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PolitikAsien

Iran hat in Syrien den wichtigsten Verbündeten verloren

Amir Soltanzadeh
10. Dezember 2024

Der politische Umbruch in Syrien hat im politischen Establishment des Iran tiefe Spuren hinterlassen. Mit dem Sturz von Baschar al-Assad ist Teheran im Nahen Osten machtpolitisch weitgehend isoliert.

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(Archivbild) Syriens Präsident Assad (l.) im Gespräch mit dem iranischen Staatsoberhaupt Ali Chamenei im Mai 2024
Der Iran hat Iran Syrien lange und kostenintensiv unterstütztBild: Office of the Iranian Supreme Leader/AP/picture alliance

Der Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad durch islamistische Oppositionsrebellen setzt die Regierung im Iran unter Druck. Der Iran galt neben Russland als der engste Verbündete des gestürzten Diktators. Am Montag (09.12.) spielen die Beamten in Teheran die Situation in Syrien zunächst herunter und bezeichneten die Lage dort als "normal".

Bis jetzt war Syrien aufgrund seiner geografischen Lage der Dreh- und Angelpunkt der iranischen Sicherheitsstrategie in der Region. Auf Assad konnte der Iran immer zählen. Das iranische Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Chamenei hatte Syrien einst als "Säule der Achse des Widerstands" beschrieben. Das ist ein Netzwerk der Länder und Organisationen, die sich im Nahen Osten gegen Israel und den Einfluss der USA stellen. Syrien war dabei auch ein wichtiger Korridor für die Waffenlieferung vom Iran an dessen Verbündeten im Libanon, die extremistische Hisbollah-Miliz.

Syrien, Bürgerkrieg, iranische Botschaft: ein unordentlicher Raum mit zerstörten Schränken, herausgerissenen Schubladen, Ordnern und Papieren und herumliegenden Gegenständen
Ein Büro der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus nach der Eroberung von Rebellen am 8. Dezember 2024Bild: OMAR HAJ KADOUR/AFP/Getty Images

Die Herrscherfamilie von Präsident Assad hatte Syrien mehr als 50 Jahre lang mit eiserner Faust regiert. Sein Sturz bedeutet einen verheerenden Rückschlag für das sicherheitspolitische Konzept Teherans. Der Iran könne zwar weiterhin Stellvertretermilizen in der Region unterstützen, sagen Analysten. Seine finanziellen und militärischen Kapazitäten seien jedoch erheblich geschwächt worden.

Teheran müsse nun seine Strategie ändern, um seinen Einfluss zu wahren und die Errichtung einer neuen stabilen Ordnung in Syrien zu verhindern, sagt Mohammad Javad Akbarin, ein regimekritischer iranischer Politologe im DW-Interview. Schon früher habe der Iran destabilisierende Kräfte im Irak und in Afghanistan unterstützt, um den Einflüssen der USA entgegenzuwirken und seine eigene Macht in der Region zu demonstrieren. Die derzeitigen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran würden jedoch seine Fähigkeit einschränken, solche Strategien im gleichen Umfang wie früher umzusetzen. 

Islamistische Rebellen gegen Assad-Regime

30 Milliarden US-Dollar für Assad

Für den Iran war es sehr teuer, Syrien zu unterstützen. 2020 gab Heshmatollah Falahatpishe, damals Vorsitzender des Ausschusses für nationale Sicherheit und Außenpolitik im iranischen Parlament, in einem Zeitungsinterview bekannt, dass der Iran etwa 30 Milliarden US-Dollar ausgegeben habe, um Assad an der Macht zu halten.

Syrien Bürgerkrieg iranische Botschaft Damaskus: Ein Fuß steht auf einem zerstörten Bild
Rebellen treten auf das Porträt iranischer Generäle nach der Eroberung der iranischen Botschaftsgeländes in Damaskus im Dezember 2024Bild: OMAR HAJ KADOUR/AFP/Getty Images

Mit Unterstützung aus dem Iran und nicht zuletzt auch der aus Russland konnte Assad im syrischen Bürgerkrieg seit 2011 die Oberhand gewinnen und die Opposition brutal unterdrücken. Assad werden Kriegsverbrechen vorgeworfen, darunter Angriffe auf Zivilisten, Folter sowie Einsatz von Giftgas. 

Auf X, ehemals Twitter, berichtete der iranische Ex-Abgeordnete Bahram Parsaei, dass iranische Gelder ohne Zustimmung des Parlaments nach Syrien geflossen seien. Nun will Parsaei wissen, wer nach dem Sturz von Assad die Schulden an den Iran zurückzahle.

Viele Iraner fragen sich, warum ihre eigene Regierung lieber ein Regime im Ausland finanziell unterstützt, die dringenden Inlandsaufgaben aber auf die lange Bank schiebt wie zum Beispiel den Bau von Schulen und Krankenhäusern in verarmten Regionen.

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Teherans Propaganda

Der Machtwechsel in Syrien habe es möglich gemacht, Parallelen zwischen den Unterdrückerregimen in Damaskus und Teheran zu ziehen, sagt Reza Alijani, iranstämmiger Aktivist aus Paris, im DW-Interview. Die Bemühungen der Rebellen in Syrien, einen geordneten Machtübergang zu gestalten, könnte ein mögliches Vorbild im Iran sein für den Fall, dass die Islamische Republik eines Tages zusammenbrechen sollte.

Alijani räumte jedoch ein, dass der Übergang von einer Diktatur zu einer Demokratie eine Herausforderung darstelle, insbesondere in Gesellschaften, die jahrzehntelang von autoritärer Herrschaft geprägt sind. 

Die iranische Propaganda hat bis jetzt stets den Erfolg der "Achse des Widerstands" betont. Assads Sturz untergräbt jedoch diese Darstellung und könnte die Anhänger im Iran, die bisher auf eine harte Linie setzen, auf den Boden der Realität holen.

Pragmatisch orientierte Fraktionen innerhalb der iranischen Regierung seien Berichten zufolge besorgt über mögliche Aufstände im eigenen Land. Der Zusammenbruch des Assad-Regimes könnte die Erosion des "Gesellschaftsvertrags" zwischen dem iranischen Staat und seinen Bürgern zu Tage bringen, meint Saeed Peyvandi, ein Soziologe mit iranischen Wurzeln in Paris. Es entstehe eine wachsende Kluft zwischen der herrschenden Elite und der Öffentlichkeit und damit eine Legitimitätskrise, mit der autoritäre Regime häufig konfrontiert seien. 

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan