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PolitikAsien

Irans neuer Präsident: Was ändert sich in der Außenpolitik?

12. Juli 2024

Der neue Regierungschef Peseschkian hat positive Veränderungen im Iran versprochen. Diese hängen von Erfolgen in der Außenpolitik ab, so bei den Sanktionen, die die Wirtschaft schwer belasten. Welche Spielräume hat er?

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Reformkandidat für die Präsidentschaftswahl im Iran, Masoud Pezeshkian
Der ehemalige Außenminister Zarif (links) unterstützte Peseschkian (Mitte) im Wahlkampf Bild: Vahid Salemi/AP/picture alliance

Der neu gewählte Präsident Massud Peseschkian soll laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA am 30. Juli im Parlament vereidigt werden. Im Wahlkampf hat er wiederholt betont, er wolle sich für positive Veränderungen im Iran einsetzen und das Land aus der internationalen Isolation befreien. Peseschkian hat dafür eine neue Außenpolitik in Aussicht gestellt.

"Einfach wird es nicht", sagt Abdolrasool Divsallar, Experte für Außen- und Verteidigungspolitik des Iran, im Gespräch mit der DW. Der Gastprofessor an der "Università Cattolica del Sacro Cuore" in Mailand ist leitender Forscher am UN-Institut für Abrüstungsforschung (UNIDIR). Divsallar erklärt: "Die Struktur der Islamischen Republik Iran ist so aufgebaut, dass sich in sensiblen Bereichen wie der Außenpolitik verschiedene Personen und Gruppen einmischen. Das ist eines der systemischen Probleme."

Wichtige außenpolitische Entscheidungen werden im Obersten Nationalen Sicherheitsrat formuliert. Mitglieder dieses Rates sind neben dem Präsidenten und seinem Außen-, Verteidigungs- und Innenminister, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, der Leiter der Nachrichtendienste, der vom religiösen Führer ernannte Justizchef, sowie Vertreter des religiösen Führers, derzeit Said Dschalili. Dieser war der Konkurrent Peschkians bei der der Stichwahl ums Präsidentenamt.

Ein wichtiger Akteur mit den meisten Ressourcen

"Wenn die Regierung im Vergleich zu den anderen Akteuren sehr unterschiedliche Ansichten vertritt, wird es schwierig, einen Konsens zu erzielen", analysiert Divsallar und fügt hinzu: "Die Regierung ist in diesem politischen Gefüge jedoch der wichtigste und stärkste Akteur. Sie verfügt über die meisten Ressourcen wie den Haushalt und die Bürokratie und ist für die Umsetzung der Politik zuständig. Bei politischen Richtungsänderungen spielt sie eine wichtige Rolle. Ich glaube, dass Peseschkian die Fähigkeit hat, die Spannungen mit dem Westen zu reduzieren und zu deeskalieren. Er sitzt jetzt an der Spitze einer mächtigen Institution im Iran und verfügt automatisch über die Werkzeuge der Macht."

Raisis Tod und die Folgen für den Iran

Welche eigenen Akzente ein Präsident an der Spitze der Regierung der Islamischen Republik Iran setzen kann, zeigen die Unterschiede in der Amtsführung zwischen den Präsidenten Chatami, Ahmadinedschad, Rohani und Raisi, betont Abdolrasool Divsallar weiter. Peseschkian setzte sich in der Stichwahl am 5. Juli gegen den ultrakonservativen Hardliner Said Dschalili durch, der im Iran als "Vater der Sanktionen" bekannt ist. Kurz vor der Stichwahl warnte der ehemalige Parlamentsabgeordnete Gholamali Jafarzadeh Aymanabadi (2012-2020) vor den Konsequenzen eines Sieges von Dschalili für die Iraner: Ein Leben wie unter dem Taliban-Regime, isoliert wie Nordkorea.

"Die Kompromisslosigkeit von Dschalili im Atomstreit und die Äußerungen von Ahmadinedschad über den Holocaust haben den Weg für die lähmenden Sanktionen gegen uns geebnet. Dschalilis Sieg würde Krieg bedeuten", warnte Jafarzadeh Aymanabadi in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Rokna vor der Stichwahl.

Der Iran steht unter wirtschaftlichem Druck aufgrund der Sanktionen, die vor allem wegen seines umstrittenen Atomprogramms verhängt wurden. Diese Sanktionen haben den Zugang zu internationalen Finanzmärkten und zum Handel stark eingeschränkt. Das hat die iranische Wirtschaft erheblich geschwächt.

Der israelische Iran-Experte Danny Citrinowicz glaubt, dass Peseschkian langfristig ein Atomabkommen erreichen könnte. Citrinowicz ist unter anderem Gastexperte bei mehreren Denkfabriken, darunter das Arab Gulf States Institute und das Middle East Institute, beide in Washington. Er bezeichnet Peseschkian im Gespräch mit der DW als "moderaten" Präsidenten und betont: "Wir wissen, dass der religiöse Führer Ayatollah Chamenei das letzte Wort im Iran hat. Aber es gehört auch zur Wahrheit, dass der Präsident über viele Möglichkeiten verfügt. Peseschkian wird versuchen, ein Abkommen mit dem Westen, vor allem mit den USA, zu erreichen, um wie versprochen den wirtschaftlichen Druck auf den Iran zu reduzieren."

Was wird sich nicht ändern?

Peseschkian stellte sich im Wahlkampf hinter die mächtigen Revolutionsgarden und lobte den Angriff mit Drohnen und Raketen auf den Erzfeind Israel im April. Im seit vergangenem Oktober tobenden Gazakrieg zwischen Israel und der Hamas stellt sich Iran immer wieder an die Seite der Islamisten.

Als neu gewählter Präsident hat Peseschkian der islamistischen Terrororganisation Hamas, die von den USA, der EU und vielen anderen Staaten so eingestuft wird, die Unterstützung seines Landes zugesichert. "Iran wird das unterdrückte palästinensische Volk weiterhin uneingeschränkt bis zur Verwirklichung ihrer legitimen Forderungen und Befreiung des heiligen al-Quds unterstützen", schrieb Peseschkian laut Nachrichtenagentur Fars an Hamas-Auslandschef Ismail Haniyyeh. Peseschkian warf Israel in dem Schreiben eine "Apartheidpolitik" vor. Es sei eine "menschliche und islamische Aufgabe", mit dem palästinensischen Volk dafür zu sorgen, diese endgültig zu beenden.

Zuvor hatte Peseschkian bereits in einem Schreiben an den libanesischen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bekräftigt, dass er am Anti-Israel-Kurs des Irans festhalten werde. Die schiitische Hisbollah wird von den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Die EU listet den bewaffneten Flügel der Hisbollah als Terrorgruppe.

Israel und die Araber: eine Geschichte von Hass und Gewalt?

"Die Unterstützung schiitischer Gruppen der Region hat eine sicherheitsmilitärische Logik in der Islamischen Republik, die seit der Revolution von 1979 unabhängig von den jeweiligen Regierungen definiert wurde. Diese regionalen schiitischen Gruppen haben wichtige Unterstützungsbasen, wie in den Streitkräften und im ideologischen Zentrum des Systems, zum Beispiel in der für Schiiten heiligen Stadt Qom", sagt Abdolrasool Divsallar.

Der Iran-Experte weist darauf hin, dass auch der ehemalige Präsident Rohani (2013-2021) und sein Außenminister Zarif kein Problem mit dieser Logik hatten. Der Unterschied zwischen Hardlinern und Moderaten liegt im Management des Spannungsabbaus. "Hier sehen wir möglicherweise einen wirksameren Ansatz zur Kontrolle von Spannungen und Krisen. Peseschkian kann den Iran sicherer durch die Spannungen zwischen Israel und dem Libanon führen, indem er beispielsweise die Schwelle für eine iranische Intervention erhöht. Das spätere Eintreten in regionale Konflikte kann in den internen Verhandlungen erreicht werden, die in den Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates in Anwesenheit der Regierung stattfinden."