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KonflikteAsien

Iran und Israel: Wie aus Kooperation Feindschaft wurde

1. Oktober 2024

Wieder einmal eskaliert die Feindschaft: Der Iran greift Israel mit Raketen an, Israels Regierung droht mit Vergeltungsangriffen. Dabei waren die beiden Staaten nicht immer Gegner - im Gegenteil.

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Kombo-Bild: Flaggen des Iran (links) und von Israel (rechts)
Kombo-Bild: Flaggen des Iran (links) und von Israel (rechts) Bild: H. Tschanz-Hofmann/IMAGO

Der Krieg im Gazastreifen zieht sich schon fast ein Jahr lang hin. Und längst wird nicht nur mehr in Gaza gekämpft. Raketen- und Drohnenangriffe finden seit Monaten auch zwischen Israel und Libanon, Syrien, Irak und dem Jemen statt. Ende Juli etwa wurde der Auslandschef der terroristischen Hamas in Teheran getötet. Irans Staatsführung schwor daraufhin Rache. Am vergangenen Freitag wurde mit Hassan Nasrallah, Chef der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, ein weiterer und zentraler Verbündeter Teherans getötet. Zuvor hatten explodierende Funkempfänger, sogenannte Pager, Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und etliche auch getötet. Seither war unklar, ob und wie Irans militärische Führung darauf reagiert - auch wegen der konfliktbeladenen gemeinsamen Geschichte. 

Am Montagabend begann nun der Gegenschlag der Islamischen Republik: Irans Revolutionsgarden feuerten Hunderte Raketen auf Israel ab. Der Angriff sei eine Vergeltung für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals, hieß es im Staatsfernsehen. 

 Aus Verbündeten wurden Feinde

Der Iran und Israel sind seit Jahrzehnten verfeindet. Teheran spricht Israel das Existenzrecht ab und droht dem "zionistischen Regime" mit Vernichtung. Israel seinerseits betrachtet den Iran als seinen Erzfeind. Das war aber nicht immer so.

Bis zur Islamischen Revolution 1979 im Iran waren beide Länder eng verbündet. Der Iran zählte sogar zu den ersten Staaten, die 1948 den Staat Israel anerkannten. Israel betrachtete den Iran im Nahostkonflikt als Alliierten gegenüber den arabischen Staaten. Für Teheran bildete das von Washington unterstützte Israel ebenfalls ein willkommenes politisches Gegengewicht zu den arabischen Nachbarländern.

Jüdisches Passah-Fest - Gläubiger im Iran
Jüdisches Passah-Fest in der iranischen Diaspora, Bild aus dem Jahr 2000Bild: picture-alliance/dpa

Israel bildete iranische Agrarexperten aus, lieferte technisches Know-how und half beim Aufbau und Training der persischen Streitkräfte. Der damalige Herrscher des Iran, Schah Mohammad Reza Pahlavi, bezahlte dafür mit Öl, das im wirtschaftlich aufstrebenden Israel dringend gebraucht wurde.

Im Iran lebte die zweitgrößte jüdische Gemeinde außerhalb Israels. Nach der Revolution verließ zwar ein größerer Teil der Juden das Land. Doch noch heute leben mehr als 20.000 Juden im Iran.

Wendepunkt Islamische Revolution

Nach dem Sieg der islamischen Revolution im Iran 1979 und der Machtübernahme des religiösen Flügels innerhalb der Revolutionäre unter Ajatollah Ruhollah Chomeini annullierte Teheran alle Verträge mit Israel. Ajatollah Chomeini kritisierte Israel wiederholt scharf für dessen Besetzung palästinensischer Gebiete. Teheran entwickelte Schritt für Schritt eine gegen Israel gerichtete scharfe Rhetorik mit dem Ziel, die Gunst der arabischen Staaten zu gewinnen oder zumindest die Sympathie der Bevölkerung in diesen Ländern. Das Regime im Iran wollte so den eigenen Einfluss vergrößern.

Iran, Teheran | Verbrennung einer Israel-Flagge beim Jahrestag der iranischen islamistischen Revolution
Verbrennung einer Israel-Flagge: Ein häufiges Ritual beim Jahrestag der islamischen Revolution, im Iran, hier am 12.2.2023Bild: Sobhan Farajvan/Pacific Press/picture alliance

Als Israel 1982 in den libanesischen Bürgerkrieg eingriff und in den Süden des Landes einmarschierte, schickte Chomeini iranische Revolutionsgarden nach Beirut, um die dortigen schiitischen Milizen zu unterstützen. Bis heute gilt die damals entstandene Hisbollah-Miliz als verlängerter Arm Teherans im Libanon.

Vertiefung des Konflikts

Irans derzeitiger religiöser Führer Ajatollah Ali Chamenei, der in allen Angelegenheiten das letzte Wort hat, führte diese Politik fort. Chamenei und die gesamte Führung der Islamischen Republik Iran stellen zudem immer wieder die historische Realität der systematischen Ermordung der europäischen Juden im Nationalsozialismus in Frage und versuchen den Holocaust zu relativieren oder gar zu leugnen.

Jemen Sanaa 2024:  Vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen demonstrieren gegen USA und Israel
Vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen im JemenBild: Osamah Yahya/dpa/picture alliance

Um die eigene, gegen Israel, aber auch gegen Saudi-Arabien gerichtete Position zu stärken, unterstützte der Iran nicht nur die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Gaza, sondern griff auch auf der Seite syrischen Präsidenten Assad in den Syrien-Krieg ein, unterstützt bis heute die Huthi-Miliz im Jemen und die sogenannte Islamische Widerstandsbewegung im Irak. Ein federführender Architekt dieses Schattenkriegs war der Anfang 2020 durch einen US-amerikanischen Drohnenangriff getöteten General der Revolutionsgarden Quasem Soleimani.

Auch Israel hat wenig unternommen, um die Spannungen mit dem Iran abzubauen. Premierminister Benjamin Netanjahu verglich die Islamische Republik in Reden immer wieder mit Nazi-Deutschland, das die Existenz seines Landes unmittelbar bedrohe. Den Atomdeal von 2015, den die UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran ausgehandelt hatten, bezeichnete er als einen "Fehler historischen Ausmaßes". Er, so Netanjahu, werde eine iranische Atombombe "mit allen Mitteln" verhindern.

Immer wieder verübte Israel Sabotageakte gegen das iranische Atomprogramm. 2020 wurde der Leiter des iranischen Atomprogramms, Mohsen Fachrisadeh, getötet. Die englische Zeitung The Guardian und die New York Times berichteten, das alle Indizien auf eine gezielte Tötung des israelischen Geheimdiensts hindeuteten. Israel stritt die Verantwortung weder ab noch bestätigte es sie.

Narrativ der Feindschaft nicht unumstritten

Anders als beim Konflikt der Regierungen gibt es in der Bevölkerung oder aus der Zivilgesellschaft immer wieder auch andere Töne. "Der Iran muss sein Verhältnis zu Israel auf den Prüfstand stellen, denn es ist nicht mehr zeitgemäß", sagte Faeseh Haschemi Rafsandschani Ende 2021 in einem Interview. Faeseh ist die Tochter des ehemaligen iranischen Staatspräsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani und ehemalige Abgeordnete des iranischen Parlaments.

Iran Politikerin Faeseh Haschemi
"Der Iran muss sein Verhältnis zu Israel auf den Prüfstand stellen", forderte die ehemalige Abgeordnete im iranischen Parlament, Faeseh HaschemiBild: Fatemeh Bahrami/AA/picture alliance

Auch der prominente regierungskritische Politologe Sadegh Zibakalam kritisierte wiederholt die iranische Israel-Politik. "Diese Haltung hat das Land auf der internationalen Bühne isoliert", betont der Professor an der Universität Teheran 2022 in einem Gespräch mit der DW.

Auch in Israel gab es immer wieder Stimmen, die sich mit der Bevölkerung des Iran soldarisiert haben. So etwa die Social-Media-Initiative "Israel liebt Iran", die 2012 erstmals für Schlagzeilen sorgte. 2023 unterstützte eine ähnliche Kampagne Iraner, die nach der Tötung von Mahsa Jina Amini gegen das Regime in Teheran auf die Straße gingen. Zuletzt wurde unter dem Hashtag #IsraelisLoveIranians erneut versucht, die Kampagne wiederzubeleben.

Doch auf politischer Ebene sind seit dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel im Oktober 2023 und dem daraufhin von Israel erklärten "Vergeltungskrieg", wie ihn Premier Netanyahu bezeichnete, die Fronten verhärteter denn je. Im Gaza-Krieg sind nach Angaben der Vereinten Nationen inzwischen mehr als 41.000 Palästinenser getötet wurden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. 

Raketenbeschuss der Hisbollah und israelische Bombardierungen des Südlibanon bis in die Hauptstadt Beirut haben bereits hunderttausende Menschen in Israel und dem Libanon dazu gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Die Sorge vor einer Ausweitung des Kriegs war und ist deshalb groß. Die USA, die EU und Deutschland rufen alle beteiligten Kriegsparteien zur Zurückhaltung auf.

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia