Schlange stehen für Milliardendeals
19. Juli 2014Ob iPad, iPhone oder Macbook - die Produkte des US-Konzerns Apple sind in Iran seit Mitte 2013 frei verkäuflich - trotz Sanktionen und mit offiziellem Segen der US-amerikanischen Regierung. "Wenn ein deutsches Unternehmen die Geräte verkauft hätte, wäre das unter dem Begriff des 'Dual-Use' gar nicht erst genehmigt worden", sagt Helene Rang, Geschäftsführerin des Nah- und Mittel-Ost-Vereins (Numov) im Interview mit der Deutschen Welle. "Dual-Use" ist eine Bezeichnung für Geräte, die neben der zivilen Nutzung auch militärisch eingesetzt werden können, wie beispielsweise Handys oder Computer.
Wegen des iranischen Atomprogramms hat die internationale Gemeinschaft seit 2006 die Sanktionsschraube für Iran immer fester angezogen. Verboten waren vor allem Energieimporte aus Iran. Außerdem wurden Finanzgeschäfte mit dem Land untersagt, der Export vieler Maschinen und Anlagen unterbunden und die Einfuhr von Dual-Use-Geräten nach Iran gestoppt. Alle Waren, die Deutschland in das Land exportiert, müssen seitdem durch die deutsche Ausfuhrkontrolle genehmigt werden.
"Die deutsche Wirtschaft ist in vielerlei Hinsicht über den gesetzlichen Rahmen der Handelsbeschränkungen hinausgegangen", erklärt Daniel Bernbeck von der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Teheran im Gespräch mit der DW. Ein Grund für diese Zurückhaltung sind auch die engen deutsch-israelischen Beziehungen. Israel hat Angst vor dem iranischen Atomprogramm und befürwortet harte Sanktionen. Regierungschef Benjamin Netanjahu kritisiert deshalb die direkten Atomverhandlungen mit seinem Erzfeind noch immer scharf.
Tiefer Fall
Vor Beginn der Sanktionen lief das deutsche Geschäft mit Iran blendend. Vor allem mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Petrochemie, Bergbau und dem Einzelhandel waren vertreten. Laut der Teheraner Industrie- und Handelskammer war Deutschland 2006 noch Irans zweitwichtigster Handelspartner. Knapp acht Jahre später sieht das Bild völlig anders aus - allein in den letzten drei Jahren sind die Ausfuhren nach Iran um jeweils fast 20 Prozent zurückgegangen.
Großer "Sanktionsgewinner" ist die Volksrepublik China. Sie konnte ihre Exporte erheblich ausweiten und zählt heute zu den wichtigsten Handelspartnern des Landes. "Die Sanktionen haben natürlich eine Auswirkung auf unsere Wirtschaft gehabt. Aber es ist im Land deshalb nicht zum Stillstand gekommen", erklärt Irans Botschafter in Deutschland, Ali Reza Sheikh Attar, der DW. "Die Chinesen, Russen und die Türken haben die Lücke genutzt, die durch den Rückgang des westlichen Engagements entstanden ist."
Lange Verhandlungen
Doch für westliche Unternehmen könnte sich nun der Wind drehen. Mit dem neugewählten moderaten Präsidenten Hassan Rohanigeht Iran wieder stärker auf die USA und Europa zu. Seit November 2013 sitzen die fünf UN-Vetomächte mit Deutschland und Iran am Verhandlungstisch in Wien.
Die internationale Gemeinschaft will erreichen, dass Iran sein Atomprogramm zurückfährt. Im Gegenzug hat der Westen seit Verhandlungsbeginn die Handelsbeschränkungen in wenigen Punkten bereits gelockert und ködert Iran mit einer Aufhebung wesentlicher Sanktionen. Außerdem haben die USA eingefrorene Milliarden aus iranischen Ölverkäufen schrittweise wieder an das Land zurück bezahlt.
Die selbstgesetzte Frist für eine Einigung im Atomstreit läuft zwar diesen Sonntag (20.07.2014) eigentlich aus, wurde aber auf Ende November verlängert. "Es gibt weiter echte Meinungsunterschiede in wichtigen Punkten", sagte US-Außenminister John Kerry. Der Außenminister Irans Dschawad Sarif twitterte: "Wir können Geschichte schreiben, aber Vertrauen ist keine Einbahnstraße." Doch auch wenn es nicht zu einer Einigung kommen sollte, erwägt US-Präsident Obama bereits eine Verlängerung der Verhandlungen.
Großes Interesse
Iran ist eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. Riesige Gas- und Ölvorkommen können noch erschlossen werden. Vielerorts ist die Technik wegen der Sanktionen aber veraltet. Daniel Bernbeck von der AHK in Teheran vermutet, dass kurz- bis mittelfristig ein Exportvolumen von drei bis sechs Milliarden Euro jährlich für die deutsche Industrie möglich wäre. "Die Voraussetzung ist jedoch, dass der Iran wieder im normalen Umfang Öl und Gas exportieren und auch wieder am normalen Bankenverkehr teilnehmen kann", so Bernbeck. Im Außenbüro der AHK bemerke man eine steigende Zahl von Anfragen für Kontaktrecherchen und Markeintrittsanalysen. "Es überwiegt aber nach wie vor das Warten auf eine juristische Lockerung der Sanktionen."
Der Nah- und Mittel-Ost-Verein macht sich für die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Iran stark. Vor dem Hintergrund einer weiteren Lockerung der Sanktionen sei die Nachfrage riesig, erzählt Helene Rang. Erst kürzlich habe ihr Verein eine Tagung zu dem Thema organisiert: "Wir hatten 300 Plätze und 500 Anmeldungen". Doch offen über ihre Iran-Ambitionen wollen die wenigstens Unternehmen sprechen. "Das ist normal: Vor allem Unternehmen mit guten wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA möchten diese ungerne mit solchen Äußerungen gefährden", so Rang.
Wie hart die USA durchgreifen können, zeigt sich aktuell im Bankensektor. Erst kürzlich hat die französische Großbank BNP Paribas von der US-Justiz eine Strafe von umgerechnet 6,4 Milliarden Euro aufgebrummt bekommen, weil sie gegen US-Recht verstoßen hat und auch mit Iran Geschäfte machte. Insidern zufolge könnte das auch die Commerzbank und die Deutsche Bank treffen.
Vorbereitungen laufen
Im Hintergrund arbeiten jedoch viele Unternehmen bereits am schnellen Markteintritt nach einer Lockerung der Sanktionen. Regelmäßig besuchen internationale Wirtschaftsdelegationen Iran - darunter auch europäische. Länderexperten zufolge laufen in den USA bereits Vorbereitungen für eine amerikanisch-iranische Handelskammer. Erst kürzlich berichteten Medien über einen milliardenschweren Energie-Vorvertrag des US-Unternehmens World Eco mit der iranischen Regierung. "Die USA missbrauchen die Sanktionen, um vor der europäische Konkurrenz auf dem iranischen Markt Fuß zu fassen", kommentiert der iranische Botschafter in Deutschland Ali Reza Sheikh Attar.
Helene Rang meint, dass sich die deutschen Unternehmen beeilen müssten. Die Chancen stünden noch immer gut. "Vor allem die Mittelständler sind noch immer sehr gefragt." Rund 80 Prozent der Anlagen und Maschinen in Iran stammten aus Deutschland: "In dem Moment, wo die Sanktionen aufgehoben werden, beginnt im Bereich Ersatzteile und Material ein Riesengeschäft. Aufgrund des relativ hohen Ölpreises könnte Iran dann auch sehr schnell wieder an große Mengen Geld kommen, um solche Investitionen zu tätigen." Der US-Konzern Apple wird sehr wahrscheinlich nicht mehr lange ein Sonderfall sein.