September 2020

Konservative iranische Abgeordnete machen einen neuen Anlauf, um die trotz Blockade fleißig genutzten sozialen Netzwerke unter Kontrolle zu bekommen. Im Visier ist Twitter, obwohl es von der Führung genutzt wird.

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Iran Nasrollah Pedjmanfar
Nasrullah Pedschmanfar sieht soziale Medien beim Militär am besten aufgehoben Bild: Tasnim

Nasrullah Pedschmanfar (Artikelfoto) ist der Initiator eines Gesetzentwurfs für den "Schutz der iranischen Netzwelt". Der erzkonservative Abgeordnete ist der Vorsitzende des sogenannten "Ausschusses 90": Dieser wurde gemäß Artikel 90 der Verfassung eingerichtet und ist für Beschwerden gegen die Exekutive beziehungsweise Legislative zuständig. Pedschmanfar ist überzeugt, dass sich bis jetzt weder Regierung noch Parlament ausreichend um die Regulierung der iranischen Netzwelt gekümmert hätten.

Offiziell sind alle sozialen Netzwerke im Iran gesperrt, wenn auch (noch) nicht verboten. Die Realität sieht allerdings anders aus: Einer aktuellen Studie des iranischen Ministeriums für Informations- und Kommunikationstechnologie zufolge ist mehr als die Hälfte der 82 Millionen Iraner bei mindestens einem der theoretisch gesperrten sozialen Netzwerke angemeldet. Um einen Überblick über die Stimmung und potentiell gefährliche politische Aktivitäten zu gewinnen,  analysiert das Regime die Netzaktivitäten der Bürger.

Iran Internet Kampf
In Kontakt, Sperren hin oder her Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Salemi

Militär soll Internet-Kontrolle übernehmen

In seinem Gesetzentwurf schlägt Pedschmanfar vor, das Militär solle die Kontrolle über sämtliche Aktivitäten im Internet im Iran übernehmen. "Zum Schutz der Bürger, so wie es überall auf der Welt geschieht", lässt sich der Abgeordnete in iranischen Medien zitieren. Nach seinen Vorstellungen soll es mit der Anonymität im Internet vorbei sein; das Militär soll die Identität der User feststellen und sie überwachen.

Amir Rashidi, in New York ansässiger Experte für Internetsicherheit und digitale Rechte, führt gegenüber der DW aus: "Irans Sicherheitsbehörden versuchen seit 20 Jahren, das Internet unter Kontrolle zu bekommen. Mit dem neuen Gesetz wollen sie die Fähigkeiten der Armee dafür nutzen. Es gibt auch Gerüchte, dass der Iran sich Hilfe von Russland und China holt. Sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, wäre der Iran das erste Land, in dem das Internet vom Militär kontrolliert wird."

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Abgeordnete des im Mai gewählten neuen iranischen Parlaments, in dem die Konservativen die klare Mehrheit haben Bild: AFP/str

Twitter: Von Disssidenten wie Regime gleichermaßen geschätzt

Ganz wichtig ist dem einflussreichen Abgeordneten außerdem: Der Zugang zum Kurznachrichtendienst Twitter soll verboten werden, für die Umsetzung und  die Einzelheiten wäre das Militär zuständig. Das heißt, auch für Ausnahmen. Denn Nasrullah Pedschmanfar hat selbst einen Account auf Twitter und benutzt ihn regelmäßig. Das hat er mit fast allen hochrangigen Politikern des Landes gemein: Von Präsident Hassan Rohani und seinem Außenminister Mohammed Dschawad Sarif bis zum geistlichen Führer Ayatollah Ali Chameni, der auf vier offiziellen Accounts, auf Englisch, Arabisch, Französisch und Persisch, tweetet.

Aber eben auch für iranische Medien, Journalisten und Aktivisten ist der Kurznachrichtendient unentbehrlich. Dort werden wichtige politische und gesellschaftliche Debatten geführt und Kampagnen gestartet. So wie zuletzt für die Freilassung von Navid Afkari, einen möglicherweise unschuldig zum Tode verurteilten Ringer. Der öffentliche Druck auf die Justiz war so groß geworden, dass sie auf die Kampagne  ebenfalls auf Twitter geantwortet hat, auf dem Account des Nachrichten-Portals der iranischen Justiz "Misan". Dass die Justiz sich gezwungen fühlt, auf einer offiziell gesperrten und nur per VPN-Dienst, einer Umgehungssoftware, zugänglichen Plattform zu reagieren, zeige die enorme Bedeutung von Twitter im Iran, meint Amir Rashidi.

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Bei den Protesten im Winter 2019 reduzierte das Regime den Internet-Zugang Bild: picture-alliance/Zumapress/R. Fouladi

Angeblicher "Schutz vor Falschinformationen"

Der Abgeordnete Pedschmanfar schlägt er vor, die Nutzung von VPN-Diensten und Datentunneln, die den Zugang zu verbotenen Seiten ermöglichen, unter Strafe zu stellen. Damit sollten die iranischen User vor "Manipulationen und Falschinformationen" geschützt werden. Pedschmanfar weiß, dass viele iranische Journalisten, die auf Druck der Sicherheitskräfte ihre Arbeit verloren haben, ihre Informationen in sozialen Netzwerken veröffentlichen, insbesondere auf Twitter. 

Genau so ist auch Mohammad Moased vorgegangen. Der investigative Wirtschaftsjournalist ist für seine Berichte über die weit verbreitete Korruption im Iran bekannt geworden. Im Mai 2020 wurde er mit dem Freedom of Speech-Award der Deutschen Welle ausgezeichnet. Zwei Monate später wurde Moased für seine Berichterstattung über die Corona-Pandemie vom in den USA ansässigen Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) ausgezeichnet. Am 2. September teilte der Journalist auf Twitter mit, dass er wegen seiner Berichterstattung zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden sei. Dazu kämen zwei Jahre Berufsverbot. Außerdem seien seine Kommunikationsgeräte beschlagnahmt worden. In der Begründung des Urteils durch den Richter wurde unter anderem "Manipulation von Köpfen ohne Verstand" genannt.