Iran will Uran auf 60 Prozent anreichern
13. April 2021Während in Wien gerade diplomatische Bemühungen zur Rettung des Atomabkommens von 2015 laufen, hat der Iran angekündigt, mit der Uran-Anreichung auf 60 Prozent zu beginnen. Dies schrieb Vize-Außenminister Abbas Araghchi in einem Brief an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), wie die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna meldet. Araghchi ist zugleich der iranische Chefdelegierte bei den Verhandlungen in Wien.
Nach Angaben der iranischen Atomorganisation AEOI sollen die Vorbereitungen für die 60-prozentige Konzentration in der Atomanlage Natans bereits am Dienstagabend beginnen. Der AEOI-Sprecher Behrus Kamalwandi erklärte, das Uran solle für medizinische Zwecke verwendet werden.
Der Iran hat bis jetzt sein Uran schon auf 20 Prozent angereichert, obwohl das 2015 geschlossene internationale Abkommen für eine zivile Nutzung der Nuklearenergie nur weniger als vier Prozent erlaubt. Der Schwellenwert für eine militärische Nutzung von Atomkraft liegt bei 90 Prozent.
Folgenreiche Sanktionen
Ziel der Wiener Nuklearvereinbarung war es zu verhindern, dass Teheran die Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen erhält. Die USA stiegen 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem internationalen Atomabkommen aus und verhängten harte Wirtschaftssanktionen gegen den Iran, die das Land in eine schwere Rezession stürzten. Seit dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen hat sich auch der Iran schrittweise aus seinen Verpflichtungen zurückgezogen.
Die neue US-Regierung von Präsident Joe Biden hat grundsätzlich Bereitschaft signalisiert, dem Atomabkommen mit dem Iran wieder beizutreten. Washington dringt allerdings darauf, dass der Iran zunächst zu seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen zurückkehren müsse. Der Iran wiederum macht die Aufhebung der US-Strafmaßnahmen zur Vorbedingung dafür, dass er sich wieder in vollem Umfang an das Abkommen hält.
In der vergangenen Woche hatten in Wien die Verhandlungen über eine mögliche Rettung des Atomabkommens begonnen. US-Diplomaten waren in separaten Gesprächen in die Beratungen einbezogen, saßen aber nicht mit den Vertretern aus Teheran an einem Tisch. Am Donnerstag sollen die Gespräche fortgesetzt werden.
Debatte über Vorfall in Natans
Derweil schlägt ein mysteriöser Zwischenfall in der Atomanlage Natans weiter Wellen. Das iranische Staatsfernsehen hatte am Sonntag zunächst berichtet, es habe dort ein Problem im Stromnetz gegeben. Ein Sprecher der Atomenergiebehörde sagte, niemand sei verletzt worden und es habe auch keine Kontamination gegeben. Kurz darauf sprach der Chef der Atombehörde, Ali Akbar Salehi, dagegen im staatlichen Fernsehen von einem Akt des "nuklearen Terrorismus". Erst am Samstag hatte der Iran mitgeteilt, neue Zentrifugen zur Urananreicherung in Natans in Betrieb genommen zu haben.
Die Führung in Teheran machte ihren Erzfeind Israel für den angeblichen Angriff am Sonntag verantwortlich und drohte mit "Vergeltung". Nach Angaben der AEOI richtete er in Natans keine größeren Schäden an. "Das war nur eine leichte Brise, die uns nicht mal zum Zittern bringt", behauptete ein Sprecher. Die Zeitung "New York Times" hingegen berichtete unter Berufung auf US-Geheimdienstler, eine israelischen Geheimdienstoperation habe eine heftige Explosion ausgelöst. Die Uran-Anreicherung des Iran werde um mindestens neun Monate zurückgeworfen.
Der iranische Außenminister Dschawad Sarif nannte den Vorfall in Natans ein "Vabanquespiel" Israels. Bei einem Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow versicherte er, dass die Anlage trotz des Zwischenfalls bald auf modernere Zentrifugen umgestellt werde. Zugleich warnte Sarif vor negativen Auswirkungen des Zwischenfalls auf die Bemühungen zur Wiederbelebung des Abkommens: "Der Vorfall in Natans erschwert die Verhandlungen."
Lawrow in Teheran
Lawrow warnte bei seinem Iran-Besuch sogar vor einem Scheitern der internationalen Gespräche. Zugleich kritisierte er die Europäische Union. Russland zählt zu den Ländern, die sich um die Rettung des Abkommens bemühen, das 2015 zwischen dem Iran, den fünf UN-Vetomächten und Deutschland in Wien geschlossen wurde.
Erst am Montag verhängte die EU schärfere Sanktionen gegen den Iran wegen Verstößen gegen grundlegende Menschenrechte. Die EU setzte acht Vertreter der iranischen Sicherheitsbehörden sowie drei Haftanstalten wegen ihrer Rolle bei der gewaltsamen Niederschlagung landesweiter Proteste im November 2019 auf ihre Sanktionsliste. Diese Angelegenheit werfe viele Fragen auf, kritisierte Lawrow. "Wenn es in der Europäischen Union keine Koordination gibt und die rechte Hand nicht weiß, was die linke macht, ist das eine Katastrophe." Wenn diese Entscheidung aber bewusst inmitten der Gespräche über eine Rettung des Atomabkommens getroffen worden sei, sei das ein Fehler.
Bei Lawrows Besuch verabredeten Teheran und Moskau eine engere Zusammenarbeit. Dabei geht es den Angaben nach etwa um eine Kooperation bei der Produktion des russischen Corona-Impfstoffes Sputnik V. Zuvor hatte der Iran Ende März bereits mit China einen Vertrag über eine Zusammenarbeit mit einer Laufzeit von 25 Jahren unterzeichnet. Damit ist der Weg frei für Investitionen Chinas.
kle/ww (afp, dpa, rtr)